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"Ich bin magersüchtig – trotz Übergewichts"

Plus-Size-Model Tess Holliday leidet an Anorexie. Jetzt erklärt sie, warum es für übergewichtige Magersüchtige mehr Unterstützung braucht.

Christine Scharfetter
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Im Frühling 2021 wurde bei dem Plus-Size-Model eine Magersucht diagnostiziert, jetzt setzt sie sich für mehr Unterstützung bei einer atypischen Anorexie ein.
Im Frühling 2021 wurde bei dem Plus-Size-Model eine Magersucht diagnostiziert, jetzt setzt sie sich für mehr Unterstützung bei einer atypischen Anorexie ein.
www.instagram.com/tessholliday

"Ich fühle mich allein. Es ist schwer, sich mit etwas auseinanderzusetzen, für das es nicht genug Unterstützung gibt", schreibt Plus-Size-Model Tess Holliday in einem Essay, der in der Zeitschrift "Today" veröffentlicht wurde. Bei der 36-Jährigen wurde vor rund einem Jahr Magersucht diagnostiziert. "Es tröstet mich, dass ich stark genug bin, um darüber zu sprechen. Aber seit der Diagnose und der ersten Besserung habe ich wieder Rückschritte gemacht. Es ist elf Uhr und ich habe heute außer zwei Schlucken Kaffee noch nichts zu mir genommen."

Seit die Mutter von zwei Kindern im Mai 2021 mit der Diagnose an die Öffentlichkeit ging, kämpft sie nicht nur gegen die Krankheit, sondern auch böse Kommentare. Nicht selten kam der Vorwurf, dass sie eine Lügnerin sei, die Aufmerksamkeit wolle. Zu groß sei das Unwissen und damit das Unverständnis in der Öffentlichkeit, dass auch Übergewichtige unter Magersucht leiden können.

"Wie kann man nur fett und magersüchtig sein?"

Das Schwierigste an der Situation sei gewesen, sich auf ihre Genesung zu konzentrieren – und nicht auf die innere Stimme zu hören, die sie fragte: "Tess, schau dich doch einmal selber an, wie kann man nur so fett und gleichzeitig magersüchtig sein?" Es sei brutal genug, dass es so wenig Informationen und Anlaufstellen für Übergewichtige mit Anorexie gäbe – sich da überhaupt selber zu glauben, gehöre für sie bis heute zu den größten Herausforderungen.

Anorexie und Übergewicht
Magersüchtig, aber mit Übergewicht – wie passt das zusammen? Tatsächlich ist das kein Widerspruch. Bei normal- oder übergewichtigen Menschen spricht man von einer atypischen Anorexie. Diese Menschen hungern, ohne dass man es ihnen ansieht. Zwar drohen sie nicht wie Untergewichtige zu verhungern, allerdings wird der Körper durch die Mangelernährung ebenfalls geschädigt. Auch die psychische Belastung ist dieselbe.

Trügerische Komplimente

Während zahlreiche Followerinnen und Follower sie als falsche Person mit Aufmerksamkeitsdefizit darstellen wollten, machten ihr andere überschwängliche Komplimente für ihre Figur. "Wow, Tess, hast du abgenommen?", "Du siehst irgendwie schlanker aus, steht dir super!" – solche Bemerkungen häuften sich unter ihren Posts. Doch auch dazu machte sie ein wichtige Ansage: Sie bittet Leute inständig, keine Bemerkungen über das Gewicht einer anderen Person zu machen.

"Für Leute wie mich, die versuchen, ihre Beziehung zu ihrem Körper neu zu gestalten und zu heilen, sind Kommentare über ihr Gewicht ein echter Trigger." Sie beendet ihren Post mit einem Ratschlag: "Wenn du jemandem nicht sagen kannst, dass er oder sie gut aussieht, ohne es am Gewicht festzumachen, dann lass es bitte lieber sein."

Hilfe für Betroffene:
Hotline für Essstörungen: 0800201120 (kostenlos – anonym – bundesweit)
Verein Netzwerk Essstoerungen
Telefonseelsorge Österreich - Notruf: 142
Selbsthilfegruppen
sowhat, Beratung für Betroffene, Angehörige und andere Bezugspersonen