Politik

Heftige Kritik für türkis-blauen 12-Stunden-Tag

ÖVP und FPÖ haben sich in den Koalitionsverhandlungen auf einen Zwölf-Stunden-Tag geeinigt, der 60-Stunden-Wochen ermöglichen soll.

Heute Redaktion
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Die Koalition in spe will die Höchstarbeitsgrenze von acht auf zwölf Stunden täglich bzw. von 40 auf 60 Stunden pro Woche erhöhen. Das haben ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt gegeben – "Heute" berichtete. Der Schritt soll Arbeitgebern mehr Flexibilität verschaffen.

Die Reaktionen fallen gemischt aus. Unternehmer freuen sich, Vertreter von Arbeitnehmern sind skeptisch.

Wirtschaftskammer befürwortet Pläne

"Die moderne Wirtschaftswelt fordert von allen Akteuren mehr Flexibilität. Dem tragen die Regierungspläne Rechnung", freut sich Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. "Das heißt, dass mehr Entscheidungen auf der Betriebsebene gemeinsam mit dem Betriebsrat getroffen werden können und auch eine Höchstgrenze der Arbeitszeit von zwölf Stunden möglich sein soll."

Das sei bereits Praxis im öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern und in Sozialstaaten wie Schweden und Finnland. Leitl erinnert auch an spezielle Regelungen bei Gleitzeit, Wochenendruhe und Saisonbranchen, welche mehr Möglichkeiten als bisher eröffnen würden.

Rückschritt ins 19. Jahrhundert

Johann Kalliauer, der Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, im "Ö1 Journal um acht": "Ich bin enttäuscht, dass die erste konkrete Maßnahme dieser Regierung ein massiver Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist." Es gebe jetzt schon die Möglichkeit, flexibel bis zu zwölf Stunden zu arbeiten.

Er wittert die Absicht, den Zwölf-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche ohne begleitende Schutzbestimmungen zum Normalzustand machen zu wollen. Das sei ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert. "Der Nutzen für die Arbeitnehmer ist aus meiner Sicht völlig im Dunklen", so Kalliauer.

Es sei bezeichnend, dass man im selben Zug Gewerkschaften und Kollektivverträge an den Rand dränge. Er zeigt sich aber auch davon überzeugt, dass die neue Regierung nach einer gewissen Zeit wieder den Kontakt zu den Sozialpartnern suchen werde.

"Muss eng begrenzte Ausnahme bleiben"

Der leitende ÖGB-Funktionär Bernhard Achitz warnt in der ZIB 2: "Wenn ArbeitnehmerInnen ohne zusätzlichen Ausgleich zwölf Stunden arbeiten müssen, ist das auf jeden Fall gesundheitsbelastend. Und es ist jetzt schon möglich, in Ausnahmesituationen zwölf Stunden zu arbeiten. Wenn das erweitert wird, ist das für die ArbeitnehmerInnen sicher kein Vorteil. Aus unserer Sicht ist es so, dass der Zwölf-Stunden-Tag auf keinen Fall die Regel werden darf, sondern eine eng begrenzte Ausnahme bleiben muss."





Parteien kritisieren

Auch in der Politik stoßen die Pläne nicht auf viel Gegenliebe. Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sieht eine Politik "gegen die ArbeitnehmerInnen und für die Konzerne".

"Die Vereinbarungen von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen auf die betriebliche Ebene zu verlagern, ist die Lieblingsidee jedes neoliberalen Politikers - es versetzt die ArbeitnehmerInnen von vornherein in die schwächere Position und die Unternehmen diktieren die Bedingungen. Die besondere Gemeinheit ist dabei, dass sie uns das als mehr Freiheit verkaufen wollen", so Schieder in einer Aussendung am Mittwoch.

Auch die Liste Pilz kann sich keine Begeisterung für die Ankündigung von ÖVP und FPÖ abringen. Von einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag zu reden, Arbeitnehmern mehr Flexibilität abzuverlangen, das Familienleben außer Acht zu lassen und Kosten für eine Nachmittagsbetreuung von Kleinkindern einzuführen sei zynisch, so Daniela Holzinger, Familien- und Sozialsprecherin der Liste Pilz, am Mittwoch. "Hier handelt es sich um reine Klientelpolitik: damit sich Unternehmen Überstundenzuschläge sparen. Alles auf Kosten der ArbeitnehmerInnen, deren Gesundheit und ihres Familienlebens."

Unerwarteter Kritiker

Ein FPÖ-Politiker hat sich ebenfalls gegen den Zwölf-Stunden-Tag ausgesprochen – ausgerechnet Obmann Heinz-Christian Strache. Das war allerdings noch im September 2013. Damals bezeichnete er die Idee in einem "Kurier"-Userchat als "asozial" und "leistungsfeindlich".

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