Spieletests

"Kandria" öffnet dir vom Start weg alle Spielwelt-Türen

"Kandria" erscheint in simpler Pixel-Aufmachung, doch dahinter verbirgt sich ein Schweizer Indie-Titel spannender Genre-Mix mit einem Spezial-Konzept.

Rene Findenig
"Kandria" im Test – die simple Grafik täuscht, denn der Inhalt des Games ist überraschend komplex.
"Kandria" im Test – die simple Grafik täuscht, denn der Inhalt des Games ist überraschend komplex.
Shirakumo Games

Das Schweizer Mini-Indie-Entwicklerstudio Shirakumo Games ist Game-Nerds wohl bereits seit dem Jahr 2021 bekannt. Damals brachte das Studio den Titel "Eternia: Pet Whisperer" heraus. Dabei handelte es sich um ein recht kurzes, spielbares Visual Novel, in dem sich Spieler in ein Tierheim wagen, um dort einen Begleiter fürs Leben zu finden. Der Game-Erzähl-Mix fiel mit liebevoll-verrückten Tierchen auf – war aber eher so etwas wie eine Programmier-Projekt nebenher, denn Shirakumo Games arbeitete schon damals an seinem ersten "richtigen" Videospiel namens "Kandria", das nun für PC erschienen ist.

Auf den ersten Blick sieht auch "Kandria" recht simpel aus – wie ein Retro-Pixel-Platformer eben, wie es so viele am Spiele-Markt gibt. Doch der Eindruck täuscht, denn "Kandria" macht vieles anders als seine Mitbewerber. So werden Spielerinnen und Spieler in eine laut Entwicklern über 2,5 Millionen Quadratmeter große Game-Welt geworfen und dürfen dort alles vollkommen frei erkunden, ohne erst nach und nach verschiedene Spiel-Areale freischalten zu müssen. "Wo auch immer du hin willst, kannst du auch, gleich vom Anfang an", versprechen die Entwickler von Shirakumo Games.

Wilder Genre-Mix, der außerordentlich gut funktioniert

Und auch bei den Genres wird wild kombiniert: Mal steht Open-World-Erkundung am Plan, mal darf man sich an kniffligen Platforming- und nicht so kniffligen Kampfpassagen versuchen und dann kommt auch noch eine Prise Rollenspiel, Adventure und Puzzle dazu. Die Story kennt man zwar schon zur Genüge – die Welt wurde fast vollkommen zerstört und verschiedene Fraktionen kämpfen gegeneinander und außerdem gegen Tiere und Roboter, ums Überleben –, "Kandria" schafft es aber geschickt, mit seiner Protagonistin eine emotionale Atmosphäre zu erzeugen und die Spieler damit zu fesseln.

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    Das Schweizer Mini-Indie-Entwicklerstudio Shirakumo Games ist Game-Nerds wohl bereits seit dem Jahr 2021 bekannt. Damals brachte das Studio den Titel ...
    Das Schweizer Mini-Indie-Entwicklerstudio Shirakumo Games ist Game-Nerds wohl bereits seit dem Jahr 2021 bekannt. Damals brachte das Studio den Titel ...
    Shirakumo Games

    Als Zocker übernehmt ihr die Rolle einer Androidin, die von der Abenteurerin Catherine in einem Höhlensystem gefunden und reaktiviert wird. Catherine führt uns in den ersten Spielminuten nicht nur an die Oberfläche des verwüsteten Planeten und zeigt uns die Ansprechpartner ihrer Menschen-Gruppe sowie die Steuerungs-Befehle, sondern schildert uns auch unseren Auftrag, der Menschheit beim Überleben in der unwirtlichen Umgebung zu helfen. Das Problem dabei: Menschen sind nicht allzu gut auf uns zu sprechen, denn die geschehene Apokalypse könnte von den Robotern ausgelöst worden sein.

