Politik

Identitären-Chef blamiert sich vor Gericht

Heute Redaktion
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Der Chef der österreichischen Identitären, Martin Sellner (l.), blamierte sich vor einem deutschen Gericht.
Der Chef der österreichischen Identitären, Martin Sellner (l.), blamierte sich vor einem deutschen Gericht.
Bild: picturedesk.com

Ein deutscher Rechtsextremer stand in Halle wegen Körperverletzung vor Gericht. Der Austro-Identitäre Martin Sellner war als Zeuge geladen und blamierte sich.

Der angeklagte Andreas K. ist Teil der rechtsextremen Gruppe "Kontrakultur". Seit Montag muss er sich vor Gericht wegen Nötigung und Körperverletzung verantworten. Ausgerechnet die Zeugenaussage seines Gesinnungsgenossen Sellner brachte ihn in Bedrängnis, wie die Tageszeitung "Zeit" berichtet.

Der Vorfall, um den es geht, hatte sich am 9. März 2016 in Halle an der Saale im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt ereignet. Aktivisten der rechtsextremen "Identitäre Bewegung" (IB) zogen verkleidet durch die Innenstadt. Dabei sollen sie vermeintlich ausländische Passanten rassistisch beleidigt und einen CDU-Infostand bedrängt haben. Es bildete sich eine spontane Gegendemo.

Am Ende stiegen die versammelten Rechtsextremen - darunter auch der aus Österreich angereiste Martin Sellner - in eine Straßenbahn. Einen Gegendemonstranten, der auch mit in die Garnitur gestiegen war, soll der Angeklagte an den Schultern gepackt und aus der offenen Tür der Straßenbahn gezerrt oder geschoben haben, berichten Anklageschrift und der Angeklagte übereinstimmend.

Richterin wies auf Widersprüche hin

Als Sellner in den Zeugenstand tritt, beginnt er zu erzählen: Das "Identitäre Theater" sei von Linksextremen massiv bedroht und eingeschüchtert worden. An der Straßenbahn sei es zu Attacken gekommen. Die Richterin wies den 28-jährigen Studenten überrascht darauf hin, dass seine Schilderung den Aussagen aller anderen Beteiligten eklatant widerspreche. Sellner überlegte kurz und ruderte dann zurück: Die Angriffe gab es wohl doch nicht.

Gelächter im Saal

Der Gerichtsreporter der "Zeit" berichtete, im Saal sei leise gelacht worden. Auch die Justizbeamten hätten amüsiert gelächelt, während Sellners Gesinnungsgenossen ungehalten auf dessen Erfindungen reagierten. An den Ablauf des Straßenbahn-Vorfalls könne er sich "nicht wirklich erinnern", sagte er auf Nachfrage. Auch gefilmt habe er den Vorfall nicht.

Als ihn der Anwalt des Nebenklägers mit der Aussage eines Polizisten konfrontierte, Sellner hätte der Polizei gesagt, er habe alles gefilmt, schwieg der Identitäre. Die Rechtsextremen auf den Zuschauerbänken hätten daraufhin "den Kopf verzweifelt in die Hände gelegt" oder leise gestöhnt.

Sellner musste bei den Linken sitzen

Der 28-Jährige schwadronierte anschließend darüber, dass der Gegendemonstrant "ein Spion, ein Späher" der Linksextremen gewesen sein. Als er auf die Frage, woher er das wisse, erneut auswich, wurde es der Richterin zu bunt. Sie forderte Sellner auf, Fragen klar mit Ja oder Nein zu beantworten. Daraufhin gab Sellner zähneknirschend nur mehr an, er könne sich "nicht genau erinnern".

Als Sellner den Zeugenstand endlich verlassen konnte, wurde ihm sogar der Platz in den Publikumsreihen seiner identitären Gesinnungsgenossen verweigert. Er musste sich in die Publikumsreihe davor zu den Linken setzen, berichtet die "Zeit".

Ein Urteil in dem Prozess wird am 11. Juli erwartet. (hos)