Österreich

Lugners Klofrau: "Nun wird im Stiegenhaus geraucht"

Heute Redaktion
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„Heute" begleitete Richard "Mörtel" Lugner beim Kampf um seine Kunden in der City. Das Rauchverbot bringt nämlich Rückgänge bis zu 50 Prozent – und Szenen, die an die Schulzeit erinnern …

Der "Heute"-Lokalaugenschein findet an einem späten Nachmittag in Begleitung von Richard Lugner in der nämlichen City am schönen Lerchenfelder Gürtel statt. Wir vereinbaren den Treffpunkt um 17 Uhr bei der Information im Erdgeschoss.

Im Normalfall beste Shopping-Zeit im legendären Haus, das seit 1990 zwei Generationen von kauf- und unterhaltungswütigen Kunden mit Erdung zum Boulevard in kommerzielle Verzückung gebracht hat.

Das Rauchverbot lässt die Gäste schwinden

Wo sich Rudolfsheim, Ottakring oder Hernals in freundlicher Symbiose mit Belgrad, Pristina und Fenerbahce in eine Wiener Melange gemengt haben, ist nun Ende Gelände für Kunden von Hütteldorf bis nach Izmir. Seit der gnadenlosen Exekution des Rauchverbotes schwinden Lugner Gäste, die Nikotin genussethnisch mit Kaffee und Baklava verbinden.

Anno 2020 schwingt bezüglich der Gästefrequenz in den Gastro-Lokalen die Abbruchbirne. Wenige Tage vor unserem Termin hat der City-Betreiber im Zuge eines Interviews zum Opernball einen Wink gegeben: "Wos mi derzeit mehr beschäftigt, is net meine Opernballgästin. Mir geht des Geschäft in der Lugner-City zurück."

Manche Lokale verzeichnen bis zu 50 Prozent Rückgang

Es gäbe manche Lokale – in erster Linie Dutzende kleine Cafés –, die bis zu 50 Prozent weniger Gäste haben, seit nicht mehr geraucht werden darf. Im Schnitt spricht Lugner von Rückgängen um die 30 Prozent, die seinen Mietern Finanzierungsprobleme bescheren.

Der spätvirile Baumeister – er steht unglaublicher Weise vor seinem 88. Wiegenfest – federt fit wie ein Nike-Turnschuh heran: "Entschuldigen 'S die Verspätung, Herr Redakteur. I hob do a Interview mit an Privatsender g'habt. Des hot länger dauert."

Wir entern gleich einmal das von der Schwindsucht am meisten betroffene Lokal im zweiten Stock des Gürtel-Flügels, ein Café namens "Dolce". An der Gaggia brüht die 50-Jährige Sisanka einen großen Braunen, ihr Gesichtsausdruck ist eine optische Fusion aus Verzweiflung, Trauer und allerletzter Hoffnung.

Rauchende Stammkunden bleiben völlig aus

Wenigstens bestellt Lugner eine heiße Schokolade und animiert die Kellnerin, Erinnerungen an schönere Zeiten zu wecken: "Da hat es einen Pfleger aus dem Zoo Schönbrunn gegeben, der einmal pro Woche zu uns gekommen ist. Der ist seit dem Rauchverbot einfach von der Erde verschluckt."

Lugner assistiert erklärend: "Der hat immer eine Melange getrunken, mehrere Zigaretten geraucht und durch die Glasscheibe den feschen Mädchen hinterher g'schaut. Der kommt natürlich jetzt nimmer!" Weil das "Dolce" bis 1. November ein reines Raucherlokal war, steht die bemühte Sisanka jetzt naturgemäß vor leeren Sesseln sonder Zahl.

Szenenwechsel im Trauerspiel um fliehende Kunden. Das "Heute"-Reporterteam begleitet den schon etwas grantigen Baumeister ins Billardcafé Köö. Dort ist die gähnende Leere nicht nur dem Wochentag geschuldet. Obwohl das Lokal über eine luxuriös ausgestattete Raucherlounge verfügt.

