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Krebs, Rücken – Wladimir Putin soll schwer krank sein

Putins Gesundheitszustand ist ein Staatsgeheimnis. Massen-Besuche von Top-Medizinern sorgen nun für Spekulationen. Ist der Kreml-Chef schwerkrank?

Roman Palman
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    Nach dem Rückzug der russischen Besatzer stoßen ukrainische Truppen weiter in den Norden des Landes vor. Dort werden sie von der Bevölkerung jubelnd empfangen. (3. April 2022)
    Nach dem Rückzug der russischen Besatzer stoßen ukrainische Truppen weiter in den Norden des Landes vor. Dort werden sie von der Bevölkerung jubelnd empfangen. (3. April 2022)
    REUTERS/Serhii Nuzhnenko

    In jüngster Zeit mehren sich die Gerüchte und Spekulationen darüber, dass Wladimir Putin – er wird heuer 70 Jahre alt – womöglich todkrank sein solle. Der russische Präsident solle "ständig" von einem Krebsspezialisten begleitet werden, der auf Schilddrüsenkrebs spezialisiert sei, heißt es etwa in einem Bericht der britischen "Daily Mail". 

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    Recherche-Team deckt Krankenakte auf

    Doch der Gesundheitszustand des Kreml-Chefs ist ein Staatsgeheimnis. Putin mokiert gerne den starken Mann, körperliche Gebrechen deutet er als Zeichen der Schwäche – alles wird vertuscht. Belarus' Präsident Alexander Lukaschenko (67) ließ kürzlich sogar verlauten: "Putin ist absolut fit, er ist in besserer Verfassung als je zuvor... Er ist ein völlig gesunder Mensch, körperlich gesund." 

    Ein Team von unabhängigen russischen Journalisten – Mikhail Rubin, Dmitry Sukharev, Mikhail Maglov, Roman Badanin und Svetlana Reuter – hat im Rahmen des Rechercheprojekts "Projekt" die Krankenakte des Kreml-Chefs rekonstruiert. Und diese zeigt etwas ganz anders. Dafür wurden sie im Sommer 2021 von russischen Behörden als "ausländische Agenten" gebrandmarkt, mussten ins Exil.

    Wladimir Putin hoch zur Ross in Sibirien. Archivbild, 15. August 2007.
    Wladimir Putin hoch zur Ross in Sibirien. Archivbild, 15. August 2007.
    REUTERS/RIA Novosti/KREMLIN

    Heftiger Sturz vom Pferd

    Demnach habe sich der Kreml-Chef seit der umstrittenen Verfassungsänderung, die ihm de facto zum unbefristeten Herrscher Russlands machte, sehr verändert. Spätestens seit dem Ende seiner zweiten Amtszeit als Präsident sei seine persönliche Gesundheit zur nationalen Priorität geworden, zitiert die deutsche "Bild" aus dem Dokument.

    Dabei leidet Putin womöglich immer noch an den Folgen seines schweren Sturzes von einem Pferd. Vieles spricht dafür, dass die Verletzungen am Rücken kritischer waren, als die russische Propagandamaschine allen vorspielte. Das sei auch am 4. November 2012 bei einer Gedenkfeier deutlich sichtbar geworden.

    Putin nahm an der Zeremonie teil, wurde aber aus den TV-Aufnahmen geschnitten. Er hinkte nämlich immer noch so stark, dass im Kreml beschlossen wurde, dieses Leiden besser zu vertuschen. Davor war Putin aber schon durch den APEC-Gipfel in Wladiwostok gehumpelt. Zum Jahresende zog sich der Präsident immer mehr zurück, unter der Hand habe es damals geheißen, dass es "dem Chef nicht gut gehe". Die Rückenverletzung würde eine OP nötig machen.

    Putin beim APEC-Gipfel 2012.
    Putin beim APEC-Gipfel 2012.
    REUTERS

    Immer öfter Top-Ärzte bei Putin

    Danach gibt es eine lange Lücke in der rekonstruierten Krankenakte. Zwischen 25. November 2016 – nach einem Treffen mit Schauspieler Steven Seagal – und dem 1. Dezember verschwand Putin wieder. Im russischen TV wurden derweil voraufgezeichnete Szenen ausgestrahlt.

