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"Inferno von Moria ist eine Katastrophe mit Ansage"

Seit Jahren sind die Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln heillos überfüllt. Hilfsorganisationen warnen immer wieder vor einer Katastrophe.

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In der Nacht ging das Flüchtlingslager Moria in Flammen auf.
In der Nacht ging das Flüchtlingslager Moria in Flammen auf.
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Im roten Feuerschein zwischen Rauchwolken irren Kinder umher, weinen Frauen, schreien junge Männer. Wohin? Erstmal weg von brennenden Containern und Zelten, von explodierenden Gasflaschen und herabstürzenden Ästen. Auf umliegende Hügel oder die Straße in Richtung Inselhauptstadt. Wieder einmal erschüttern die Bilder des Elends von Moria. Wieder einmal ist das Entsetzen groß. Doch wird sich diesmal etwas ändern?

Viermal so viele Menschen wie eigentlich vorgesehen

Moria auf der griechischen Insel Lesbos steht wie kein anderer Ort für die verfehlte EU-Migrationspolitik, aber auch für das Versagen der griechischen Behörden. Es gilt mit derzeit 12.600 Bewohnern als größtes Flüchtlingslager Europas. Seit Jahren fordern Hilfsorganisationen die Auflösung der Anlage, die eigentlich nur Platz für 2.800 Menschen bietet.

Immer wieder brennt es, immer wieder rebellieren Menschen wegen unwürdiger Zustände. Ausreichende sanitäre Anlagen gibt es nicht. Für Essen müssen die Migranten stundenlang anstehen. Viele Menschen leben rund um das Lager in provisorischen Zelten, teilweise ohne Zugang zu fließendem Wasser, bei minimaler Gesundheitsversorgung.

Dann kam Corona – und jetzt das Feuer

Die erste Coronainfektion eines Lagerbewohners wurde vergangene Woche festgestellt. Es handelt sich um einen 40 Jahre alten Somalier, der schon als Flüchtling anerkannt war und die Insel hatte verlassen dürfen. Er war in Athen auf der Straße gelandet und deshalb Ende August nach Lesbos zurückgekehrt. Wo er sich angesteckt hat, ist nicht bekannt. Am Dienstag waren es bereits 35 nachgewiesene Fälle.

In der Nacht eskalierte die Lage. Bewohner protestierten. Mehrere Feuer brachen aus. Die Behörden gehen von Brandstiftung aus. Am Morgen danach war von dem Camp so gut wie nichts mehr übrig.

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    Flüchtlinge evakuiert: Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos sind mehrere Brände ausgebrochen.
    Flüchtlinge evakuiert: Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos sind mehrere Brände ausgebrochen.
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    Eine Katastrophe mit Ansage

    Die Tragödie sei Folge "jahrelanger fehlgeleiteter Antworten der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf die Ankunft von Menschen, die vor Konflikten und Verfolgung fliehen", sagt Evelien van Roemburg von der Hilfsorganisation Oxfam. Die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst schreibt auf Twitter: "In Moria sind wir sehenden Auges in die Katastrophe gerannt." Und Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt empört sich: "Die Katastrophe von Moria ist eine Folge der skandalösen und menschenverachtenden deutschen und europäischen Politik."

    Es brennt an allen Ecken und Enden der EU-Migrationspolitik

    Gerade erst warf Amnesty International Malta vor, Migranten aus Nordafrika illegal in das Bürgerkriegsland Libyen zurückzuweisen. Auch Griechenland verletzt Hilfsorganisationen zufolge systematisch die Rechte Schutzsuchender. Ungarn schränkt Asylmöglichkeiten bis zur Unkenntlichkeit ein. Und die kroatische Grenzpolizei geht Hilfsorganisationen zufolge brutal gegen Migranten an der "grünen" Grenze zu Bosnien vor – was die Regierung bestreitet.

    Auf eine umfassende Reform ihrer Asyl- und Migrationspolitik können die EU-Staaten sich seit Jahren nicht einigen. Vor allem die Dublin-Regeln sind umstritten, wonach meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig ist, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. In der Realität sind das meist die südlichen Länder: Griechenland, Italien, Malta, Zypern, Spanien. Sie dringen darauf, Schutzsuchende auf alle EU-Staaten zu verteilen.

    Lager soll als "Abschreckung" dienen

    Andere Länder – etwa Österreich, Ungarn, Polen und Tschechien – verhindern das. Sie wollen sich nicht zur Aufnahme der Menschen verpflichten lassen und betonen immer wieder, dass es einen stärkeren Grenzschutz brauche. Lager wie das auf Lesbos dienen einigen als Abschreckung für weitere Schutzsuchende.

    Abhängig ist die EU auch von der Türkei, mit der 2016 ein Flüchtlingspakt geschlossen wurde. Letztlich ist es Präsident Recep Tayyip Erdogan, der entscheidend darauf einwirken kann, wie viele Migranten es von der Türkei nach Griechenland – und somit in die EU – schaffen. 

    Immerhin wurde Moria zuletzt etwas entlastet. Deutschland und andere EU-Staaten übernahmen vor allem Hunderte Kinder und Jugendliche, Griechenland siedelte mehrere Tausend Menschen auf das Festland über.

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