Politik

Türkis-blaue Regierung als "Eiter" der Demokratie

Heute Redaktion
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Schauspieler und Kabarettist Josef Hader auf einem Archivbild vom März 2017.
Schauspieler und Kabarettist Josef Hader auf einem Archivbild vom März 2017.
Bild: picturedesk.com

In einem Interview bezeichnete Josef Hader die Regierungsbeteiligung der FPÖ als "unerfreulich" und verglich sie mit einem Besuch beim Zahnarzt.

Das politische Hick-Hack hierzulande ist selbst für zahlreiche österreichische Bürger nur schwer zu durchschauen und doch wird sie in unserem Nachbarland Deutschland mit Argus-Augen verfolgt. Die "Süddeutsche Zeitung" ging der Frage nach, warum Bundeskanzler Kurz bei uns eigentlich so populär ist. Die Erklärung liefert niemand anderer als Josef Hader. "Kurz ist der nettere Rechtspopulist", führt der Kabarettist in einem am Dienstag veröffentlichten Interview über Sebastian Kurz, die FPÖ, Rechtspopulismus und den ORF aus.

Schon die Einstiegsfrage lässt aus österreichischer Sicht die Augenbrauen fragend hochschnellen: Eine Verlagskollegin wolle wegen der "politischen Lage in Wien" ihren österreichischen Pass abgeben und Deutsche werden. Ob er sich ebenfalls eindeutschen lassen wolle, wird daraufhin Hader gefragt, der zynisch verneint: "Es können ja nicht alle Österreicher jetzt auf einmal Deutsche werden. Das ist ja schon vor 80 Jahren schiefgegangen."

"Sozialdemokraten brauchen Urlaub von der Macht"

Den bundesweiten Absturz der SPÖ – mit Ausnahme von Kärnten – sieht Hader durchaus als neue Chance für die Opposition. Die Österreicher seien der Korruption und den Kompromissen der mit Unterbrechungen Jahrzehnte dauernden rot-schwarzen Koalition müde geworden. Deshalb seien auch viele ehemalige Rote zur FPÖ abgewandert. "Die Sozialdemokraten brauchen jetzt ein bisschen Urlaub von der Macht. Ich denke, das tut ihnen gut", so der Schauspieler. Außerdem gebe es noch andere Oppositionsparteien und auch eine "starke Zivilgesellschaft", welche der Regierung auf die Finger schaue.

Türkis-Blau als "Eiter" der Demokratie

Die Regierungsbeteiligung der FPÖ ist laut Hader "unerfreulich". "Aber da müssen wir durch", so der gebürtige Oberösterreicher. Trotzdem hätte diese Regierung die Mehrheit der Wähler hinter sich und müsse sich jetzt beweisen. Es sei positiv, dass gegensätzliche gesellschaftliche Strömungen jetzt wieder in Wettbewerb treten würden. "Die österreichische Demokratie ist sozusagen beim Zahnarzt. Das tut weh, Eiter tritt hervor, es riecht unangenehm. Aber auf Dauer fallen dadurch die Zähne nicht aus."

"Kurz ist der nettere Rechtspopulist"

Der ÖVP-Chef selbst hätte sich bei der Nationalratswahl nach Vorbild der CSU als Kanzler der Massen in Stellung gebracht. "Rechts von Kurz sind nur mehr rechtsextreme Positionen möglich", erklärt Hader, wobei er gleichzeitig "eine gewisse Liberalität" zu verströmen versuche. "Seine Argumentation in der Flüchtlingsfrage ist von hoher katholischer Raffinesse", so der Künstler weiter, wodurch er es Österreichern möglich mache "gegen Ausländer zu sein und dabei kein so schlechtes Gewissen zu haben, wie als FPÖ-Wähler." Das sei auch typisch für die bayrische CSU. "Kurz ist der nettere Rechtspopulist", rekapituliert Hader.