    Während seiner Abwesenheit trudelte aber plötzlich ein Team aus zwölf verschiedenen Top-Medizinern in einem Hotel nahe Putins Residenz ein. Darunter ein Notfallmediziner und mehrere renommierte Neurochirurgen unter der Leitung von Oleg Myschkin. Was genau sie in Moskau taten, ist nicht bekannt. Myschkin wurde aber ein Jahr später der Titel "Verdienter Arzt Russlands" verliehen.

    Ein halbes Jahr später, am 10. Mai 2017, verletzte sich der Kreml-Chef erneut. Dieses Mal als er bei einem Eishockeyspiel im Eispalast von Sotschi von Eislegende Pavel Bure unabsichtlich gerammt wurde. Laut "Projekt" habe sich Putin beinahe überschlagen und sei gestürzt. Noch am selben Tag reiste Putin nach Moskau – und ein bekannter Traumatologe stieg wieder im selben Hotel ab.

    Putin beim Handshake mit Eis-Legende Pavel Bure 2021. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten.
    Putin beim Handshake mit Eis-Legende Pavel Bure 2021. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten.
    Sputnik/Alexei Druzhinin/Kremlin via REUTERS

    Es blieb nicht Putins letzte Verletzung. Am 30. November und 1. Dezember 2019 wurden 13 Ärzte in seine Luxus-Residenz nach Sotschi gerufen. Darunter auch wieder Myschkins Neuro-Spezialisten. Zusätzlich rückten eine Spezialistin für Rückenmarksverletzungen und eine OP-Schwester an.

    Hat Putin Krebs?

    Wie die "Bild" weiter berichtet, soll Putin zu dieser Zeit in permanenter Begleitung von mindestens neun Medizinern gewesen sein. Für eine alte Rückenverletzung eine wohl überdimensionierte Entourage, weshalb "Projekt" tiefer grub. Demnach seien unter den begleitenden Ärzten stehts auch Onkologen gewesen. Hat Putin etwa Krebs?

    Die Hinweise verdichteten sich am 13. Februar 2019, als sich Putin mit Alexander Lukaschenko zum Skifahren in Sotschi traf. Mit im Hotel dabei: zwei Intensivmediziner, ein Neurologe, ein Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, zwei HNO-Ärzte und ein Onkologe.

    Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko beim gemeinsamen Ski-Urlaub 2019 in Sotschi.
    Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko beim gemeinsamen Ski-Urlaub 2019 in Sotschi.
    Sergei Chirikov/Pool via REUTERS

    Eben letzterer, Evgeny Selivanov, soll zu einem der häufigsten Begleiter des Kreml-Chefs geworden sein. Nur die HNO-Ärzte Igor Esakov und Alexey Schcheglov seien öfter dabei gewesen. "Projekt" hebt hervor, dass besonders Schilddrüsenerkrankungen, darunter auch Krebs, in Russland in der Regel von HNO-Ärzten diagnostiziert würden. Onkologen und Chirurgen würden dann für die Behandlung hinzugezogen.

    Schilddrüsenerkrankung vermutet

    Besonders auffällig ist aber, dass Putin in der Zwischenzeit auch persönliches Interesse am Thema Schilddrüsenkrebs anklingen ließ. Ob das Zufall ist, oder der Despot tatsächlich an einer ernsten Krebserkrankung leidet, lässt sich freiwillig so nicht bestätigen.

    Der Recherchekreis geht aber davon aus, dass sich Putin bei seiner jüngsten Abkapselung unter dem Vorwand der Corona-Pandemie im Herbst 2021 einem komplizierten Verfahren rund um eine Schilddrüsenerkrankung unterzogen hatte.

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      Ein Schreiben des ukrainischen Präsidenten soll bei Wladimir Putin einen Wutanfall ausgelöst haben. Er tobt in Richtung Ukraine: "Ich werde sie verprügeln."
      Ein Schreiben des ukrainischen Präsidenten soll bei Wladimir Putin einen Wutanfall ausgelöst haben. Er tobt in Richtung Ukraine: "Ich werde sie verprügeln."
      Reuters