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Life is Strange: Before the Storm im Test

Life is Strange berührte Tausende Fans, zeigte sich aber auch etwas langatmig. Mit Before the Storm legt Square Enix nun den Nachfolger vor.

Heute Redaktion
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Rückblick: Das Adventure Life is Strange stellte 2015 in fünf Episoden die schüchterne 18-jährige Maxine "Max" Caulfield vor, die nicht nur von der Vision eines zerstörerischen Sturms geplagt wurde, sondern auch Zeugin einer Tötung wurde. Dass Max über Zeitmanipulationsgaben verfügte, machte neben der starken Story mit schwerwiegenden Entscheidungen den Reiz des Games aus. Unsere Autorin kritisierte damals aber kleinere Features, die das Game etwas langatmig machten. Etwa, dass "falsche" Entscheidung überdeutlich in Dialogen herausgestrichen wurden, statt dem Spiel seinen Lauf zu lassen.

Life is Strange: Before the Storm erzählt nun in drei Episoden als Prequel des Vorgänger eine neue Story, die sich drei Jahre vor den Geschehnissen in Arcadia Bay abspielt. Im Mittelpunkt steht die Beziehung der beiden Mädchen Chloe Price, einer der Hauptfiguren des Vorgängers, mit Rachel Amber, die in Life is Strange spurlos verschwunden war. Überraschend ist schon mal, dass die Zeitmanipulationsgaben in Before the Storm nicht zur Anwendung kommen.

Aber der Reihe nach. Besonders Chloe zeigt sich als wilde, wütende Jugendliche, deren Gemütszustand vom Tod ihres Vaters und dem Verlust ihrer besten Freundin "Max" aus Teil 1 aus den Fugen gerät. Die Gegebenheiten in Before the Storm heben sich drastisch von jenen des Vorgängers ab. Statt der ruhigen Max steht die zornige Chloe im Mittelpunkt, statt der sensiblen Erzählung gibt es eine Handlung voll Wut und Verzweiflung.

Besser einfühlbar

Das neue Setting macht die Figur aber gleichzeitig greifbarer, lässt den Spieler in seine eigene Jugend voller Verwirrung und Rebellion gegen alles und jeden eintauchen. "Awake", "Erwacht", ist die erste Episode betitelt und umfasst 24 Stunden im Leben des Teenagers. Das "Erwachen" gibt es dabei vor allem im Rahmen eines Musikkonzerts, bei dem die beiden schicksalhaften Charaktere, Chloe und Rachel, aufeinandertreffen und sich ihrer beider Leben für immer verändert.

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Von der Spielemechanik macht Before the Storm vieles gleich wie der Vorgänger. Die ersten Minuten sind dem Kennenlernen der Figuren und der Steuerung gewidmet. Wieder ist die Welt fast frei erkundbar und die Geschichte wird stark dialoglastig erzählt. Beides Stärken, die schon den Vorgänger auszeichneten und auch dieses Mal auf höchstem Niveau sind. Und wieder trifft man schwerwiegende Entscheidungen, die die Moral und das Herz der Spieler auf die Probe stellen.

Kein Zurückspulen mehr

Zudem kennt man einige Orte bereits aus Life is Strange. Neuerungen gibt es aber auch. Es mag für LiS-Fans seltsam klingen, aber mit dem Zurückspulen der Zeit ist im Nachfolger, zumindest in der ersten Episode Schluss. Dem Spiel gibt dies aber genau die ablenkungsfreie Tiefe und Endgültigkeit, die wir in Life is Strange vermisst haben. Man leidet mit jedem Drama, man sorgt sich bei jedem Streit. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die nicht durch das Zurücknehmen von Entscheidungen getrübt wird.

Und auch die Dialoge zeigen (noch) mehr Tiefe, als es in Life is Strange der Fall war. Chloe ist angriffig, stellt sich Erwachsenen ebenso wie gleichaltrigen Schulhofschlägern, zeigt in Anwesenheit von Rachel aber auch ihre zerbrechliche und traurige Seite. Außenseitertum, Mobbing, Gewalt, Drogen, aber auch Freundschaft, Erwachsenwerden und Liebe sind die zentralen Themen, um die sich Before the Storm dreht. Besonders stark zeigt sich die Musikuntermalung - ohne es bewusst zu machen hält man beim Spielen inne und lässt den gefühlvollen Sound ins Ohr gehen.

