Politik

Jeder dritte Jude hat überlegt, auszuwandern

Auch mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust sind europäische Juden in ihrem Alltag mit Antisemitismus konfrontiert.

Heute Redaktion
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Vandalismus, Beleidigungen, Drohungen und Gewaltverbrechen machten ein sorgenfreies jüdisches Leben in der EU unmöglich, so das Fazit des zweiten Antisemitismus-Berichts der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), der am Montag in Brüssel vorgestellt wurde.

Im Jahr 2012 war die erste Antisemitismus-Erhebung der Grundrechteagentur durchgeführt worden, allerdings noch ohne Daten aus Österreich. Seit damals habe der Judenhass für 89 Prozent der Befragten zugenommen – eines der markantesten Ergebnisse der Studie.

Normalisierung

Besonders traurig: Laut Studienautoren gebe es insgesamt "starke Anzeichen für eine Normalisierung des Antisemitismus". Das bedeute, dass manche Vorfälle gar nicht mehr als judenfeindlich wahrgenommen würden, weil sie so oft zu beobachten seien. "Die Studienergebnisse legen nahe, dass Antisemitismus die öffentliche Sphäre durchdringt, wodurch negative Stereotype gegenüber Juden reproduziert und verfestigt werden. Jüdisch zu sein allein erhöht die statistische Wahrscheinlichkeit, mit einer Reihe von negativen Erlebnissen konfrontiert zu sein", heißt es in dem Bericht.

Weitere Ergebnisse:

85% der Befragten (aus Österreich: 69%) sind der Ansicht, dass Antisemitismus das dringendste Problem in den befragten Mitgliedstaaten sei.

89% der Befragten (aus Österreich: rund 80%) sind der Ansicht, dass der Antisemitismus in den letzten fünf Jahren zugenommen habe.

72% der Befragten (aus Österreich: 69%) ist besorgt darüber, dass die Intoleranz gegenüber Moslems zugenommen habe.

Die meisten der Befragten gaben an, dass sie regelmäßig ablehnenden Äußerungen gegenüber Juden/Jüdinnen ausgesetzt seien.

47% der Befragten sorgten sich, Opfer von antisemitischer Beleidigung oder Bedrohung zu werden.

über 34% der Befragten (aus Österreich: 25%) vermeiden jüdische Veranstaltungen oder Orte v, weil sie sich nicht sicher fühlten.

Mehr als 1/3 der Befragten habe in Erwägung gezogen zu emigrieren.

70% der Befragten erachteten die Bemühungen ihrer Regierungen zur Bekämpfung des Antisemitismus nicht als effektiv , allerdings 54% der Befragten beurteilten die Sicherheitsvorkehrungen für die jüdische Bevölkerung positiv.

Mehr als 1/3 der Befragten gaben an, innerhalb der letzten fünf Jahre vor ihrer Befragung antisemitischer Bedrohung, meist verbaler Natur (aus Österreich: mehr als 61%), ausgesetzt gewesen zu sein.

79% dieser Bedrohten hätten die Vorfälle jedoch nicht der Polizei gemeldet.

3% der Befragten seien innerhalb der letzten fünf Jahre vor ihrer Befragung persönlich physisch attackiert worden, 2% innerhalb der letzten 12 Monate.

4% der Befragten seien innerhalb der letzten fünf Jahre vor ihrer Befragung Vandalismusopfer geworden, 2% innerhalb der letzten 12 Monate.

11% der Befragten gaben an, innerhalb der letzten 12 Monate wegen ihres Judentums diskriminiert worden zu sein,

77% dieser Diskriminierungsopfer hätten die Vorfälle jedoch nicht rechtlich weiterverfolgt.

Die Mehrheit der Befragten (aus Österreich: 78% bzw. 89% bzw. 79% - je nach Bereich der Diskriminierung) gaben an, über die Anti-Diskriminierungs-Gesetze Bescheid zu wissen, bzw dass ihnen Opferschutz-Organisationen bekannt seien.

Der Bericht beruht auf Befragungen von Menschen über 16 Jahren, die sich selbst als Juden/Jüdinnen betrachten, in 12 EU-Mitgliedstaaten im Mai und im Juni 2018, darunter Österreich.

(red)

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