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Kanalisation wird zum Corona-Frühwarnsystem

Heute Redaktion
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Von infizierten Menschen ausgeschiedene Coronaviren finden sich im Abwasser. Forschende wollen das nutzen: So könnte eine Welle von Infektionen vermutlich deutlich früher erkannt werden.

Seit die ersten Fälle der Lungenkrankheit Covid-19 im Kanton Tessin an der Grenze zu Italien aufgetreten sind, arbeiten Schweizer Forscher an einem Epidemie-Frühwarnsystem. Dazu haben sie mittlerweile über 300 Abwasserproben in zwölf Kläranlagen entnommen und analysiert. Denn darin finden sich nicht nur Rückstände illegaler Drogen oder Medikamente sondern auch Viren.

"Das Abwasser lügt nicht und spiegelt innerhalb weniger Stunden, was die Bevölkerung ausscheidet", erklärt Umweltingenieur-Forscher Christoph Ort vom Wasserforschungsinstitut Eawag im Interview mit dem SRF. Auch das Coronavirus Sars-CoV-2 scheint sich, ersten Hinweisen aus Holland zufolge, im Abwasser wiederzufinden.

Ort und seine Kollegen der ETH Zürich sowie der EPFL Lausanne sind zuversichtlich, dass sich das Coronavirus in den bereits 200 Litern an entnommenem Abwasser auch quantifizieren, also gewissermaßen zählen, lässt.

Um Wochen schneller als Einzeltests

Im Idealfall ließen sich daraus Rückschlüsse auf die Anzahl an erkrankten Menschen ziehen – mit erstaunlicher Genauigkeit. "Nach heutigem Wissensstand sollten wir in der Lage sein, wenige Erkrankte unter 100.000 Gesunden erfassen zu können", so der Wissenschaftler weiter. Er hofft, das Auftreten und die Ausbreitung eines Virus so räumlich und bis zu zwei Wochen früher als mit Einzeltests an infizierten Menschen, die Symptome zeigen und ins Spital gehen, erfassen zu können. Behörden könnten so viel früher reagieren.

Für ein richtiges Frühwarnsystem müsste ein Netz aus strategisch ausgewählten Kläranlagen aufgebaut werden. Ort: "Wenn wir dann den roten Knopf drücken, schicken diese Proben in die Labors, wo sie rasch untersucht werden können". Als Beispiel in Anlehnung an die Zahl 19 von Covid-19: Mit Proben von 19 großen Kläranlagen, geografisch gut über die Schweiz verteilt, könnte das Abwasser von rund 2.5 Millionen Eidgenossen analysiert werden.

Noch Wunschdenken sei es, das Virus sogar "live" im Abwasser messen zu können. Die technischen Möglichkeiten dafür gibt es bereits: "Für Medikamentenrückstände und viele andere organische Mikroverunreinigungen können wir das heute schon mit dem Prototypen MS2field, den wir im vergangenen Jahr gebaut haben", so der Umweltingenieur-Forscher abschließend.

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