Ganz großes Gefühlskino

Tränen möchte man verdrücken, wenn Chloe Briefe an ihre weggezogene beste Freundin schreibt und aus Frustration nicht abschickt. Diese Briefe haben übrigens das Tagebuch des Vorgängers ersetzt, funktionieren aber ebenso authentisch. Während Notizen in anderen Spielen gerne ignoriert und beiseitegelassen werden, wird man die digitalen Schreibereien in Before the Storm immer wieder durchforsten, um weiter in die Welt einzutauschen.

In Punkto Grafik und Rätsel darf man bei Before the Storm nichts Bahnbrechendes erwarten. Before the Storm wirkt visuell etwas angestaubt. War die Grafik im ersten Teil noch lebendiger und waren die Schauplätze ausgefüllter, wirkt Before the Storm minimal steriler und düsterer. Auch die Kamera kann mit ihrer Neuausrichtung den Spielfluss unterbrechen. Verbesserungen gibt es aber bei den Animationen, vor allem bei der Mimik der Charaktere. Reduziert hat sich leider die Zahl der Rätsel, sie werden aber durch die Wortgefechte ersetzt, die überlegte Antworten in einer Diskussion erfordern, um sie zu "gewinnen".

Was der Vorgänger hätte sein sollen

Before the Storm präsentiert sich für uns so, wie wir es vom Vorgänger gewünscht hätten. Hier werden starke Themen serviert, ohne durch die Ablenkung der Zeitmanipulation relativiert zu werden. Die rebellische Art der Protagonistin überzeugt ebenfalls und wird den einen oder anderen Spieler in seine wilden Jugendjahre versetzen. Before the Storm bleibt den Stärken des Vorgängers treu, räumt gleichzeitig einige der (wenigen) Schwächen aus.

Obwohl ein anderes Studio das Zepter übernommen hat, wurden die Trademarks beibehalten. Man setzte weiterhin auf einen tollen Soundtrack, stimmige Bilder und gerade genug Drama, damit die Geschichte nie langweilig wird. Ton, Atmosphäre und Spielgefühl blieben so einmalig wie in "Life is Strange". Da drückte man auch gern mal ein Auge zu, dass das Game grafisch nicht mit vergleichbaren Titeln mithalten kann.

Der erste Teil, "Awake", schaffte es, die chaotische Gefühlswelt von Teenagern erneut so zu zeigen, dass man mit der Protagonistin Chloe mitleidet. Die zweite Episode "Brave New World" dagegen litt ein wenig unter dem Status als Bindeglied zwischen Anfang und Ende von Chloes Geschichte.

Krönender Abschluss

Mit der Ende Dezember erschienenen dritten Episode "Hell is Empty" (DLC für Konsolen und PC, Square Enix) findet die Geschichte nun aber ihren krönenden Abschluss. Das Teenie-Drama deckt erneut viele Facetten im Leben von Jugendlichen ab, vom Drogenmissbrauch über erste sexuelle Fantasien bis hin zu latenten Zukunftsängsten. Im Fokus stehen jedoch Themen wie Liebe, Vertrauen, Verlust und die Suche nach der Wahrheit.

Wie bisher beeinflussen die Entscheidungen des Spielers den Verlauf der Geschichte – die Episoden werden so zu einer Art interaktiven TV-Serie. Vor allem die entscheidenden Szenen aus der letzten Episode sind noch einmal richtig aufwühlend. Zumal es deutlich persönlicher zu- und hergeht als bisher. Ein Spiel so gut wie eine packende Netflix-Serie, könnte man sagen.

Als Spieler kommt man am Ende in ein moralisches Dilemma, das nicht einfach zu entscheiden ist. Fans von "Life is Strange" können jedenfalls bedenkenlos zugreifen. Denn wer auf eine emotionale Story Wert legt, kommt definitiv auf seine Kosten. Und wer dachte, Videogames könnten keinen Tiefgang haben, wird hier auf eindrückliche Art und Weise eines Besseren belehrt. (rfi/srt)