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Krimi um totgeglaubten Milliardär – Spur nach Moskau

Ist der deutsche Milliardär Karl-Erivan Haub im April 2018 in Zermatt tatsächlich verschwunden? Aufgrund neuer Recherchen kommen Zweifel auf.

Der deutsche Milliardär Karl-Erivan Haub brach im April 2018 allein zu einer Skitour in den Schweizer Alpen auf und kehrte nie zurück.
Der deutsche Milliardär Karl-Erivan Haub brach im April 2018 allein zu einer Skitour in den Schweizer Alpen auf und kehrte nie zurück.
Reuters

Das Verschwinden des früheren Chefs der deutschen Tengelmann-Handelsgruppe wird immer rätselhafter. Karl-Erivan Haub war im April 2018 in Zermatt allein zu einer Skitour aufgebrochen und nicht zurückgekehrt. Die Familie ging zunächst davon aus, dass der damals 58-Jährige am Klein Matterhorn tödlich verunglückte. Doch einem neuen Bericht des "Stern" zufolge gibt es nun Hinweise darauf, dass Haub noch am Leben sein könnte, nachdem er möglicherweise in Russland gesichtet wurde.

Ein Informant mit Verbindungen zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB soll Fotos haben, die angeblich den deutschen Milliardär in Moskau zeigen. Die Bilder stammen von einer Überwachungskamera und sollen im Februar 2021 aufgenommen worden sein. Eine Untersuchung mit einer biometrischen Software habe eine Übereinstimmung von über 90 Prozent mit Referenzbildern von Haub ergeben, schreibt der "Stern". Das wirft nun viele Fragen auf:

Mit wem stand Haub zuletzt in Kontakt?

Haub soll in St. Petersburg eine gewisse Veronika E. kennengelernt haben. Die mysteriöse Russin arbeitete angeblich für eine Eventagentur, in der Tat hat sie laut "Stern" Verbindungen zum FSB.

Haub und Veronika E. sollen in regelmäßigem Kontakt gestanden und sich hin und wieder zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufgehalten haben. So waren beide etwa im Juli 2008 innerhalb weniger Tage in Moskau und Sotschi, im Mai 2009 fuhren sie im selben Nachtzug von Moskau nach St. Petersburg – die Reisen sollen von derselben Person gebucht worden sein, wie der "Stern" weiter berichtet.

Hatte Haub Geschäftsverbindungen zu Russland?

Der deutsche Konzernboss unterhielt laut Bericht Geschäftsbeziehungen zum mächtigen russischen Bankier und Oligarchen Andrej Suzdaltsev. Tengelmann investierte rund 42,5 Millionen Euro in ein Joint Venture, das letztlich scheiterte.

Unabhängige Ermittler, die die Familie Haub nach dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub engagierte, untersuchten die Telefonverbindungen von Haubs Handy. Nachdem Anfang März 2018 Karl-Erivans Vater gestorben war, führte der Sohn immer wieder Telefonate nach Russland. Die Telefonate wurden fortan immer häufiger, sie reichten bis in den letzten Abend vor Haubs spurlosem Verschwinden.

Was passierte mit den Ermittlungen?

Kurz nach dem Verschwinden beauftragte Christian, der vier Jahre jüngere Bruder von Karl-Erivan, einen ehemaligen Stasi-Verbindungsoffizier und einen ehemaligen Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) der Bundeswehr mit den Ermittlungen. Die beiden leiteten ein internationales Team mit besten Kontakten zu Behörden, reisten auch nach Russland, um vor Ort zu recherchieren. Doch ein anonymer Anruf beendete die Untersuchungen abrupt: Der Anrufer forderte die Ermittler auf, ihre Bemühungen einzustellen und nach Hause zurückzukehren, da ihre Familien sie bräuchten, so der "Stern". Sowohl der Stasi-Offizier als auch der ehemalige MAD-Mitarbeiter sind inzwischen verstorben.

Christian Tengelmann engagierte daraufhin eine US-israelische Ermittlungsagentur für die weiteren Untersuchungen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden in zwei rund 50-seitigen Berichten zusammengefasst. Die Untersuchungen beleuchten das zweite, geheime Leben von Karl-Erivan Haub. Sie stellen bisherige Gewissheiten über die Identität des Milliardärs und die Geschehnisse am Matterhorn infrage.

Wer leitet aktuell den Familienkonzern?
Nach dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub übernahm dessen Bruder Christian die alleinige Geschäftsführung in dem milliardenschweren Handelskonzern, zu dem unter anderem der Textil-Discounter Kik und die Baumarktkette Obi gehören.
Bislang gehörte der Familienkonzern jeweils zu gut einem Drittel Karl-Erivan Haub und dem gegenwärtigen Chef Christian Haub. Die restlichen Anteile besitzt der dritte Bruder, Georg Haub. Nach einem lange schwelenden Familienstreit hatten sich die Erben von Karl-Erivan Haub im April 2021 bereit erklärt, ihre Anteile an der Tengelmann Warenhandels-KG an Christian Haub zu verkaufen.