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Influencerin inszeniert bizarren Stalking-Vorfall

Antonella Patitucci gab vor, wegen eines Stalkers unter Todesangst zu leiden. Nun stellt sich heraus: Die Bedrohung war nur vorgespielt.

Heute Redaktion
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Die Bilder, die der vermeintliche Stalker auf Instagram teilte, hätten nicht unheimlicher sein können. Auf der Social-Media-Plattform zeigte er Fotos und Videos von Antonella Patitucci, einer Schweizer Influencerin, wie sie in Zürich auf die Straßenbahn wartet, aus einer Bar kommt oder ins Auto steigt. In der Instagram-Story zeigte er mehrmals den Horror-Charakter Michael Myers aus dem Film "Halloween" und sogar, wie er Patitucci an ihrem Wohnort einen Brief in den Briefkasten legt. Danach folgte in einer Story ein Countdown mit der Überschrift: "Game over in 2 Tagen, 19 Stunden und 39 Minuten."

Nur kurz darauf berichtete Patitucci, die auf Instagram 56.000 Abonnenten hat, dass sie um ihre Sicherheit fürchte: "Ich wollte sagen, dass das echt krank ist und es mir extrem Angst macht." Es habe mit Hasskommentaren und Fake-Profilen begonnen. "Aber nun ist es so weit gekommen, dass ich einen zwielichtigen Brief bekomme habe, der mir klarmachen soll, dass ich auch noch im realen Leben verfolgt werde." Sie habe sich daher entschieden, jetzt offline zu gehen, und prüfe rechtliche Schritte: "In den letzten Tagen hab ich leider zu spüren bekommen, dass es hier draußen wirklich kranke Menschen gibt." Das Nachrichtenportal "Nau.ch" titelte am Montag: "Antonella Patitucci wird von Stalker heimlich fotografiert".

Stalking-Vorfall war fingiert

"20 Minuten" informierte nach Durchsicht des Fake-Accounts die Stadtpolizei über dessen Inhalt. Am nächsten Tag teilte diese mit, die Sache sei erledigt, man müsse sich keine Sorgen machen.

Nun wird klar, wieso: Die ganze Geschichte war eine Social-Media-Kampagne, ein Fake. Das gibt Patitucci auch auf ihrem Instagram-Account zu. "Vor 2 Monaten wurde ich von der ZHdK (Züricher Hochschule der Künste, Anmerkung) auf das Thema Cyber-Stalking angesprochen und willigte ein, dass sie mich stalken dürfen", so Patitucci.

Verärgerte Follower

Der Grund dafür mag nobel gewesen sein: So gebe es in der Schweiz noch immer keinen Straftatbestand Cyber-Stalking. Wie die Kampagne "netzschatten" schreibt, können Betroffene in der Schweiz rechtlich nur sehr eingeschränkt gegen Cyber-Stalking vorgehen. Meist müsse bereits eine zusätzliche Straftat vorliegen, damit gehandelt werde. Die Studentengruppe hat eine Petition gestartet.

Antonellas Fans fühlen sich aber hinters Licht geführt. "Ich finde die Aktion gar nicht gut – egal, wenn es für einen guten Zweck sein sollte. Wenn jetzt sowas wirklich mal passieren sollte, denkt doch jeder, es sei ein Fake. So geht man nicht mit seinen Followern um. Ich bin mehr als enttäuscht", schreibt eine Instagram-Nutzerin. "Kein Wunder, sind die Leute aufgebracht", schreibt ein weiterer User. "Wir machten uns Sorgen um sie, nur um herauszufinden, dass alles eine Lüge war, um Aufmerksamkeit zu erhalten."

"Grenze überschritten"

Auch ihre Influencer-Kolleginnen machten sich Sorgen. "Eine sehr hässliche Geschichte – wir stehen hinter dir", schrieb Sylwina auf den Post von Patitucci, dass sie wegen des Stalkers offline gehe. Auch Sarah Leutenegger wünschte ihr viel Kraft: "Bin für dich da, mein Schatz – es muss bald ein Ende haben."

Patitucci versucht indessen, die Wogen zu glätten: "Ich weiß, die Aktion hat eine Grenze überschritten – das tut mir auch leid." Sie habe nicht realisiert, wie viele Personen sich Sorgen gemacht hätten, sie verstehe es daher, wenn sie wütend oder enttäuscht sein sollten. Man solle jetzt diese Emotionen aber dazu benutzen, etwas Positives zu bewirken, sagt Patitucci. "Es geht jetzt nicht um mich, sondern um jene Menschen, die von Cyber-Stalking direkt betroffen sind." (dk)