Alarmierende Zustände an Wiens Pflichtschulen – eine aktuelle Umfrage unter mehreren hundert Lehrerinnen und Lehrern zeigt, dass drei von vier Lehrkräften mit Schülern konfrontiert sind, die mit den herkömmlichen pädagogischen Mitteln nicht mehr erreichbar sind.
Laut Thomas Krebs, Vorsitzender der FCG im Zentralausschuss der Wiener LandeslehrerInnen an allgemeinbildenden Pflichtschulen (APS), handelt es sich um junge Menschen mit massiven Verhaltensauffälligkeiten, die sich selbst, andere Schüler und Lehrpersonen gefährden. "Diese Kinder sprengen unser Schulsystem", sagt Krebs. Die ohnehin knappen pädagogischen Ressourcen würden schon lange nicht mehr ausreichen, um diesen besonderen Herausforderungen gerecht zu werden.
Die Ergebnisse der Befragung von mehreren hundert Wiener Lehrern aus dem April 2025 zeichnen ein düsteres Bild: 75 Prozent der befragten Pädagogen berichten, mit verhaltensauffälligen Schülern zu arbeiten, die als kaum oder gar nicht beschulbar gelten.
Rund 68 Prozent der Lehrkräfte gaben an, bereits selbst Gewalt durch Schüler erfahren zu haben. Die Unterstützung im Alltag bleibt dürftig: Nur etwa 18 Prozent bekommen Hilfe durch Schulpsychologie oder Schulsozialarbeit. Die Polizei wird in lediglich 3 Prozent der Fälle einbezogen, von der Behörde fühlen sich nur 0,6 Prozent unterstützt. Besonders alarmierend: 28 Prozent der Lehrer berichten, in solchen Situationen gänzlich auf sich allein gestellt zu sein.
"Wir hören immer häufiger von Lehrern, die täglich körperlich attackiert werden. Eine Kollegin dokumentiert bereits seit Wochen Bisswunden und Blutergüsse. Sogar schwere Verletzungen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen", schildert Krebs einen drastischen Einzelfall. In dem besagten Fall handelte es sich um ein Kind mit Autismus. Eine Anzeige bei der Polizei wurde nicht ernst genommen. "Mittlerweile gibt es aber immer mehr Direktoren und Polizei-Bedienstete, die unterstützen, wenn so etwas passiert", so Krebs.
Zusätzlich zur zunehmenden Gewalt erschweren immer häufiger fehlende Kooperation seitens der Eltern sowie anwaltliche Einschüchterungsversuche den Schulalltag. Er nennt dazu ein Beispiel: Eltern wurden vom beauftragten Rechtsanwalt angehalten, weitere rechtliche Schritte gegen die Schule einzuleiten, obwohl die Eltern mittlerweile mit den Pädagogen den Konflikt bereinigt haben und mit der Vorgehensweise der Schule sogar zufrieden waren.
"Die pädagogische Arbeit obliegt den Lehrern und den Eltern, Rechtsanwälte mischen sich zu häufig ein, weil schulische Anliegen anscheinend ein neues Geschäftsfeld darstellen", kritisiert Krebs. Er fordert, dass Rechtsanwälte sich von schulischen Angelegenheiten fernhalten.
Auch seitens der Stadtpolitik erwartet er verstärkte Maßnahmen. Pilotprojekte und Initiativen, wie etwa die "Multiprof-Teams" würden wenig Wirkung zeigen. "Nicht einmal in den beschriebenen Extremfällen erfolgt tatsächliche Unterstützung durch zusätzliches außerschulisches Personal", so Krebs. In anderen Bundesländern sei man bereits deutlich weiter – etwa mit pädagogischen Assistenzkräften, die gezielt mit besonders auffälligen Schülern arbeiten. Ein solches Unterstützungsmodell fehle in Wien bislang.