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Diese Facebook-Challenge ist eine Datenfalle

Auf Facebook sollen User ihre Lieblingsalben posten. Für die Werbebranche sind diese Daten pures Gold.

Heute Redaktion
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Die Album-Challenge auf Facebook verrät mehr über uns, als uns lieb ist.
Die Album-Challenge auf Facebook verrät mehr über uns, als uns lieb ist.
Bild: Screenshot Facebook

Die Facebook-Gemeinschaft ist aufgeschreckt. Spätestens seit dem Skandal um Cambridge Analytica sorgen sich die User um ihre privaten Daten. Facebook-Chef Zuckerberg selber musste am Dienstag erneut vor den Behörden aussagen – dieses Mal im EU-Parlament in Brüssel.

Inmitten dieser Datenpanik kursiert auf Facebook seit einigen Wochen ein Musik-Challenge. Dieser verbreitet sich wie ein Lauffeuer auf der Plattform: User sollen in zehn Tagen zehn Covers von ihren Lieblingsplatten posten. Musik also, die einen fürs Leben geprägt hat. Mit Nominationen können teilnehmende User ihre Facebook-Freunde zum Mitmachen auffordern. Mittlerweile gibt es kaum mehr einen Newsfeed, in dem kein Lieblingsalbum gepostet wurde. Die Kettenreaktion dürfte größer sein als damals bei der Ice Bucket Challenge.

Pures Gold für Werbebranche

Die meisten User posten frisch-fröhlich ihre Lieblingsalben. Schließlich will man die Community von seinem guten Musikgeschmack überzeugen. Doch damit gibt man Informationen von sich preis, die für die Werbebranche pures Gold sind. "Für das gezielte Ausspielen von Werbung ist der Musikgeschmack relevant", sagt Bastian Sarott, Dozent für Online-Marketing. Anhand der Lieblingsmusik könnten Personen mit den gleichen soziodemografischen Merkmalen in differenzierte Zielgruppen mit unterschiedlichen Interessen und Vorlieben eingeteilt werden.

Zwar posten die User beim Musik-Challenge keine Musikclips. Doch auch aus den Plattencover allein können Daten gesammelt werden. Möglich machen es Programme für Bilderkennung und Textverarbeitung. Zudem verlinken die User die Interpreten oftmals mit einem Tag.

Gezieltes Sammeln von Daten

Für Sarott ist klar: "Natürlich werden diese Daten für Werbung genutzt." Die Informationen seien interessant für Hersteller von Kleidern, Schuhen, Brillen oder Autos. Jemandem, der ein Hip-Hop-Album gepostet habe, könne man dann etwa Werbung für Sneakers ausspielen. Das genaue Kennen der Zielgruppe ist in der Werbebranche enorm wichtig. So lassen sich sogenannte Streuverluste vermeiden und potenzielle Kunden möglichst effizient und kostengünstig angehen.

Was Sarott stutzig macht, ist die Fülle an Informationen, die man beim Musik-Challenge angeben muss. "Zehn Alben an zehn Tagen sieht nach einem gezielten Sammeln von Daten aus", so der Experte. Ob der Challenge absichtlich von Facebook oder anderen Unternehmen extra lanciert wurde, kann er nicht sagen. "Möglich ist es", sagt Sarott.

Als Quiz oder Spiel kaschiert

Auch für Digital-Marketing-Experte Martin Schumacher von der Universität St. Gallen ist der Challenge nicht einfach für das bloße Teilen von Musik da. "Solche Kampagnen spielen der Werbebranche in die Karten", sagt er. Vor allem würden auch Leute teilnehmen, die sonst mit dem Teilen privater Angaben zurückhaltend seien. Beim Mitmachen denken denn auch viele an nichts Böses. "Oft werden Aktionen zum Datensammeln als Quiz oder Spiel kaschiert. Das hat schon Cambridge Analytica so gemacht", so Schumacher.

Der Challenge dürfte Facebook riesige Datenmengen in die Rechner spülen. Denn die Aktion hat eine enorme Reichweite. "Auf Social-Media-Plattformen verbreitet sich das rasant", sagt Daniel Koss von der Influencer-Agentur Yxterix. Hinzu kommen die Likes unter den Beiträgen, die wiederum Informationen über andere Facebook-User geben.

"Im Zentrum stehen immer Daten"

Wie aussagekräftig die gewonnenen Daten sein können, zeigt das Beispiel Netflix. Laut André Niedermann von der Fachhochschule Nordwestschweiz könne das Streaming-Portal anhand des Nutzerverhaltens zu fast hundert Prozent herauslesen, ob die US-Kunden demokratisch oder republikanisch sind. Er ist sich daher auch mit Blick auf den Musik-Challenge sicher: "Im Zentrum stehen immer Daten." (red/20 Minuten)