Rauchverbot! 50 Prozent Einbruch in Lugner-Gastro

Lugner wirbt persönlich für die Raucherloungen

Die wird von Lugner per Plakat vor dem Eingang höchstpersönlich beworben. Trotzdem finden sich draußen nur zwei einsame Nikotin-Inhalatoren. Lugner weiß, warum: "Der Haupteingang ist zu, angeblich weil der Wind zu stark ist. Des derf doch net woar sein!"

Folglich nimmt sich der Baumeister den Köö-Geschäftsführer zur Brust. Wenn Worte töten könnten, wäre der Mann umgehend verstorben: "Herr Chef, san Sie der Feind von ihrem Umsatz, oder wos? Da findet ja niemand die Raucher-Lounge. Wozu moch' i dafür eigentlich a Werbung?"

Weiter geht's zur Toilettenbetreuungsdame (Anm.: früher Klofrau, laut Lugner) im dritten Obergeschoß. Die Pipi-Frequenz tröpfelt klein, Lugners Grant ist folglich groß: "Des Häusl könnt ma eigentlich zuamochen. Geht aber net, weil in jedem Stockwerk ans sein muss…"

Klofrau kämpft mit Rauchern im Stiegenhaus

"Klofrau" Pepovic (49) über ihre derzeitige Nebenbeschäftigung: "Am Abend kommen immer mehr Leute ins Stiegenhaus nebenan und rauchen gleich zwei, drei Zigaretten auf einmal." Lugner erbost: "Das geht ja gar net. Da muss ma Rauchmelder installieren!"

Während der Baumeister bezüglich der Rauchmelder mit dem Citymanager telefoniert, bewegen wir uns ins "La Venduta", einem einstmals beliebten Italiener im ersten Stock des Hauses. Auf dem Weg dorthin wird der Baumeister mehrfach zu Selfies mit Kindern und Jugendlichen aller Ethnien gebeten.

Geduldig posiert Lugner im 88. Lebensjahr für jugendliche Damen und Herren aus der Zuwanderung, auch weil er weiß, dass sein Publikum zum großen Teil aus nicht unbedingt autochtonen Wienern besteht. Dazu sagt er: "I mog meine Gäste, egal, woher sie kommen. Des war immer schon mein Erfolgsprinzip."

Es riecht nur noch nach Nikotin

Im "Venduta" spiegelt sich die Rache der Raucher wieder. Ursprünglich hatte der gepflegte Italiener einen Raucherbereich, der jetzt nur mehr deshalb olfaktorisch zu identifizieren ist, weil er noch geringfügig nach Nikotin riecht.

Kellner Soli (42) bejammert den Kundenschwund wie folgt: "Wir hatten am Morgen immer viele Kunden, die bei einer Melange und einer Zigarette zum Frühstück da waren. Die sind jetzt komplett weg." Lugner verweist gleich auf eine neue Raucherlounge für alle Besucher, die demnächst entstehen soll.

Lugner baut eigene Raucher-Lounge

Dort angekommen, findet man vorerst nur ein leeres Stück Boden zwischen dem Running Sushi "Okiro" und einer Fastfood-Hütte. Lugner hat das Terrain aber längst im Kopf belebt: "Da bauen wir eine Raucher-Lounge für alle Gäste der City mit einer Top-Entlüftung und Stehtischen, an die man Speisen und Getränke mitnehmen kann."

Weil Lugners Zeit abläuft, müssen wir uns nun vom Baumeister verabschieden. Denn letztlich muss er seinen Koffer für seine Blutauffrischung in einer Luxus-Klink in Leipzig und dem Semper-Opernball in Dresden packen. Und weil ihm niemand sein Glück verbauen will, sagen wir artig "Danke, Herr Baumeister!"

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