Politik

Kollaps droht: So schlimm steht es um's Justizsystem

Akuter Geldmangel und keine Aussicht auf Verbesserung: In Sachen Justizsystem schlagen derzeit alle Alarm.

Heute Redaktion
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Die Justiz "stirbt einen stillen Tod", formulierte es der derzeitige Übergangs-Justizminister Clemens Jabloner. Er ist nur einer von vielen, die derzeit Alarm schlagen. Auch die politischen Parteien, die Staatsanwälte, die Richtervereinigung und die Rechtsanwaltskammer sprechen von einer eklatanten Notlage.

Österreichs Justiz – und damit eine der drei Säulen unserer Demokratie – leidet unter akutem Geldmangel. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Personal und Geld.

So schlimm ist es

Das Wiener Landesgericht für Strafsachen kämpft – obwohl es eines der größten Gerichte des Landes ist – mit Platz- und Personalmangel. Die Aktenberge wachsen, das Personal schrumpft. Bald werde es keine Regalflächen mehr geben, wo man die neuen Akten hinschlichten kann. Und auch für das Hinschlichten an sich werde keiner mehr Zeit haben, denn im nichtrichterlichen Bereich seien so viele Stellen gestrichen worden, dass für die restlichen Mitarbeiter beinahe unzumutbare Arbeitsbedingungen herrschen, heißt es.

Noch schlimmer geht es an manchen Bezirksgerichten zu. Dort arbeitet man zum Teil schon im Notfallmodus, so wie in Bruck an der Leitha. Wegen Personaleinsparungen hebt etwa an manchen Gerichten an Nachmittagen keiner mehr das Telefon ab. Auch werden - im aktuellen Notfall - Prioritäten gesetzt. Verlassenschaften, Verkehrsunfälle, Besitzstörungs- oder Exekutionssachen werden als Letztes bearbeitet.

Das sagen die Betroffenen

Das soll kein Protest sein, sondern ist die einzige Möglichkeit, den Betrieb trotz Personalmangels aufrecht zu erhalten. Die Sparmaßnahmen seien in Bereiche vorgedrungen, "wo wir diese nicht mehr verkraften", sagt zum Beispiel die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka im Ö1-Morgenjournal.

Auch bei den Schriftführern droht ein Mangel, nach sechs Abgängen im heurigen Jahr wird es nur noch elf professionelle Kräfte am Wiener Straflandesgericht geben. Sie müssen nicht nur den Verhandlungen selbst beiwohnen, sondern auch danach das endgültige Protokoll abfassen. Die teils monatelangen Wartezeiten auf Protokolle wiederum verzögere die Verfahren, was vor allem die Rechtsanwaltskammer beklagt.

"Nicht das Strafurteil ist im Moment die Strafe, sondern das Verfahren", sagt deren Präsident Michael Enzinger und weist auf unzumutbar lange Verfahrensdauern hin, die von der Ausnahme zur Regel geworden seien. Er sieht eine Notlage an vielen Stellen, für die vor allem die Politik verantwortlich ist. Appelle an diese würden seit Jahren verhallen und kein Gehör finden. Mittlerweile habe man den Moment erreicht, wo man nicht mehr wegsehen könnte. Gerichte, die im Notfallmodus arbeiten, "da ist eine rote Linie überschritten", meint Enzinger.

Die Staatsanwältevereinigung fordert von den politischen Parteien konkrete Aussagen, wann das Justizbudget aufgestockt wird. Staatsanwälte würden sich derzeit aufgrund des "hohen Arbeitsanfalls nur auf das Notwendigste konzentrieren". Auch in diesem Bereich brauche es dringend mehr Personal. Und: Wer gerade einmal das Notwendigste schafft, hat schon gar keine Kapazitäten, um Reformen wie die Digitalisierung der Gerichte umzusetzen.

Das sagen die Parteien

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim appelliert an die nächste Regierung: "Der Personalmindeststand gehört erfüllt." Frühere Regierungen - auch Große Koalitionen - hätten die jahrelangen Appelle der Standesvertretungen ignoriert. Dass sich die Situation zu einer Katastrophe entwickelt, sei absehbar gewesen. Der Justizausschuss habe sich einstimmig dazu bekannt, sicherzustellen, dass die Justiz nicht vor die Hunde gehen dürfe.

Ein besseres Budget fordern auch die Neos. Deren Justizsprecherin Irmgard Griss richtet ebenfalls einen "dringenden Appell" an die nächste Regierung, denn die Notlage der Justiz werde auch für die Bevölkerung bald "spürbar" werden.

Für die Liste Jetzt steht fest, dass die ÖVP schuld ist. Die stelle immerhin seit über zehn Jahren die Justizminister in diesem Land und auch die Finanzminister. Gemeinsam hätten diese den Rechtsstaat "kaputtgespart", ist Jetzt-Justizsprecher Alfred Noll überzeugt.

Die FPÖ fordert einen Kassasturz, man müsse die Fachkräfte in der Justiz mehr beachten. Justizsprecher Harald Stefan ist dafür, dass es eine Bestandsaufnahme beim Justizpersonal gibt. Und das noch unter der derzeitigen Übergangsregierung.

Bei der ÖVP spricht man hingegen weniger dramatisch. Da heißt es, ein "ausreichendes Justizbudget" sei natürlich "essenziell". Gleichzeitig sei es aber auch nötig, "Reformen und Innovationen voranzubringen". Ex-ÖVP-Justizminister Josef Moser hätte da schon Digitalisierungsmaßnahmen eingeleitet, auf die man "weiter den Fokus legen" müsse. (csc)