Österreich

"Kennt Kurz Mütter wie mich, die für 1.200 € arbeiten?"

Vollzeitjob, Homeschooling und am Ende des Monats 1.200 Euro netto. In "Heute"  spricht eine vierfache Mutter über die Herausforderungen des Alltags.

Heute Redaktion
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Homeschooling sorgt für Ärger unter den Eltern.
Homeschooling sorgt für Ärger unter den Eltern.
privat, picturedesk.com

Christine P. (Name geändert) kommt nach einem anstrengenden Tag nachhause. Sie arbeitet im Verkauf. Der Job fordert sie voll. Das Haus der 46-Jährigen in einem kleinen Ort in der Steiermark ist dennoch liebevoll dekoriert; am Esstisch steht bereits ein kleiner Christbaum. Daneben türmen sich die Schulbücher ihres 12-Jährigen, der nun bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr ins Distance Learning wechseln musste und seine Freunde nicht sehen kann. Seit Tagen sprechen Politiker, Virologen und Experten über Eltern und Kinder im Home Schooling. "Heute" sprach mit der vierfachen Mutter Christine P. – über ihre Situation.

"Es sind riesige Herausforderungen"

"Meine Familie und mich stellen die derzeitigen Regelungen vor riesige Herausforderungen", erzählt die Frau, nachdem sie ihrem Jüngsten das Abendessen zubereitet hat. "Ich bin vierfache Mutter und versuche, Job, Familie und Haushalt bestmöglich unter einen Hut zu bekommen." Was sie damit meint? "Man versucht einerseits die Kinder so oft es geht von der Schule zu Hause zu lassen, weil die Regierung ja auf einmal sagt, dass es in den Schulen nicht mehr sicher ist. Andererseits bin ich auch froh, dass ich in diesen schwierigen Zeiten einen Arbeitsplatz habe und will deshalb auch nicht um eine Sonderbehandlung bitten – überdies wäre es auch nicht möglich die ganze Woche zu Hause zu bleiben."

"Ich frage mich: Kennt Sebastian Kurz überhaupt Menschen wie mich? Menschen, die für 38 Stunden schwere Arbeit 1.200 Euro netto verdienen und mit diesem Geld versuchen, eine ganze Familie zu ernähren?"
Christine P. beim Distance Learning mit ihrem 12-jährigen Sohn
Christine P. beim Distance Learning mit ihrem 12-jährigen Sohn
privat

Also arbeitet sie weiter Vollzeit. "Wenn ich am Abend nach Hause komme, muss ich mit meinem Jüngsten – er ist 12 Jahre alt und geht in die zweite Klasse Gymnasium – versuchen, den Lernstoff, den er wegen des Homeschoolings beziehungsweise aufgrund der verminderten Lehrbetreuung verpasst hat, auch noch aufzuholen. Das ist für uns alle sehr herausfordernd, schließlich bin ich keine Pädagogin und mein Sohnemann weiß das auch." Dann muss Christine P. lachen, ehe sie weitererzählt: "Obwohl er ein sehr braves, selbständiges und engagiertes Kind ist, kam es auch schon vor, dass er mir vor Zorn und Überforderung sein Federpenal rübergeschmissen hat." Sie ist sicher: "Sowohl Kinder als auch Eltern sind mit dem Homeschooling großteils überfordert."

Sonntagsöffnung? "Rücksichtslos!"

Warum genau – Christine P. plaudert gegenüber "Heute" aus der Schule: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder ihre Freunde vermissen und sich daheim nur schlecht konzentrieren können – vom fehlenden Lernfortschritt möchte ich erst gar nicht reden. Dass man nun neben all diesen Herausforderungen auch noch von uns verlangt, dass wir Handelsangestellten über die Weihnachtszeit am Sonntag arbeiten sollen, ist an Rücksichtslosigkeit kaum zu überbieten." Was sie am Vorstoß von Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer derart stört? "Für mich und meine Familie ist der Sonntag ein heiliger Tag, der einzige Tag an dem wir alle gemeinsam Frühstücken und Mittagessen können, der einzige Tag, den wir nutzen können, um zusammen etwas zu unternehmen."

"Meine Kolleginnen und ich fühlen uns von dieser Regierung alleingelassen und nicht respektiert."

Bitter fügt sie an: "Ich bin sehr enttäuscht von dieser Forderung und frage mich, ob diese Regierung und Bundeskanzler Sebastian Kurz überhaupt Menschen wie mich kennt? Menschen, die für 38 Stunden schwere Arbeit 1.200 Euro netto verdienen und mit diesem Geld versuchen, eine ganze Familie zu ernähren." Dass man hartarbeitende Frauen wie sie nun auch mit dem Homeschooling alleine lässt, macht sie traurig: "Für mich ist das keine Regierung, die für solche Menschen da ist, sondern eine Regierung, die sich ausschließlich um die Interessen der Großkonzerne kümmert. Sowohl meine Kolleginnen als auch ich fühlen uns alleingelassen und nicht respektiert."

"Ein weiterer Schlag"

Die von Harald Mahrer verlangte Öffnung des Handels am Sonntag sei für sie "ein weiterer Schlag ins Gesicht". Christine P. erklärt auch, warum: "Viele Menschen in Österreich gehen davon aus, dass wir wegen dem Lockdown zu Hause sind und uns nur um unsere Kinder kümmern müssen. Das stimmt aber nicht, ein Großteil der Handelsangestellten arbeitet hinter den Kulissen gerade auf Hochdruck. Wir bereiten das Weihnachtsgeschäft vor und tun damit unser Bestes, um den Kunden nach dem Lockdown wieder ein tolles Angebot zu bieten."

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat – wie berichtet – versprochen, dass nach dem Lockdown Handel und Schulen als erstes wieder öffnen sollen. Christine P. und Zigtausende Mütter dieses Landes werden ihn an seinen Taten messen …

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