    Einfaches Spielprinzip, aber fesselnde Umsetzung

    Entsprechend feindselig stehen uns die meisten NPCs des Games gegenüber – und weil unser elektronisches Gedächtnis zu allem Überfluss auch noch gelöscht wurde, machen wir uns auf, einerseits die Amok laufenden Roboter aufzuhalten, andererseits der Menschheit das Überleben zu sichern und ganz nebenher noch, das Geheimnis um die fast vollständige Zerstörung der Spielwelt aufzuklären. Fortan darf man also Dutzende Ruinen, Höhlensysteme, zerstörte Städte und Wald- sowie Wiesengebiete erkunden und trifft dabei auf Feinde, Rätsel und weit über 200 individuelle Jump&Run-Passagen.

    Ausgerüstet ist unsere Androidin dafür nicht nur mit besonderen Fähigkeiten wie einer Dash-Bewegung und der Kraft, besonders tiefe Stürze überleben zu können, sondern auch mit einem Schwert, das sich zu Items wie einer Angelrute transformieren kann, wenn man vom Kämpfen gerade genug hat und einfach ein paar Minuten im entdeckten See fischen will. Die vielen Neben-Beschäftigungen in "Kandria" fesseln und nie fühlt man sich unter Druck gesetzt, von Aufgabe zu Aufgabe zu eilen, um in der Story möglichst schnell voranzukommen. Und nie weiß man, was im nächsten Abschnitt wartet.

    Ein kleines Manko sind die Rätsel und Kämpfe

    Wer wiederum vom Entdecken der gigantisch großen Spielwelt genug hat, kann sich seine Hauptmissions-Aufträge in den Siedlungen der Menschen abholen. Dort begegnen die Einwohner unserer Spielfigur zwar mit Misstrauen und teils auch Hass, sind sich aber nicht zu schade, uns mit dem Finden von Objekten oder dem Lösen von Rätseln zu betrauen. Erfüllt man die Missionsziele, wird Stück für Stück etwas mehr von der Handlung enthüllt. Einziges kleines Manko des Games: das Besiegen der Feinde und das Lösen von Rätseln wird zwar nicht so schnell langweilig, besonders herausfordernd ist aber beides nicht.

    Spannender sind da jedenfalls die Tätigkeiten, die abseits von Rätseln und Kämpfen warten: verschiedenste Ressourcen müssen für die Überlebenden eingesammelt, Maschinen und Schutzeinrichtungen wollen repariert und Patrouillen rund um die Dörfer der Menschen absolviert werden. Und ganz nebenher darf man mit den Sammelobjekten auch noch Rollenspiel-typisch einige Kampf- und Statuswerte verbessern. Technisch spielt "Kandria" ebenfalls große Stärken aus, das Game spielt sich flüssig und ohne Grafik- oder sonstige Bugs. Besonders hervorzustreichen: die orchestrale und fantastische Musik!

    Bleibt das Hoffen auf eine Version für die Nintendo Switch

    "Kandria" ist ein mutiger, aber gelungener, Mix aus 2D-Platformer und Jump&Run, das auch Hack&Slash-, Rollenspiel- und Puzzle-Elemente miteinander kombiniert, ohne sich dabei zu übernehmen. Kein stundenlanges Backtracking, kein verzweifeltes Suchen nach dem richtigen Weg, kein aufgezwungenes Missionsziel zum Freischalten des nächsten Areals – das Konzept von "Kandria", alle Teile der offenen Spielwelt schon von Beginn an zugänglich zu machen, gefällt sehr gut. Und die Grafik, so schlicht sie anfangs erscheinen mag, hat ebenfalls die eine oder andere positive Überraschung zu bieten.

    So wirken die Retro-Pixel-Umgebungen als starre Räume, dafür wurden die Details wie NPCs, Gebäude und Landschaften umso detaillierter herausgearbeitet. So detailliert, dass sich selbst Pixel-Gras bewegt, wenn man es beim Vorbeirennen streift. Gewöhnen muss man sich nur an die Steuerung, die Bewegungen verzögert auslöst, das legt sich aber flott. "Kandria" wurde übrigens durch eine Kickstarter-Kampagne ermöglicht, 437 Unterstützer sponserten knapp über 18.000 Euro. Für die Umsetzung einer Version für die Nintendo Switch hätte es 25.000 Euro gebraucht – was nicht ist, kann aber noch werden.