Fussball
Liverpool scheitert mit Trick zur Machtübernahme
Liverpool und Manchester United wollten, hinter einer Spende für kleinere Klubs versteckt, die Macht im englischen Fußball an sich reißen.
Die Aufregung in England ist groß. Der FC Liverpool hatte eine Idee. Rivale Manchester United sprang auf den Zug auf. Die beiden Groß-Klubs ließen über einen Antrag abstimmen, der ihre Macht noch größer gemacht hätte. Weil sie die Not der kleineren Klubs ausnützten, um ihr Vorhaben zu verschleiern, brodelt es.
Die Rede ist vom Projekt "Big Picture", lanciert vom Liverpool FC und Manchester United. Am Sonntag war das Projekt vom "Telegraph" geleakt worden, und seither zerlegen es die Medien in seine Einzelteile.
Everton fordert sogar Entschuldigung
Drei Tage später, am Mittwochabend, trafen sich die 20 Premier-League-Klubs und lehnten das Projekt ab. Zwei Stunden hatte die Debatte gedauert. Die meisten Klubs waren skeptisch, einige sogar empört. Und irgendwann verlangte Denise Barrett-Baxendale, die Chefin des Everton FC, dass sich Manchester United und Liverpool entschuldigen.
Everton-Chefin Denise Barrett-Baxendale war derart not amused, dass sie von Manchester und Liverpool eine Entschuldigung für das Projekt "Big Picture" verlangte.
Die beiden Top-Vereine sahen keinen Grund für diese Entschuldigung – schließlich war ihr Plan doch in wunderschönes Geschenkpapier gepackt.
Dieses Geschenkpapier sah im Wesentlichen so aus: Die Premier League zahlt 100 Millionen Pfund an den Englischen Fußballverband und 250 Millionen an die English Football League (EFL), den Verband der zweit-, dritt- und vierthöchsten Liga. Zudem sollen die EFL-Klubs stärker an den TV-Einnahmen beteiligt werden: Bisher kassierten sie vier Prozent des 8,6 Milliarden schweren Dreijahresvertrags (2019-2022), in Zukunft sollten es 25 Prozent sein.
Das größte Kuchenstück in der Geschichte
Noch nie lag für die Unterklassigen ein größeres Kuchenstück auf dem Tisch. Und in der aktuellen Notlage hörte sich der Deal ganz wunderbar an, denn im Vergleich zu den Premier-League-Teams sind sie stärker von den Ticket-Einnahmen abhängig. Diese sind wegen der Corona-Krise eingebrochen. Also hat sich Rick Parry, der Chef der chronisch unterfinanzierten EFL, öffentlich für das Projekt "Big Picture" ausgesprochen.
Doch die Premier League war dagegen. Denn unter dem schönen Geschenkpapier versteckte sich eine Idee, die gegen jedes Demokratieverständnis verstößt: Im Gegenzug für die Hilfsgelder an die unteren Ligen sollten die "traditional nine" das Recht erhalten, fast allein über das Geschehen im englischen Klub-Fußball zu bestimmen. Diese neun sind die dienstältesten Liverpool, Manchester United, Arsenal, Chelsea, Manchester City und Tottenham sowie Everton, Southampton und West Ham United.
Seit die Premier League 1992 eingeführt worden ist, gilt das Prinzip "One Member, one Vote". "Big Picture" hätte dieses Demokratieverständnis umgestoßen: Die "traditional nine" hätten mit einer Zweidrittelmehrheit darüber entscheiden können, wie zum Beispiel TV-Gelder verteilt werden oder welche Investoren Vereine übernehmen dürfen.
Der nächsten Milliardärin, die an der Türe der Premier League steht, um dereinst die Topklubs zu bedrängen, hätte man einfach den Eintritt verwehren können.
Die Topklubs wollen eigene Streams
Und es gab weitere Gründe, warum das Projekt am Mittwochabend keine Chance hatte. "Big Picture" wollte die Premier League von 20 auf 18 Teams verkleinern sowie den Ligapokal und den Supercup abschaffen. Die Lücken im Spielkalender hätten die Topklubs für mehr internationale Topspiele oder lukrative Vermarktungsreisen nutzen können.
Aber gerade der Ligapokal erlaubt kleinen Klubs große Träume: 2013 zum Beispiel gewann ihn der Swansea City AFC und spielte in der Europa League, die er über die Liga wie immer deutlich verpasst hatte.
"Big Picture" wollte die Premier League verkleinern sowie den Supercup und den Ligapokal abschaffen. Doch der Wettbewerb erlaubt es kleineren Klubs, groß zu träumen. Der Swansea City AFC zum Beispiel spielte in der Europa League, weil er 2013 den Ligapokal gewonnen hatte.
Zudem hätte eine weitere Idee die Topklubs bevorteilt: "Big Picture" sah vor, dass jeder Klub acht Spiele pro Saison auf den eigenen Streaming-Kanälen übertragen darf. Für einen kleinen Verein wie beispielsweise Brighton & Hove Albion ist das kaum interessant – für die Besitzer von Manchester United jedoch sehr: Liebend gerne würden sie die riesige globale Fangemeinde selbst bedienen und die Einnahmen für sich behalten.
Die Regierung verurteilt solche "Hinterhof-Deals"
Das Projekt "Big Picture" hätte den kleineren Klubs aus unteren Ligen also mit einer Viertelmillion Pfund kurzfristig geholfen. In der Premier League und längerfristig hätte es jedoch dazu geführt, dass die Kluft zwischen den Topklubs und der Mittel- und Unterklasse noch größer geworden wäre.
Sogar die britische Regierung schaltete sich ein. Der Sprecher des Premierministers Boris Johnson sagt: "Das ist genau die Art von Hinterhof-Deals, die das Vertrauen in den Fußball untergräbt." Trotzdem ist man sich einig, dass es eine Reform braucht. Bis Ende 2020 soll eine nächste Idee auf dem Tisch liegen.
Und obwohl "Big Picture" keine Chance hatte, wurde Geld für die unteren Ligen gesprochen. Insgesamt 50 Millionen Pfund sollen die Teams in der Ligue one und Ligue two erhalten. Und die Klubs aus der Championship, der zweithöchsten Division, sollen zinslose Darlehen beantragen können.
Diese Tranche ist deutlich kleiner als die 250 Millionen aus der Idee von Liverpool und Manchester. Dafür ist sie nicht an eine Machtübernahme der Topklubs geknüpft.
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