Die Whistleblower-Plattform der Stadt Wien sollte ein Gamechanger sein. Am 22. Februar 2021 ins Leben gerufen, wollte die Stadt damit Korruption, Bestechung und Steuerverschwendung den Kampf ansagen. Wiener können hier anonym oder namentlich Fehlverhalten von städtischen Mitarbeitern melden. Doch die Zahlen werfen Fragen auf: Von insgesamt 518 Meldungen führte keine einzige zu einer Strafanzeige.
Die Plattform sollte Großes leisten, doch ein Blick auf die Zahlen – welche orf.at vorliegen – zeigt: Fast die Hälfte der eingegangenen Meldungen sind persönliche Anliegen, die wenig mit Korruption zu tun haben. Beispiele dafür sind Beschwerden über Parksheriffs, Unzufriedenheit mit Wohnungsvergaben oder Ärger über Bauprojekte. Von systematischer Bestechung oder schwerwiegendem Fehlverhalten ist oft keine Rede.
Das Antikorruptionsteam der Stadt konnte in 30 Fällen tatsächliche Verstöße feststellen. Die Konsequenzen? Disziplinarmaßnahmen wie Nachschulungen, Verwarnungen oder Versetzungen der betroffenen Mitarbeiter. Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wurde jedoch in keinem einzigen Fall erstattet.
Ein weiterer auffälliger Trend: Die Zahl der eingegangenen Meldungen sinkt kontinuierlich. 2021 verzeichnete die Plattform noch 187 Beschwerden, 2022 waren es 136, 2023 nur noch 108 und im laufenden Jahr 2024 bis Anfang Dezember lediglich 87. Die Stadt Wien erklärt diese Entwicklung positiv: Durch die zunehmende Digitalisierung, vor allem das System des "elektronischen Akts" (ELAK), sei es schwieriger geworden, Daten zu manipulieren oder Fehlverhalten zu vertuschen.
Zusätzlich hat die Stadt sogenannte Compliance-Beauftragte in allen Dienststellen eingeführt. Ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung von gesetzlichen, regulatorischen und internen Richtlinien sicherzustellen. Das Ziel: Fehlerquellen bereits im Vorfeld beseitigen.