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Jeder sechste Teenager verschickt Nacktbilder

Schüler gehen sehr freizügig mit intimen Bildern von sich selbst um. Das Problem ist nicht die fehlende Medienkompetenz, sagt ein Experte.

Heute Redaktion
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Der digitale Pausenplatz ist für das Sozialleben der Schüler längst relevanter geworden als der analoge Schulhof. Das sorgt an Schulen zunehmend für Probleme, egal ob in der Schweiz oder in Österreich. Laut Schätzungen der Basler Schulsozialarbeit pflegen die Teenager einen fahrlässigen Umgang mit Sexting. Rund 15 Prozent der Jugendlichen haben schon erotische Bilder von sich selbst verschickt, schätzt Lotti Lienhard, stellvertretende Leiterin der Basler Schulsozialarbeit, gegenüber der "Schweiz am Wochenende". Die Hemmschwelle, solche Bilder zu verschicken, sei bei Mädchen sogar noch tiefer.

Auch in Österreich liegt die Zahl in dieser Größenordnung. Die Studie "Sexting in der Lebenswelt von Jugendlichen" legt nahe, dass rund 16 Prozent der österreichischen Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren Nacktfotos verschickt hat. Wie problematisch das sein kann, scheint vielen Jugendlichen nicht bewusst zu sein.

Lichten sich Teenager allzu freizügig ab, überschreiten sie gar die Schwelle zur Herstellung von Kinderpornografie und machen sich strafbar. Das ist für die Jugendlichen selbst eine absurde Vorstellung. "Daran denkt kaum ein Teenager. In einer Beziehung sehen sie sich ja auch nackt und da ist es nichts Verbotenes", sagt Medienpädagoge Attila Gaspar.

Liebe macht blind

Der Leiter der Medien- und Theaterfalle Basel, wo regelmäßig Workshops für Jugendliche zu dieser Thematik stattfinden, glaubt denn auch nicht, dass Sexting ein Problem fehlender Medienkompetenz sei. Vielmehr habe der unbedarfte Umgang mit Nacktbildern mit fehlender Erfahrung und Unsicherheit in Beziehungsfragen zu tun. "So ein Bild funktioniert auch als Vertrauensbeweis", sagt er.

Nur: "Freundschaften und Beziehungen sind in dem Alter noch hochdynamisch, die können auch sehr schnell kippen." Und dann ist der Schaden angerichtet. Plötzlich wird ein Nacktbild, das einst als Liebesbeweis diente, zum Mittel der Bloßstellung, ein Instrument der Rache. "Im Moment der Entstehung beurteilt man die Situation anders, man schwebt noch auf Wolke sieben", so Gaspar.

Moderne Trophäenjäger

Obwohl dazu kaum verlässliche Zahlen existieren, geht man davon aus, dass die Nachfrage nach Bildern von Mädchen größer ist. Für Buben sind sie eine moderne Trophäe und für die Mädchen eine fragile Form der Anerkennung. "Wenn wir in Workshops danach fragen, sagen immer alle: Nein, das machen wir nie", erzählt Gaspar. "Trotzdem passiert es immer wieder. Und es kann ein heftiger Bumerang werden."

Es gibt bereits Präventionsangebote für Schulen, die die Brücke von Social Media zu Kompetenz in Beziehungsfragen schlagen. Etwa "Herzsprung", das seit diesem Jahr allen Kantonen offen steht. Das Programm thematisiert respektvollen Umgang in Paarbeziehungen und sensibilisiert auch für Risiken von Sexting.



Eine Beziehung findet immer auch im digitalen Raum statt, das kann Gefahren bergen. (Video: Vimeo/Herzsprung) (lha)