Gesundheit

Wer mit Corona arbeiten geht, kann sich strafbar machen

Die neuen Corona-Regeln werfen viele Fragen auf, auf die es derzeit noch keine Antworten gibt. "Heute" hat mit zwei Experten gesprochen.

Wer infiziert ist, darf künftig wieder an den Arbeitsplatz – das ununterbrochene Tragen der Maske ist Pflicht.
Wer infiziert ist, darf künftig wieder an den Arbeitsplatz – das ununterbrochene Tragen der Maske ist Pflicht.
Getty Images

Die Regierung hat das Quarantäne-Aus besiegelt. Wer ab 1. August 2022 positiv auf das Coronavirus getestet wird, muss nicht mehr Zuhause bleiben, sondern darf die eigenen vier Wände verlassen – insofern man sich an sogenannte Verkehrsbeschränkungen hält. Neue Regeln, die derzeit noch viele Fragen aufwerfen, auf die es noch keine Antwort gibt. Dass die Verordnung schon so bald in Kraft treten soll, macht die Sache pikant.

"Nicht durchdacht"

"Es ist so manches in dieser Regelung nicht durchdacht und bedarf einer detaillierten Nachschärfung", meint Virologin Dorothee von Laer im "Heute"-Gespräch. In vielen anderen europäischen Ländern seien die Isolationsregeln gefallen, ohne dass es einen großen Einfluss hatte. Mit dem Unterschied, dass etwa in den skandinavischen Ländern die Achtung auf den Nächsten besser ausgeprägt sei als hierzulande. "Das Problem ist die mangelnde Eigenverantwortung vieler Menschen, die andere gefährden", ist von Laer überzeugt.

Andere anzustecken, "kann mit Gefängnis geahndet werden"

Ihrer Ansicht nach soll die neue Regelung "ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es kein Kavaliersdelikt ist, jemand anderen zu gefährden. Das ist eine Straftat und kann mit Gefängnis geahndet werden. Das wissen viele Menschen nicht."

"Wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört."

§178 StGB

Dazu erklärt Arbeiterkammer-Arbeitsrechtsexperte Philipp Brokes: "Wer trotz Verkehrsbeschränkung keine Maske trägt, obwohl er es könnte, begeht eine Verwaltungsübertretung nach dem Epidemiegesetz, für die Geldstrafen von bis zu 1.450 Euro, im Wiederholungsfall sogar bis zu 2.900 Euro drohen. Zusätzlich erfüllt man in der Regel auch einen Tatbestand nach dem Strafgesetzbuch, wofür wiederum Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren drohen. Das gilt übrigens auch für einen Arbeitgeber, der verkehrsbeschränkte Arbeitnehmer ohne Maske trotz Anwesenheit anderer KollegInnen in den Betrieb lässt".

Laut Brokes kommt die Strafe nach dem Epidemiegesetz dann zum Tragen, wenn die Verkehrsbeschränkung nicht befolgt wird. Die Verordnung sagt dazu: "vollständige Bedeckung von Mund und Nase, regelmäßiges Wechseln". Wird das nicht befolgt, unterliegt derjenige der Strafbarkeit nach dem Epidemiegesetz und hat mit einer Verwaltungsstrafe zu rechnen.

Komme es trotz korrektem Tragen der Maske zu einer Ansteckung eines Arbeitskollegen, sei das dem Infizierten nur schwer vorzuwerfen, weil er sich im Sinne der Verordnung verhalten habe. "Der Nachweis wird, wenn überhaupt, nur dort gelingen, wo jemand offenkundig wiederholt die Maske nicht bzw. falsch trägt und andere KollegInnen dies im Beweisverfahren bestätigen können." In allen anderen Fällen hält der Jurist die Schadenersatzdebatte für sehr akademisch und praktisch wenig greifbar, weil der Nachweis, wo und warum die Infektion konkret erfolgte, nur schwer nachweisbar ist.

"Strafrechtlich komme ich in §§ 178 und 179 StGB bereits, wenn ich andere Personen gefährde – unabhängig davon, ob sie sich tatsächlich infizieren." Hier sei ähnlich vorzugehen wie bei den Strafen nach dem Epidemiegesetz: Wird die Verordnung nicht oder nur halbherzig befolgt, könnte das strafrechtliche Folgen nach sich ziehen, wenn jemand Anzeige gegen mich erstattet.

Kein Zwang auf Arbeitnehmer ausüben

"Dennoch sollte der Arbeitgeber aufgrund der Verordnung den Arbeitnehmer keinesfalls unter Druck setzen dürfen, trotz Infektion zur Arbeit zu erscheinen", meint von Laer. Vieles müsse nachgeschärft und detaillierter formuliert werden. Auch, dass infizierte Spitalsmitarbeiter im Kranken- und Pflegewesen trotzdem zur Arbeit erscheinen dürfen. Besonders problematisch sei dies für das Dienstleistungsgewerbe, etwa in der Gastronomie und Hotellerie, wo ohnehin Personalmangel besteht.

Nur zwei praktikable Optionen

Dass uns die Infektionszahlen im Herbst um die Ohren fliegen, glaubt die Virologin nicht. "Die Zahlen steigen aufgrund der neuen Variante, die die Immunität der vorherigen Varianten umgeht. Aber wir haben bereits eine gute Grundimmunität in der Bevölkerung aufgebaut – durch Impfung und/oder Infektion. Wenn sich jene, deren letzte Impfung oder Infektion schon länger als sechs Monate zurückliegt, noch den vierten Stich holen, bin ich zuversichtlich, dass wir eine Welle im Herbst gut überstehen."

"Die Leute, die sich bisher an die Regeln gehalten haben, werden sich auch an die neuen Regeln halten und die, die sich nicht an die alten Regeln gehalten haben, werden sich auch nicht an die neuen halten", ist von Laer überzeugt. Für sie gibt es nur zwei praktikable Optionen: Entweder man hält die Isolierung aufrecht und kontrolliert sie aber auch konsequent oder man lockert sie und kontrolliert die Regeln stichprobenartig. "Quarantäne oder Isolation sind nichts Unnormales. Das müsste man bei jeder Infektionskrankheit tun. Medizinisch gesehen, ist bei Grippe als auch bei Corona eine Isolation sinnvoll, um andere nicht zu gefährden. Aber da spielen noch viele andere politische Faktoren mit – das liegt nicht in meinem Kompetenzbereich."