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"Islam First" – Eliteeinheiten gegen Iran-Umsturz

1979 von Ruhollah Chomeini gegründet, sollen die Revolutionsgarden das System im Iran aufrechterhalten. Bei einem Sturz hätten sie viel zu verlieren.

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Einheiten der iranischen Revolutionsgarden schlagen die seit zwei Monaten anhaltenden Proteste immer wieder gewaltsam nieder.
Einheiten der iranischen Revolutionsgarden schlagen die seit zwei Monaten anhaltenden Proteste immer wieder gewaltsam nieder.
via REUTERS

Mehr als zwei Monate halten die Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime bereits an. Wichtigster Gegenspieler der Protestierenden sind die Revolutionsgarden, die das religiöse System von Ali Chamenei bedingungslos unterstützen. Dabei sind sie selbst einst aus einer Revolution geboren. Die "Armee der Wächter der Islamischen Revolution", wie der komplette Name lautet, wurde im Mai 1979 von Ruhollah Chomeini gegründet, um nach dem Sturz des Schahs das System des geistlichen Führers zu stützen.

"Geschaffen, um den Systemwechsel zu verhindern"

Die Garden, die heute 190.000 Mitglieder zählen, wurden somit "geschaffen, um den Systemwechsel zu verhindern", wie die "Zeit" (Bezahltitel) schreibt. Von Anfang an agierten sie im Dienst der geistlichen Führung des Landes und nicht etwa im Dienst des Staats und der Bevölkerung. Der Iranexperte Ali Fathollah-Nejad bezeichnet die Ideologie der Truppen deshalb als "Islam First, nicht Iran First". So unterstützen sie auch schiitische Milizen im Ausland, wie etwa die Kuds-Brigaden.

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    Seit Mitte September demonstrieren die Menschen in Iran gegen das Regime und stellen sich gegen Sicherheitskräfte
    Seit Mitte September demonstrieren die Menschen in Iran gegen das Regime und stellen sich gegen Sicherheitskräfte
    Onur Dogman / Zuma / picturedesk.com

    Obwohl sie offiziell Teil der iranischen Armee sind, agieren die Revolutionsgarden faktisch unabhängig vom Militär und vom Staat. Mit den Pasdaran, die in den USA offiziell als Terrororganisation gelten, verfügen die Revolutionsgarden über eine Einheit, deren einzige Aufgabe es ist, das System "vor internen und externen Bedrohungen zu schützen", und als solche Bedrohung werden die Proteste der letzten zwei Monate wahrgenommen.

    Brutale Basidsch-Miliz zählt Millionen Mitglieder

    Neben den Pasdaran ist im Iran auch die Basidsch-Miliz im Einsatz, eine Freiwilligenmiliz, die als Hilfspolizei der Revolutionsgarden fungiert, oft in Zivil auftritt und besonders brutal gegen Demonstrierende vorgeht. Laut der deutsch-iranischen Journalistin Natalie Amiri zählt die Miliz 450.000 registrierte Mitglieder, dazu gibt es "Millionen" nicht registrierter Mitglieder.

    Laut der "Zeit" ist inzwischen auch die Saberin-Einheit der Revolutionsgarden im Einsatz, eine Eliteeinheit mit 6.000 Mitgliedern. Ihre Präsenz deutet laut "Wochenzeitung" darauf hin, "dass das Regime den Aufstand in großem Maße fürchtet".

    Käme es zu einem Sturz des Mullah-Regimes, hätten die Revolutionsgarden mit ihrer "Islam First"-Ideologie viel zu verlieren, denn: "Wenn die aktuelle Ordnung umgestoßen wird, wird es keinen Platz mehr für die Revolutionsgarden geben", wie der Iranexperte Afshon Ostovar für Foreignpoliciy.com (Bezahltitel) schreibt.

    Die Generäle drohen ihren eigenen Truppen

    Durch einen Regierungssturz würde auch der Reichtum der Revolutionsgarden gefährdet, deren Mitglieder über die Jahre immer mehr wichtige Posten in Politik und Wirtschaft besetzt haben. So ließen sich die Generäle "ins Parlament wählen und übernahmen staatliche Produktions- und Dienstleistungsbetriebe", wie der Analyst Kian Tabrizi für "Iran Aktuell" schreibt. Die Pasdaran seien inzwischen im Waffen- und Energiegeschäft tätig und sogar im Bauwesen, in der Finanzindustrie und im Tourismus. Durch die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran unter Donald Trump wurden die Revolutionsgarden tendenziell wirtschaftlich noch bedeutender.

    Um ihren Reichtum und ihre Macht zu schützen, bedrohen die Generäle der Revolutionsgarden gar ihre eigenen Truppen, wie die "New York Times" (Bezahltitel) berichtete. So seien diese gewarnt worden, dass sie hingerichtet würden, sollte das System kollabieren. Durch die anhaltenden Proteste geraten die Truppen jedoch zunehmend unter Druck: "Es könnte dazu kommen, dass die Revolutionsgarden irgendwann auch auf Verwandte und Freunde schießen müssen", sagt der Politikwissenschaftler Fathollah-Nejad.

    Vieles wird also davon abhängen, ob die niederen Ränge der Revolutionsgarden ihren Generälen gegenüber loyal bleiben, selbst wenn die Proteste weiter zunehmen.