Gesundheit

Wiener Long Covid-Therapie sorgt für Kritik von Ärzten

Die Ärztekammer will im Bereich Homöopathie bei Post und Long Covid fortbilden. Alternativmediziner Edzard Ernst zweifelt an der Wirksamkeit.

Christine Scharfetter
Homöopathie gegen Long Covid sieht die Wiener Ärztekamme als Chance, andere Mediziner als schlechten Scherz.
Homöopathie gegen Long Covid sieht die Wiener Ärztekamme als Chance, andere Mediziner als schlechten Scherz.
Getty Images/iStockphoto

"Hat die Wiener Ärztekammer den Verstand verloren?", diese Frage stellt der deutsch-britische Mediziner Edzard Ernst auf seiner Homepage. Anlass dafür ist eine Fortbildungsveranstaltung der "Kurie Angestellte Ärzte" der Wiener Ärztekammer zum Thema "Komplementäre ärztliche Homöopathie bei Post- und Long Covid".

Der weltweit erste Inhaber eines Lehrstuhls für Alternativmedizin (bis 2011 an der Universität Exeter in Großbritannien) kritisiert daran, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gebe, dass "Homöopathie eine spezifische, positive Wirkung bei Langzeit-/Post-Covid hat". Ernst vergleicht die für 20. April 2023 angekündigte Veranstaltung deshalb mit an den Haaren herbeigezogenen Veranstaltungen, wie "Bungee-Jumping gegen Diabetes" oder "Donut-Essen gegen Koronare Herzkrankheit".

"Bungee-Jumping gegen Diabetes."

Besonders Besorgniserregend sei für den Mediziner dabei, dass die Wiener Ärztekammer selbst diese "Pseudomedizin-Schulung" veranstalte: "Während die Pseudomedizin in Österreich bisher eine Domäne niedergelassener Ärztinnen und Ärzte war, scheint sie nun von der Wiener Ärztekammer auch in Krankenhäusern gefördert zu werden."

10 Prozent leiden an Long Covid

Long Covid beschreibt gesundheitliche Langzeitfolgen nach einer COVID-19 Erkrankung. Häufige Symptome sind Kurzatmigkeit, Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit sowie Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme. Die Symptome können jedoch sehr verschieden sein. Von Long Covid wird bei einer Symptomdauer von ab vier Wochen gesprochen. Ab einer Symptomdauer von 12 Wochen handelt es sich um Post Covid.
Eine Erhebung der Universität Wien ergab, dass ungefähr 10 Prozent der positiv auf COVID-19 getesteten Personen im April 2022 von Long Covid betroffen waren.
Der Verein "Long Covid Austria" zählt bis zum 21. Jänner 2022 insgesamt 1.484 Mitglieder und damit Post oder Long Covid-Betroffene.

Unsinn

Doch damit noch nicht genug, Ernst bezeichnet die Behandlung mit Homöopathie sogar als Unsinn: "Die Wiener Ärztekammer behauptet kühn, dass 'die ärztliche Ethik die Basis unserer Arbeit' ist. Nun, ratet einmal, Leute: Unsinn zu lehren ist nicht sehr ethisch!"

"Unsinn zu lehren ist nicht sehr ethisch!"

Bis dato gebe es keine Beweise dafür, dass Homöopathie eine wirksame Therapie für Post/Long Covid sei, so Ernst. Deshalb müsse "die Frage, ob die Wiener Ärztekammer von Sinnen ist, mit Ja beantwortet werden."

Eine sehr ähnliche Reaktion kam bereits auch von der "Initiative für Wissenschaftliche Medizin", die auf der Homepage von einem "schlechten Witz" schreiben.

Wiener Ärztekammer hält dagegen

Ganz anders sieht dies die Psychiaterin und Allgemeinmedizinerin Elisabeth Lazcano-Kraupp vom Referat für Komplementäre und integrative Medizin der Wiener Ärztekammer. Mittlerweile gebe es weltweit viele Fallberichte, die eine positive Wirkung der Homöopathie bei Post und Long Covid zeigen würden, verteidigt die Medizinerin die Veranstaltung gegenüber dem "Kurier". "Auch qualitativ hochwertige Studien wurden und werden bereits durchgeführt."

Gerade aufgrund des Therapienotstandes bei der Behandlung von Post und Long Covid sollte man offen gegenüber nicht konventionellen Behandlungsmethoden sein und sie nicht.

"Wir würden nie sagen, es ist die einzige medizinische Methode. Aber sie ist eine hilfreiche und sinnvolle Ergänzung zu anderen Therapien. Gerade bei Long Covid haben wir noch keine guten therapeutischen Möglichkeiten. Wir sollten deshalb alles ausschöpfen, um das Immunsystem zu fördern", so Lazcano-Kraupp.