In Handschellen wurde ein 32-Jähriger am heutigen Mittwoch in den Gerichtssaal in Wr. Neustadt geführt – mit grünem Longshirt, schwarzer Weste, grauer Jogginghose und Sportschuhen nahm der Mann auf der Anklagebank Platz: "Ich möchte den Schaden wieder gutmachen. Es tut mir leid, es war nicht geplant, dass ich jemanden körperlich oder psychisch verletze."
"Ich weiß, dass es nicht normal ist, was ich getan habe", verwies der Rumäne auf seine stressige Situation zum Tatzeitpunkt. "Ich wollte schnell zur Kirche und das Glas kaputtmachen. Es kann jedem mal passieren, dass er die Kontrolle verliert."
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: Nach einer wilden Amokfahrt von Wien nach Brunn am Gebirge soll er in die dortige Pfingstkirche gerast sein – angeklagt ist der Mann u.a. wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung. Am Gebäude selbst entstand ein Schaden von rund 825.000 Euro, mittlerweile wurde die Kirche zum großen Teil wieder renoviert. Zusätzlich zu einer Strafe wurde die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt.
Laut einem psychiatrischen Gutachten leidet der Mann an einer Persönlichkeitsstörung, ist aber zurechnungsfähig. Der 32-Jährige soll am 8. Juli des Vorjahres nach einer Amokfahrt von Wien nach Brunn am Gebirge mit einigen Unfällen mehrmals mit einem Lkw und mit Vollgas rückwärts gegen die Kirche gerast sein.
Der Lastwagen krachte gegen den Eingangsbereich und die verglaste Außenwand. Der Mann nahm die Tat sogar auf Video auf und veröffentlichte sie im Internet. Als die Polizei antraf, stieg der Rumäne aus dem Lkw und ließ sich widerstandslos festnehmen.
Pfingstchristen
"Die Gemeinde ELIM ist eine Gemeinschaft von Pfingstchristen, die aus Rumänien stammen", heißt es auf der Homepage der "ELIM Brunn Pfingstkirche Gemeinde Gottes". "Die Geschichte der Pfingstkirche ELIM in Wien beginnt im Jahr 1980 mit den ersten Gläubigen, die aus dem kommunistischen Rumänien geflohen sind, um vorübergehend oder, wie es für andere sich herausgestellt hat, dauerhaft in Österreich zu bleiben."
Zudem heißt es: "In Österreich wurde die Pfingstkirche Gemeinde Gottes durch rumänische Christen der Pfingstgemeinde gegründet. Diese waren politische Flüchtlinge und begannen im Jahr 1981 sich im Flüchtlingslager Traiskirchen zum Gebet und Bibelstudium zu treffen. Im Jahre 1984 wurde mit Unterstützung der Gemeinde Gottes in Deutschland die erste rumänische Pfingstgemeinde in Wien eröffnet. Jenes Jahr war entscheidend in Gottes Plan für die Rumänen in Österreich. So wurde Österreich zum Land, dass von Gott vorbereitet wurde um viele Gläubige aus Rumänien aufzunehmen."
Die Vertreterin der Anklagebehörde sprach von einer "außergewöhnlich rücksichtslosen Fahrweise" des Beschuldigten. Viermal entstand Sachschaden, es gab aber auch Verletzte. Der Mann soll laut Anklage Opfer zum Ausweichen genötigt haben.
Im Inneren des Gebäudes der Pfingstkirche hatten zum Tatzeitpunkt ein Pfarrer und ein Brautpaar gerade ein Ehevorbereitungsgespräch geführt, sie blieben unverletzt.
Vor diesem Vorfall soll der zuletzt in Wien wohnhafte Angeklagte im Mai 2024 auf dem Parkplatz des Kirchengeländes eine Bibel zerrissen haben.
"Ich habe Gott gehasst und mit Gott gestritten", sagte der 32-Jährige. Am 25. Mai des Vorjahres soll er Angehörige der Pfingstkirche während eines Livestreams einer Konferenz der Glaubensgemeinschaft gefährlich bedroht haben, indem er öffentlich einsehbare Kommentare postete. Zu lesen war etwa "Ihr werdet weinen, aber ich auch. Ihr habt mein Leben zerstört. Ich suche euch seit längerer Zeit." Und: "Ihr werdet es bereuen, auch nach zehn Jahren." Das sei "verrückt" und "Blödsinn" gewesen, meinte der Angeklagte.
Der Verteidiger beschrieb seinen Mandanten als "sehr religiösen Menschen, für den die Kirche der Mittelpunkt seines Lebens war". "Die Einzelheiten der 'Amokfahrt' - wenn man es so nennen möchte - sind ihm nicht mehr bekannt", sagte der Jurist. Dass der Beschuldigte nicht in der Pfingstkirche in Brunn am Gebirge aufgenommen worden sei, habe ihn gekränkt. Mittlerweile sei der Angeklagte "geläutert". Sein Mandant wolle den Schaden - soweit möglich - wieder gutmachen, betonte der Verteidiger, der um ein mildes Urteil bat. Es gilt die Unschuldsvermutung, ein Urteil ist für die Nachmittagsstunden geplant.