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Jeder Sechste findet Sex mit schlafendem Gegenüber okay

15 Prozent der Männer befürworten laut einer Studie Sex, wenn die Partnerin oder der Partner schläft. Doch es kann sich um Schändung handeln.

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Vor allem für Männer ist Schlaf-Sex mit der Bettnachbarin oder dem -nachbarn okay.
Vor allem für Männer ist Schlaf-Sex mit der Bettnachbarin oder dem -nachbarn okay.
Getty Images/iStockphoto

Ob die Partnerin oder der Partner auch gerade Lust hat, spielt bei einigen im Bett keine Rolle. Jede zehnte Person empfindet es als Einwilligung zu Sex, schläft das Gegenüber aktuell zwar, hat aber sonst immer zugestimmt. Dies zeigt eine neue Studie des Forschungsinstituts GFS Bern. Vor allem für Männer ist Schlaf-Sex mit der Bettnachbarin oder dem -nachbarn okay. 15 Prozent der Männer und lediglich vier Prozent der Frauen interpretieren es als Einwilligung des Gegenübers zum Geschlechtsverkehr, wenn die Person schläft und sonst immer zustimmt.

Auf Tiktok berichten Frauen verschiedenster Länder, dass ihr Freund mit ihnen Sex habe, während sie schliefen. Im britischen Studentenforum "The Student Room" schildern etliche Studentinnen, wie sie erwacht seien, weil ihr Freund oder Date mit ihnen Sex gehabt habe.

Etwa Userin Anonymous #1 schreibt, sie habe leicht geschlafen, als sie gemerkt habe, dass "etwas Seltsames vor sich ging". Zuerst habe sie es ignoriert. "Aber als ich richtig wach war, war mein Freund komplett nackt auf mir. Ich hatte weder meine Unterhosen noch mein Pyjama an." Im Betreff der Beiträge fragen viele: "Hat mich mein Freund vergewaltigt?"

"Zustimmung aufs Neue einholen"

Die Resultate und das Verhalten beschäftigen Fachpersonen. Dieses Phänomen zeige in erster Linie, dass Sex ohne Zustimmung in einer Beziehung noch immer ein Problem sei, sagt Sexologin Caroline Fux. In erster Linie macht Fux alte Muster dafür verantwortlich, dass es zu solch einer Handlung kommt. "Doch nur weil der Partner oder die Partnerin dem Sex unzählige Male zustimmte, heißt es nicht, dass er es auch beim nächsten Mal tut."

Jede sexuelle Annäherung ist laut Fux eine neue Situation. "Dementsprechend muss auch die Zustimmung vom Partner aufs Neue eingeholt werden." Laut Fux darf aber der schlafenden Person keine Verantwortung zugeschoben werden. Denn nicht selten komme es vor, dass Betroffene in eine Schockstarre geraten. "Aus dieser Situation rauszukommen, ist unter Umständen sehr schwierig."

Pornokonsum sei Grund

Laut einer aktuellen James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) konsumieren 57 Prozent der zwölf- bis 19-jährigen männlichen Befragten Pornographie. Cyrielle Huguenot, Frauenrechtsverantwortliche bei Amnesty Schweiz, sagt, dass solche Ideen unter anderem aus der Pornographie stammten. Manche Jugendliche etwa hätten ein verklärtes Bild der Rolle der Frau beim Geschlechtsverkehr. "Zudem führen gesellschaftlich stark verankerte Geschlechterstereotype, also dass Männer alles tun und lassen dürfen und Frauen zu ihrer Verfügung stehen, zu solchen Vorfällen."

Hier könne aktuell ein gesellschaftliches Umdenken beobachtet werden, sagt Huguenot. "Gerade für junge Männer ist es selbstverständlich, die Partnerin oder den Partner vor einer sexuellen Handlung nach der Zustimmung zu fragen und gemeinsam darüber zu sprechen."

Denn ohne die Zustimmung des Partners könne es sich schon heute je nach Situation rechtlich gesehen um eine Schändung handeln, sagt die Frauenrechtsexpertin. "Schläft eine Person zum Beispiel sehr tief, ist sie widerstandsunfähig. Eine sexuelle Handlung an ihr, die diesen Zustand ausnutzt, ist strafbar." Dieses übergriffige Verhalten könne bei Betroffenen Unsicherheit oder ein Trauma auslösen, sagt Huguenot.

Aktives Prüfen gefordert

Huguenot: "Deshalb ist es wichtig, alles immer gemeinsam zu besprechen und die Entscheidung des Gegenübers zu respektieren." Das empfiehlt sie auch, sollte man in einer solchen ungewollten Situation erwachen. "Nur Ja heißt Ja."

Auch Markus Theunert, Gesamtleiter des Dachverbands Männer.ch, verurteilt das Verhalten. "Jemanden am Kopf wachzukraulen als Versuch, das Gegenüber zu verführen, ist etwas ganz anderes, als die Unterhosen runterzureißen und einzudringen." Toxische Männlichkeitsbilder, die früher unhinterfragt verbreitet worden seien, wirkten bis heute nach. "Es gibt aber auch jüngere Männer, die noch immer meinen, dass sie sich nehmen dürfen, was sie wollen." Klar sei, dass die Person, die Lust habe, aktiv prüfen müsse, ob das Gegenüber auch Lust auf Zärtlichkeit und Sex habe. "Man marschiert auch nicht ungefragt in eine fremde Wohnung."