Wien

Ibrahim und Sladjana helfen Migranten bei Start in Wien

Vom komplizierten Formular bis zum Arzttermin: Die Caritas-"Grätzeleltern" unterstützen Migranten bei anfänglichen Herausforderungen in Österreich.

Yvonne Mresch
Ibrahim Aljanabi (37) und Sladjana Djordjevic (50) sind sogenannte "Grätzeleltern". Aus ihrer eigenen Migrationsgeschichte heraus unterstützen sie andere bei Hürden und Herausforderungen in Österreich.
Ibrahim Aljanabi (37) und Sladjana Djordjevic (50) sind sogenannte "Grätzeleltern". Aus ihrer eigenen Migrationsgeschichte heraus unterstützen sie andere bei Hürden und Herausforderungen in Österreich.
Sabine Hertel

"Das schönste sind die Erfolgserlebnisse. Wenn jemand eine Pension genehmigt bekommt, eine Schule für sein Kind oder die passende Ausbildung findet", erzählt Sladjana Djordjevic. Die 50-jährige Wienerin mit serbischen Wurzeln engagiert sich freiwillig beim Projekt "Grätzeleltern" der Caritas.

"Grätzeleltern" beantworten Fragen rund um Wien

Ob Sprachbarrieren, ein eingeschränkter Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt, ein unsicherer Aufenthaltsstatus oder fehlende soziale Netzwerke: Der Start in einem fremden Land kann zur Herausforderung für Flüchtlinge und Migranten werden. Hier kommen Djordjevic und ihre Kollegen ins Spiel. Geschulte Ehrenamtliche mit unterschiedlichem Hintergrund engagieren sich für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Das kann das Vereinbaren von Terminen sein, die Suche nach der richtigen Ausbildung oder allgemeine Informationen über die neue Umgebung. Kurz: alle Fragen rund um Wien. Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe.

"Manchmal betreue ich bis zu zehn Personen am Tag"

Seit mittlerweile zehn Jahren helfen die "Grätzeleltern" Neuangekommenen. Aktuell sind 35 Freiwillige beim Projekt aktiv. Sie kommen aus 17 Ländern und sprechen 25 Sprachen. Einer von ihnen ist auch Ibrahim Aljanabi: Der 37-jährige Programmierer stammt ursprünglich aus dem Irak, zog jedoch für sein Studium in die Ukraine. Seit 2015 lebt er in Österreich und will sein Wissen über die Anfänge in einem fremden Land an andere weitergeben. Die Freiwilligen helfen telefonisch, besuchen die Menschen in den eigenen vier Wänden oder an einem Ort ihrer Wahl. Bisher wurden über 2.400 Haushalte unterstützt.

"Manchmal betreue ich bis zu zehn Personen an einem Tag. Mein Chat ist immer voll", lacht Aljanabi während er auf sein Handy schielt. "Ich helfe bei Fragen um Schule, Ausbildung, Behördengänge oder Medizin. Es ist eine Bandbreite an Themen, aber auch an Menschen." Aufgrund seiner Arabisch- aber auch Russisch-Kenntnisse ist für Aljanabi seit März "Hochsaison". Er hilft vor allem Geflüchteten aus der Ukraine bei bürokratischen Hürden und Problemen.

"Manchmal werden die Grenzen spürbar"

Kollegin Sladjana Djordjevic betreut mit ihren Sprachkenntnissen großteils Menschen aus der serbischen Community. Das Engagement als "Grätzelmama" lag für sie auf der Hand: "Ich helfe einfach gerne, seit ich klein bin. Auch im Alltag achte ich darauf, was Leute brauchen." Nun kann sie ihre soziale Ader als Ehrenamtliche bei der Caritas einsetzen. "Die Leute schildern mir ihre Probleme und ich tue mein Bestes, um ihnen zu helfen. Schafft man etwas, ist das wie ein Lotto-Gewinn. Andere Male werden aber auch die Grenzen der Bürokratie spürbar", erzählt die hauptberufliche Hausbesorgerin.

Dass es sich bei Wünschen, die er versucht zu erfüllen, nicht immer um Lebensentscheidendes handelt, erzählt Aljanabi mit einem Lächeln: "Ich war einmal mit einer Mutter und ihrem Kind am Hauptbahnhof, um zu helfen. Das Kind wollte aber von Formularen und co. nichts wissen. Es hatte sich in den Kopf gesetzt, eine ganz spezielle Süßigkeit zu finden. Also war das an diesem Tag meine Aufgabe", lacht er.

Projektleiterin: "Wichtig, die nötige Distanz zu wahren"

Auch wenn mitunter Freundschaften zwischen Betreuern und Klienten entstehen: Um die nötige Distanz wahren zu können, erhält jeder Freiwillige ein Diensthandy. So kann zwischen privaten und beruflichen Kontakten unterschieden werden. "Aber natürlich lebt die Gruppe vom Austausch", erklärt Projektleiterin Barbara Eibelhuber. "Die Freiwilligen sind gut vernetzt." Nach digitalen Treffen während der Corona-Krise freue man sich nun wieder auf die Zusammenarbeit vor Ort.

Wer Interesse hat, sich beim Projekt "Grätzeleltern" zu engagieren, kann sich unter www.caritas-stadtteilarbeit.at informieren. Wichtig, so Eibelhuber, sei eine hohe Sozialkompetenz, Freude am Umgang mit Menschen, Geduld und Ausdauer. Besonders gefragt sind derzeit Kenntnisse der Sprachen Arabisch, Dari/Farsi, Ukrainisch/Russisch, Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch.

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