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Marokkos König widerrief Pädophilen-Amnestie

Heute Redaktion
14.09.2021, 15:50

Marokkos König Mohammed VI. hat die Begnadigung eines Kinderschänders aus Spanien nach landesweiten Protesten rückgängig gemacht. Der Monarch habe sich angesichts der "Schwere der Verbrechens und aus Respekt vor den Opfern" zu diesem Schritt entschlossen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MAP am Sonntagabend unter Berufung auf eine Mitteilung des Hofs.

Marokkos König Mohammed VI. hat die Begnadigung eines Kinderschänders aus Spanien nach landesweiten Protesten rückgängig gemacht. Der Monarch habe sich angesichts der "Schwere der Verbrechens und aus Respekt vor den Opfern" zu diesem Schritt entschlossen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MAP am Sonntagabend unter Berufung auf eine Mitteilung des Hofs.

Die Justizministerien Spaniens und Marokkos sollten das weitere Vorgehen gegen Daniel Fino Galvan absprechen. Zudem sollten die Umstände der "bedauernswerten Freilassung" des Mannes untersucht werden, hieß es.

Der 64-jährige Galvan war 2011 wegen Vergewaltigung von elf Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen vier und 15 Jahren zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Er war Anfang der Woche im Rahmen einer Amnestie für insgesamt 1.044 Menschen anlässlich des 14. Jahrestags seiner Thronbesteigung auf freien Fuß gesetzt worden. Galvan soll inzwischen nach Spanien ausgereist sein.

Welle der Empörung

Die Begnadigung hatte große Empörung ausgelöst. Vor der ungewöhnlichen Mitteilung des Königshauses, das praktisch nie Handlungen des Monarchen rechtfertigt oder erklärt, hatte die marokkanische Polizei am Freitag Demonstrationen Tausender Menschen gegen den königlichen Erlass brutal niedergeschlagen. Dabei seien allein bei einer Kundgebung vor dem Parlament in Rabat Dutzende verletzt worden, berichteten das Nachrichtenportal Afrik und andere Medien. Auch Journalisten seien ins Krankenhaus gebracht worden.

Angesichts der Proteste hatte der Palast am Samstag bereits erklärt, der König sei nie über die "monströsen Verbrechen" des Spaniers informiert worden. Eine Untersuchung solle klären, wer für die Freilassung verantwortlich sei.

Für Dienstag und Mittwoch hatten Menschenrechtsgruppen zu einer Großdemonstration in Casablanca, der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes, aufgerufen. Ob diese Proteste auch nach der Annullierung des Erlasses stattfinden sollen war vorerst nicht bekannt.

Amnestie als "Akt der Freundschaft"

Galvan, der seine Taten fotografierte und filmte, war am Mittwoch nach eineinhalb Jahren hinter Gittern in der Hafenstadt Kenitra im Norden des Landes freigelassen worden. Neben dem Pädophilen wurden weitere 47 Spanier amnestiert, nachdem der spanische König Juan Carlos bei einem Besuch in Rabat Mitte Juli um einen entsprechenden "Akt der Freundschaft" gebeten hatte.

Mit Blick auf die Empörung in Marokko in den vergangenen Tagen hatte das Außenministerium in Madrid betont, die Liste der Betreffenden sei von den marokkanischen Behörden zusammengestellt worden. Die oppositionellen Sozialisten in Spanien kündigten an, am Montag im Madrider Parlament eine Stellungnahme von der konservativen Regierung einzufordern.

Täter ein Ex-Spion?

Medienberichte, wonach es sich bei dem aus dem Irak stammenden Galvan um einen früheren Spion gehandelt haben soll, wurden zunächst weder von Madrid noch von Rabat kommentiert. Nach Berichten der spanischen Zeitung "El País" und des marokkanischen Portals "Lakome" arbeitete der Pädophile als Geheimdienstagent für Spanien im Irak, wo er zum Sturz von Diktator Saddam Hussein beigetragen haben soll. Als "Belohnung" soll der Iraker seinerzeit von Madrid mit neuem Namen und mit einem spanischen Pass ausgestattet worden sein.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern war in Marokko schon vor dem Fall des 2011 zu 30 Jahren Haft verurteilten und nun auf freien Fuß gesetzten 64-jährigen Daniel Fino Galván ein zündstoffgeladenes Thema. Die Nichtregierungsorganisation "Touche pas a mon enfant" (Fasse mein Kind nicht an) schätzt die Zahl der jährlich im Königreich vergewaltigten Kinder auf 26 000 - 71 pro Tag also. Auf das Konto der gut organisierten Pädophilennetze - die vor allem im Jet-Set-Ambiente von Marrakesch tätig sind - geht ein beträchtlicher Teil dieser Verbrechen.



Zu den Kunden gehörten in den vergangenen Jahren nach Erkenntnissen der Menschenrechtler auch viele mächtige Politiker und Unternehmer europäischer Länder. "Das Land ist als eines der größten Sextourismusziele der Welt bekannt", schreibt das Nachrichtenportal "Maghreb Emergente". In den vergangenen Monaten hatten sich die Skandale gehäuft. Im Mai wurde ein 60-jähriger Franzose zu zwölf Jahren Haft verurteilt, im Juni wurde ein Brite als Verdächtiger dingfest gemacht. Besonders große Empörung löste der Fall der kleinen Wiam aus. Die Zehnjährige wurde von einem Familienvater 20 Mal vergewaltigt und mit einer Sichel verletzt. "Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht", meint "Touche pas"-Präsidentin Najat Anouar.

 

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