Welt

Informatiker findet nach 1.000 Bewerbungen keinen Job

Ein 22-jähriger Wirtschaftsinformatik-Absolvent sucht nach über 1.000 Bewerbungen noch immer einen Job. Der Schweizer ist verzweifelt. 

Nikolaus Pichler
Teilen
Haschem Noon (22) sucht seit über einem Jahr eine Stelle als Wirtschaftsinformatiker oder Business Analyst.
Haschem Noon (22) sucht seit über einem Jahr eine Stelle als Wirtschaftsinformatiker oder Business Analyst.
Privat

Eine 36-jährige Finanzexpertin aus der Ukraine sagte Mitte März in einem Beitrag in der deutschen "Tagesschau", dass sie gerne bei einer Bank arbeiten würde. Nun wurde bekannt, dass die Frau ab Mitte Mai eine Stelle bei einer Privatbank antreten kann. Ganz anders ergeht es dem 22-jährigen Schweizer Haschem Noon. Er schilderte seine Situation gegenüber dem eidgenössischen Online-Portal "20 Minuten".

Der Wirtschaftsinformatiker mit Bachelor-Abschluss sucht in der Schweiz seit über einem Jahr verzweifelt eine Stelle in der Wirtschaftsinformatik oder als Business Analyst – trotz über 1.000 verschickten Bewerbungen bisher ohne Erfolg.

"Ich bin sehr froh, dass Geflüchtete aus der Ukraine gut behandelt werden und es auch Integrations-Erfolgsgeschichten gibt", sagt Noon, der in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist. "Ich sehe ja, dass es möglich wäre. Aber ich verstehe nicht, warum ich scheinbar der Einzige bin, bei dem es nicht funktioniert." Er habe sein Studium mit Auszeichnung bestanden, spreche vier Sprachen und habe bereits ein Praktikum absolviert. "Trotzdem erhalte ich nur Absagen."

Drei Vorstellungsgespräche scheiterten

Er bewerbe sich auch für Stellen, für die er mit seinem Abschluss eigentlich überqualifiziert wäre, etwa in einem Call Center. "Als Absagegrund höre ich immer nur, dass sie jemanden fanden, der noch besser zu der Stelle passte", sagt Noon. Im letzten Jahr habe er drei Vorstellungsgespräche gehabt, die seiner Ansicht nach stets positiv verliefen. "Doch auch hier scheiterte es immer, da sie sich für jemand anderes entschieden", so der 22-Jährige.

Der Schweizer mit Wurzeln im Irak lebt seit 2013 in London. "Meine Mutter hat damals eine Stelle in England erhalten, meine Geschwister und ich zogen mit ihr in die Hauptstadt", sagt Noon. Der 22-Jährige hat einen englischen Schulabschluss und schloss im Sommer 2021 sein Bachelorstudium erfolgreich ab. Zuvor hatte Noon 2016 ein Praktikum als Administrator im IT-Bereich absolviert. "Um während des Studiums noch zusätzlich Berufserfahrung zu sammeln und etwas Geld zu verdienen, habe ich auch noch als Verkäufer gearbeitet."

"Am liebsten möchte ich schon morgen in die Schweiz zurückkehren"

Doch der 22-Jährige vermisst seine Heimat sehr. "In England habe ich mich von Anfang an nicht wohl gefühlt. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und trage dementsprechend auch diese Kultur in mir", sagt Noon. Etwa störe ihn, dass der öffentliche Verkehr ständig zu spät komme. Zudem behage ihm der "graue Betondschungel" London als Outdoor-Liebhaber gar nicht. "Es ist nicht wie in der Schweiz, wo es weitläufige Wälder und grüne Wiesen gibt", sagt Noon. Für ihn ist klar: "Am liebsten möchte ich schon morgen in die Schweiz zurückkehren."

Es wäre nicht sein erster Versuch, in der Schweiz Fuß zu fassen: "Nach dem Abschluss des Studiums versuchte ich in der Schweiz, eine Stelle zu finden", sagt Noon. Er habe gedacht, dass die Jobsuche besser klappe, wenn er vor Ort sei. Doch die Stellensuche in seiner Wunschbranche schlug fehl: "Ich arbeitete einige Monate im Detailhandel, bevor ich wieder zurück nach London zu meiner Familie reiste."

Er hoffe nun, dass seine Jobsuche in der Schweiz trotz allen Rückschlägen bald Früchte trägt und eine Einladung zu einem Interview oder gar eine Jobzusage ins Haus flattert, sagt Noon. "Ich habe ja eigentlich Wirtschaftsinformatik studiert und möchte die gelernte Theorie gerne in die Praxis umsetzen."

Ukraine-Krieg Tag 82 – das "Heute"-News-Video