FPÖ im "eigenen braunen Sumpf"

Dass sich Kurz in den letzten Wochen so untypisch wortkarg bei den zahlreichen Skandalen seines Koalitionspartners FPÖ gibt, ist für Hader reines Kalkül. Offenbar sei es dem Bundeskanzler wichtiger ein harmonisches Bild seiner Regierung zu vermitteln. "Die Österreicher wollen keine Streitereien in der Regierung mehr, dem ordnet er alles unter", analysiert Hader. "Und dass die FPÖ gerade im eigenen braunen Sumpf herumwatet, sieht er vielleicht gar nicht ungern." Dadurch würde er enttäuschte Strache-Wähler zu sich treiben und so davon profitieren.

"Kollateralschaden unseres Wirtschaftssystems"

Der gesellschaftliche Rechtsruck sei ein Zeichen des Versagens unserer Wirtschaft, ist sich der zynische Kabarett-Star sicher: "Liberalität ist immer an Reichtum gekoppelt, das ist eine traurige Wahrheit." Die meisten Menschen würden derzeit aber nicht reicher, sondern ärmer, was sie wiederum den Versprechungen von Rechtspopulisten in die Arme treiben würde, wieder alles "so fein wie früher in der guten alten Zeit" zu machen. "Der Rechtspopulismus ist ein Kollateralschaden unseres Wirtschaftssystems, in dem es immer weniger zu verteilen gibt, weil die Reichen immer mehr abbekommen", führt Hader aus. "Vielleicht ist unser Wirtschaftssystem ein riesiges Pyramidenspiel, das alle paar Jahrzehnte naturgemäß zusammenkrachen muss."

Regierung "von guten Umfragewerten abhängig"

"Diese Regierung ist mit dem Versprechen angetreten, alles anders und besser zu machen. Sie ist in gewisser Weise auch ein Start-up-Unternehmen, sie braucht ständige Erfolge. Bis zum Bundeskanzler hinauf ist sie sehr von guten Umfragewerten abhängig, sobald die nachlassen würden, rumort es in beiden Parteien", so Hader weiter. Dies könne auch eine Erklärung der "originellen Wortmeldungen von FPÖ-Politikern" in den letzten Wochen sein.

"Drittklassige Trump-Parodien von frustrierten FPÖ-Politikern"

Ob es sich etwa bei Kickls-Sager vom "Konzentrieren" von Flüchtlingen in Massenlagern um einen "reflexartigen Rülpser einer Partei, die gedanklich noch nicht in der Regierung angekommen ist", oder um "gezielte Ablenkungsversuche" handelt, sei derzeit nicht absehbar, erklärt der erfolgreiche Regisseur weiter. Die Angriffe der FPÖ auf Journalisten und den ORF müsse man aber "sehr ernst nehmen". "Da sind wir alle als Bürger gefordert, sofort zu reagieren und laut zu sagen: Wir wollen in Österreich keine drittklassigen Trump-Parodien von frustrierten FPÖ-Politikern, die gerade jede Sau brauchen, die sie durchs Dorf jagen können, weil ihnen ihre Protestwähler davonlaufen."

Drohen türkis-blauer Regierung Massenproteste?

Die Ambitionen der ÖVP-Regierung, den ORF klein zu halten und Verfassungsänderungen herbeizuführen, sieht Hader als Spiel mit dem Feuer. Solche Bestrebungen würden die Unterscheidungsmerkmale zwischen Kurz' Partei und der FPÖ schwinden lassen. Verliert der Kanzler die Unterstützung derer, denen die Freiheitlichen zuvor zu radikal waren, könnte das zu Massenprotesten führen, prophezeit Hader. "Dann hätte er [Sebastian Kurz, Anm.] nicht nur Zehntausende auf der Straße so wie vor Kurzem, sondern vielleicht Hunderttausende."

Hader wirke optimistischer als früher, findet der Kollege der "Süddeutschen Zeitung" am Ende." Optimistisch kann man nicht sagen", entgegnet dieser. Er versuche aber Politik mit einem sachlichen Blick zu betrachten, kommentiert Hader: "Vielleicht auch, damit ich selber nicht zu viel Angst bekomme." (red)