Politik

Kardinal will 1 Milliarde mehr Entwicklungshilfe

Heute Redaktion
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Bild: Helmut Graf

Nach der bislang größten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer appelliert nun Kardinal Schönborn an die Regierung: Stockt die Entwicklungshilfe auf! "Heute" liegt sein bewegender Brief vor.

Nach der bislang größten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer appelliert nun Kardinal Schönborn an die Regierung: Stockt die Entwicklungshilfe auf! "Heute" liegt sein bewegender Brief vor.

Die Regierung wird von Kardinal Christoph Schönborn in dem Brief gebeten, "die Mittel der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in einem Stufenplan bitte auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes" zu erhöhen. Fakt ist: Diese 0,7 Prozent hat Österreich eigentlich längst versprochen: Sie sind erklärtes Ziel aller Länder in Europa. Bisher haben jedoch nur fünf Länder das Ziel erreicht.

Österreich steht aktuell bei mageren 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In absoluten Zahlen sind das 1,3 Milliarden Euro, die derzeit für Entwicklungshilfe ausgegeben werden. Die Erhöhung auf 0,7 Prozent des BIP, wie sie nun vom Kardinal gefordert wird, macht rund 1 Milliarde Euro aus. Insgesamt stünden dann 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung.
Auf der nächsten Seite: Der Brief des Kardinals an die Regierung in voller Länge!

Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung

Unser Schmerz sitzt tief. Die Trauer ist groß. Mehr als 1.100 Menschen haben vergangene Woche im Mittelmeer ihr Leben gelassen. Ertrunken auf der Flucht. Es sind namenlose Gräber. Männer, Frauen und Kinder. Und es werden immer mehr.

Mehr als 25.000 Menschen sind in den vergangenen 25 Jahren auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken. Papst Franziskus warnte uns bei einem Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa vor der Globalisierung der Gleichgültigkeit. Der Tod zu Tausenden steckt wie ein Dorn in unser aller Herzen.

Eine Mauer, wie sie dereinst mitten durch Europa und auch entlang unseres Landes verlaufen ist, umschließt heute unseren Kontinent. Sie macht uns blind für die Not der Ertrinkenden. Sie macht uns taub für die Schreie der Menschen auf dem offenen Meer. Und heute macht sie uns sprachlos im Angesicht des Massengrabs im Mittelmeer. Doch wir dürfen und wollen nicht schweigen.

Wenn wir heute nicht aufpassen tragen wir morgen im Mittelmeer auch jene Ideale zu Grabe, auf die wir in Österreich, auf die wir in ganz Europa zu Recht stolz sein dürfen: Solidarität und Völkerrecht. Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe.

Österreich hat eine reiche humanitäre Tradition, auf die wir stolz sein können. Dieser Tradition sollten wir gerade in diesen Stunden gerecht werden.

Mein dringender Appell an die Bundesregierung lautet: Setzen Sie sich für mehr Rettungsringe und für mehr Rettungsboote ein. Für ein Europa der Mitmenschlichkeit. Für die Rettungsaktion Mare Nostrum 2.0. – eine Aktion, die nicht nur Grenzen, sondern vor allem auch Menschen schützt.

Ja, viele Entscheidungen werden heute in Brüssel getroffen – im Konzert mit VertreterInnen aus allen Mitgliedsstaaten. Doch auch Sie, geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, können rasch dazu beitragen, dem Sterben im Mittelmeer die Stirn zu bieten. Das Helfen in den Krisenregionen muss mehr Aufmerksamkeit bekommen, damit Menschen in ihrer Heimat in Sicherheit leben und bleiben können. Hier könnte auch ein kleines Land wie das unsere wahre menschliche Größe beweisen.

Erhöhen Sie die Mittel der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in einem Stufenplan bitte auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und halten Sie sich künftig an jenes Versprechen, das Sie international längst eingegangen sind. Bei der Rettung von Menschenleben darf nicht gespart werden!

Jeder Mensch, den wir gemeinsam vom Hunger befreien, ist ein Mensch, der sich nicht gezwungen sieht, sein Leben in einer Nussschale zu riskieren. Es liegt nicht nur an uns, es liegt auch an Ihnen – an uns allen! Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihren Einsatz. Lassen wir die Menschen im Mittelmeer jetzt nicht im Stich!

Vergelt’s Gott!

Ihr Christoph Kardinal Schönborn