Ihre Geschichte erinnert an die US-Agenten-Serie "The Americans". Als "ganz normale" Familie getarnt lebten die Einwanderer aus Argentinien, Ludwig Gisch und Maria Rosa Mayer Muñoz, mit ihren Kindern in einem Einfamilienhaus in einem Vorort der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Als selbstständiger Software-Unternehmer war Gisch häufig unterwegs. Als Betreiberin einer Online-Kunstgalerie konnte man auch von Mayer Muñoz nicht erwarten, dass sie täglich zur selben Zeit das Haus verließ.
Es war die perfekte Tarnung für das russische Agenten-Ehepaar Anna und Artem Dultsev (Dulzew). So perfekt, das ihre eigenen, in Argentinien geborenen Kinder (8 und 11 Jahre alt), die nur spanisch und englisch sprechen und in Ljubljana eine internationale Schule besuchten, keine Ahnung hatten, dass ihre Eltern Russen sind. Das erfuhren sie erst im Flugzeug, das sie im Zuge des Gefangenenaustausches aus Ankara nach Moskau brachte.
Als die Familie am 1. August am Moskauer Flughafen von Präsident Wladimir Putin persönlich empfangen wurde, grüßte Putin die Kinder mit "Buenas Noches" (spanisch: "Guten Abend"). Der Bub lächelt. Die Szene wurde auf Video festgehalten. Die Mutter bricht vor Freude über die Rückkehr in ihre Heimat nach eineinhalbjähriger Haft in Slowenien in Tränen aus, Putin tröstet sie mit einer Umarmung und einem Bussi auf die Wange, überreicht ihr Blumen.
Zuhause fragten die Kinder dann ihre Eltern, wer der Mann mit den Blumen eigentlich war – erzählte jedenfalls Kreml-Sprecher Dmitri Peskow schmunzelnd im russischen Fernsehen und lobte ihre hervorragende Tarnung.
Es sind herzerwärmende Szenen, die ganz Russland in den letzten Tagen zu sehen bekam, die leicht über die dunklen Hintergründe hinwegtäuschen können. Denn das Ehepaar genoss in Russland eine Ausbildung als Geheimagenten und arbeiteten entweder für den SVR, den russischen Auslandsgeheimdienst, oder GRU, den Militärnachrichtendienst, wie das russische Online-Magazin theins.ru berichtete.
Recht viel ist (noch) nicht bekannt über das Agentenpaar, doch sie dürften bis 2017 in Argentinien gelebt haben, wo auch ihre beiden Kinder zur Welt kamen. Künstler erzählten, "Maria" sprach akzentfreies spanisch. Auch in Slowenien ging ihre Tarnung lange gut, auch wenn die Nachbarn über sie erzählten, dass sie nie grüßten. Aber sie fielen auch nicht negativ auf, also dachte man nicht all zu viel darüber nach.
Im Dezember 2022 flogen sie dann trotzdem auf. Die Kunstgalerie gab sich mit billigem Ramsch zufrieden, die offizielle Buchhaltung wies kaum ein paar Tausend Euro Umsatz im Jahr auf. Bei der Firma ihres Mannes sah es in den Büchern ähnlich mager aus. Mit den Gewinnen der beiden Firma hätte sich nicht einmal die jährliche Schulgebühr von 10.000 Euro an der British International School bezahlen lassen.
Auch eine Künstlerin schöpfte Verdacht. Diverse Hinweise führten wohl zu Ermittlungen – ein Abgleich ihrer Fingerabdrücke mit jenen in der Interpol-Datenbank brachte schließlich ihre wahre Identität ans Licht. Sie wurden wegen Spionage zu 19 Monaten Haft verurteilt, ihre Kinder in ein Heim gebracht.
In einem Kühlschrank im Haus fanden die Ermittler hunderttausende Euro. Es wird spekuliert, dass sie Geld an andere Agenten oder Auftragsempfänger in Europa, darunter auch in Deutschland, weiterverteilt haben. Über Verschlüsselungsgeräte, die im Haus gefunden wurden, sollen sie mit Moskau in Kontakt gestanden sein. Die Ermittlungen in Slowenien dauern noch an.
Durch den Deal westlicher Länder mit Russland über den Austausch von 24 Gefangenen und zwei Kindern wurden die Eltern wieder mit ihren ahnungslosen Kindern vereint. Für sie beginnt nun ein ganz neues Leben in ihrer "wahren Heimat" Russland, von der sie bisher nichts wussten.