Fashion and Beauty

"Habe keine Angst vor dem Tod" – Designer in Kiew

Der ukrainische Modeschöpfer Jean Gritsfeldt sitzt während des Interviews mit "Heute" zwischen Sirenengeheul und Bombeneinschlägen.

Christine Scharfetter
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Der ukrainische Modeschöfper Jean Gritsfeldt sorgte mit seiner Show weltweit für Aufsehen.
Der ukrainische Modeschöfper Jean Gritsfeldt sorgte mit seiner Show weltweit für Aufsehen.
Jens Kalaene / dpa / picturedesk.com

Kein anderer Modedesigner hat dieser Tage international so viel Aufsehen erregt wie Jean Gritsfeldt. Der Ukrainer sitzt seit über einem Monat in seiner Heimat, umgeben von Sirenengeheul, Bombeneinschlägen und Schüssen. Dennoch wollte er seine Modeschau im Rahmen der Berliner Fashion Week durchziehen und schrieb damit Modegeschichte.

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Nur wenige Tage vor der Show warf er seine eigentlichen Designs über Bord und entwarf eine neue politisch motivierte Kollektion, die nicht nur der Front Row die Augen öffnen sollte. "Es lag einfach auf der Hand und mein Team, der Regisseur Orest Borko und Künstler Roslav Rusinov halfen mir, die Idee umzusetzen", erzählt der 32-Jährige im Interview mit "Heute". Genäht und angefertigt wurde schlussendlich innerhalb einer Woche direkt in Berlin von einer ganzen Reihe an freiwilligen Helfern.

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    Verstörende Bilder, die der Welt die Realität zeigen sollen: Modeschöpfer Jean Gritsfeldt machte den Krieg und das Leid in seinem Land zum Thema auf der Berliner Fashion Week.
    Verstörende Bilder, die der Welt die Realität zeigen sollen: Modeschöpfer Jean Gritsfeldt machte den Krieg und das Leid in seinem Land zum Thema auf der Berliner Fashion Week.
    Jens Kalaene / dpa / picturedesk.com

    Russin zeigt Leid und Angst

    Dann, am 16. März war es soweit: Im Berliner Kraftwerk ertönte plötzlich Sirenengeheul, gefolgt von einer Frau, die ekstatisch mit den wildesten Verrenkungen den Laufsteg für sich einnimmt. Lena Kilchitskaya, eine russische Balletttänzerin, die Teil der Show sein wollte, um ihre Unterstützung, Einheit und Solidarität mit der Ukraine zu zeigen, so Gritsfeldt. "Ihre kurze Performance symbolisiert das Leid und die Angst, die derzeit auf der ganzen Welt zu spüren ist. Am Ende steht sie jedoch auf und geht frei davon." Ein starkes Symbol, dass sich durch die gesamte Kollektion zieht, während der kreative Kopf dahinter sekündlich mit einem Bombenangriff rechnen muss. 

    "Ich habe keine Angst vor dem Tod. Wenn es passiert, dann ist das okay."

    Seine Wohnung im Zentrum von Kiew hat er verlassen und ist bei seiner Mutter im 14. Stock eines Hochhauses etwas weiter am Stadtrand untergekommen. Bei Bomenangriffen auf das nahegelegene Flughafen-Areal Schuljany gehen er, seine Mutter und die anderen Bewohner des Hauses in den Keller, der aber nicht annähernd den Schutz eines Bunkers bieten kann. Der Frage, wie es ihm aktuell geht, weicht Jean Gritsfeldt aus: "Wir stehen für das Leben. Steht auf für die Ukraine. Bitte, seid nicht still – reicht eine helfende Hand. Wir sind stärker zusammen und zusammen werden wir gewinnen. Liebe, sei stark, sei mutig und bleib am Leben", so seine Antwort.

    Spricht aber ohne mit der Wimper zu zucken über den Tod. "Ich habe keine Angst vor dem Tod. Wenn es passiert, dann ist das okay. Ich stelle mich immer meinen Ängsten und besiege sie."

    Die Waffe des Modeschöpfers

    Als seine Mission sieht Gritsfeldt es, für den Frieden zu kämpfen und der Welt die Augen zu öffnen. "Es herrscht Krieg in der Ukraine. Drei Millionen Flüchtlinge fliehen aus dem Land und es gibt Tausende zerstörte Gebäude und Häuser. Heute ist es nicht an der Zeit, über Mode zu sprechen, sondern durch Mode", erklärte er nicht nur im Video zu beginn seiner Fashion Show, sondern noch einmal mit Nachdruck in unserem Interview. "Wir präsentierten nicht die neue Saison oder die neuen Looks, denn wenn man in einem Luftschutzbunker sitzt, oder in einem U-Bahnschacht, oder im Keller, interessiert es niemanden, was man trägt. Das Einzige, was zählt, ist, dass du lebst. In dieser Statement-Kollektion geht es um Gefühle und Emotionen. Diese Aussagen sind unser Schutz, unsere Rüstung und unsere Waffe. Die wir tragen, um die Welt vom Krieg zu befreien."

    Mode spiegle nicht die Gegenwart wider, sondern Mode blicke in die Zukunft. "Mode ist meine Waffe und ich kämpfe damit für die Freiheit von morgen. In der Hoffnung auf Freiheit für die Ukraine und für alle Menschen auf dem Planeten. Das ist meine Stärke und meine Mission. Die Menschen haben das Recht auf ein freies und sicheres Leben in ihren Häusern und in ihrem Land."

    1000 Euro für ein Kleid

    Selbstverständlich könne man die Kreationen auch kaufen, so der 32-jährige Ukrainer: "Für einen symbolischen Preis von 1000 Euro. Wir liefern den Kauf in jede Stadt der Welt. Auch ist es möglich, einen beliebigen Geldbetrag an die Bankverbindung des Fonds zu spenden und als Verwendungszweck "charitable contribution for JG 2022" angeben."

    FEDІR SHPYH CHARITABLE FOUNDATION USREOU 43928565 Ukraine, Kyiv region, Brovary, blvd. Independence, bldg. 28-A
    Bank Details:
    UA193808050000000026004710888 (EUR)
    UA533808050000000026007710874 (USD)
    Raiffeisen Bank Aval JSC in Kyiv MFI 380805