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Mass Effect Andromeda im Test: Sex und Turbulenzen

Bei Handlung und Charaktergestaltung boten die ersten drei Teile Bahnbrechendes. Kann Andromeda mithalten?

Heute Redaktion
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Mass Effect Andromeda will auf PlayStation 4, Xbox One und PC wieder klotzen. Der Science-Fiction-Leckerbissen wäre angerichtet: Tausende Menschen an Bord der Arche Hyperion sind am Ende ihrer über 600 Jahre langen Reise von der Milchstraße in die Andromeda-Galaxie angekommen. Hier sollen sie einen Planeten finden, der sich für den Aufbau einer neuen Zivilisation eignet. Der Spieler übernimmt dabei entweder den männlichen (Scott) oder weiblichen Part (Sara) eines Zwillingspaares, den Kindern des N7-Soldaten Alec Ryder.

Die Aufgabe ist klar: Als Sohn oder Tochter eines "Pathfinders" müssen wir ebenfalls nach einem besiedelbaren Planeten Ausschau halten und bereisen dafür das Andromeda-System in der offenen Spielewelt fast grenzenlos mit unserem Schiff Tempest. Stoff für Action gibt es dabei genug, denn nicht nur dass eine unbekannte Macht im All für Chaos sorgt, sind uns auch viele Alien-Rassen aufgrund unserer Kolonialisationspläne nicht wirklich wohlgesonnen.

Wie leicht Mass Effect Andromeda ins Straucheln gerät, zeigt bereits der Einstieg. Egal ob selbst angepasster Charakter oder Wählen einer vorgefertigten Figur, Animationen und Emotionen reißen zumindest in Hinblick auf die Charaktere nicht gerade vom Hocker. Das kannte man bei bisherigen Teilen ganz anders und darunter leidet in Andromeda gar nicht so sehr der grafische Eindruck, sondern die emotionale Bindung an unsere Figur. Nicht viel besser macht den Eindruck das Tutorial, das eigentlich aus den ersten Spielszenen besteht. Egal was passiert, so richtig fesselnd wirkt nichts davon.

Jede Menge Sex im Weltall

Umso attraktiver ist die Umsetzung der Hauptmission selbst, dem Finden eines bewohnbaren Planeten. Durch eine entdeckte Terraforming-Technologie können wir unwirtliche Planeten etwas ungefährlicher machen und auf ihnen sogar Siedlungen entstehen lassen. Auch wenn dies eine der Haupttätigkeiten in Andromeda ist, fühlt sich das nie repetitiv an, sondern hat einen ganz eigenen Sci-Fi-Charme. Auch die Third-Person-Gefechte gegen die bösartigen Kett, die uns von Ort zu Ort jagen, funktionieren in bester Mass-Effect-Manier. Actiongeladen und grafisch imposant - hier zeigt Andromeda, was die Spieler sehen wollen.

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Aus sechs Charakteren wählt der Spieler jeweils zwei aus, die ihn auf seinen Planeten-Missionen begleiten, plus eine Künstliche Intelligenz namens "SAM", ein Überbleibsel unseres virtuellen Pathfinder-Vaters. Statt bisheriger Mannschaftsfindungen und -zusammenstellungen geht es an Bord unseres Schiffes dafür nun eher darum, die bestehende Crew zu befragen, Beziehungen zu knüpfen - und ja, auch mit anderen Raumfahrern desselben oder anderen Geschlechts im Bett zu landen. Beim Thema Sex spart Mass Effect Andromeda nicht wirklich, kennt hier zum Glück keine Tabus. Doch auch hier weicht sich oft das komplexe Emotionssystem auf, für das Bioware-Spiele eigentlich so bejubelt wurden.

Oberflächliche Dialoge

Wie in anderen Bereichen offenbart Mass Effect Andromeda ein gewaltiges Potenzial, das in vieler Hinsicht ungenutzt wird. Die Möglichkeit, zahlreiche Beziehungen aufzubauen, wird von teils oberflächlichen Dialogen konterkariert. Die Zahl der Missionen und Nebenmissionen ist gewaltig, vielfach wiederholen sich die Aufgaben aber einfach, womit sie uninteressant werden. Und man kann sich letztlich für viele Spielwege entscheiden, gewinnt aber kaum eine Bindung an die Charaktere und wird von den Entwicklungen der Story dadurch oft kaltgelassen.

Andromeda bietet den Spieler erstmals auch Open-World-Areale an, zu denen man sich aber erst vorkämpfen muss. Gut zehn Stunden muss man in die Einleitung investieren, um schließlich auf Planeten gewaltige Areale erforschen zu können. Prompt steigt auch die Freude mit dem Action-Titel und grafisch ist das Spiel bis auf einige Charaktergestaltungs-Ausreißer beeindruckende Bilder und stimmungsvolle Umgebungen sowie tolle Kampf- und Bewegungseffekte. Und auch die Story wird besser, steigert sich sogar in ein großes Finale. In punkto Multiplayer kann man im Koop mit bis zu drei Mitspielern gegen Computer-Gegner antreten, fünf Karte stehen zur Verfügung, kostenlose weitere sollen nachgeliefert werden. Bahnbrechendes gibt es im Multiplayer nichts, doch die "Erreiche einen Punkt"- oder "Schieß den Weg frei"-Aufgaben sind geschickt mit dem Singleplayer-Modus über entsendbare Teams verwoben. Wer nur alleine spielt, kann im Hintergrund dabei einfach KI-Charaktere entsenden.

Richtig toll ist das Fahrzeug- und Ausrüstungsmanagement. Endlich lässt sich ein Gefährt, der "NOMAD" exakt steuern und nicht hakelig durch die Gegend manövrieren. Zudem sorgen Modifikationen am "NOMAD" sowie ein Außenposten-Aufbausystem für strategische Tiefe, die jedoch niemanden überfordern wird. Die Zahl an Schraub- und Bastelmöglichkeiten ist beeindruckend - die Ausrüstung kann Gegnern abgejagt oder durch Teile selbst zusammengeschraubt werden. Ressourcen findet man, indem man im No-Man's-Sky-Stil die Planeten Stück für Stück scannt. Und auch die eigenen Fähigkeiten wollen in drei Bereichen mit je sechs Stufen ausgebaut und verstärkt werden. Im Kampf selbst erfährt man aus Mass Effect gewohntes, toll ist dabei aber die nun durchaus wehrfähige Begleiter-KI.

Fazit: Viel Gutes, viel zu bemängeln

Um uns nicht falsch zu verstehen, Mass Effect ist insgesamt ein gutes, in einigen Bereichen grandioses Game. Kennt man die Vorgänger und sieht die Spielmöglichkeiten, wirft dies jedoch oft die Frage auf, ob das Spiel vielleicht zu früh veröffentlicht wurde. Hier und da Überarbeitungen von Charakteren, kleine Änderungen an der Story, das Einfügen emotionalerer Wendungen - es sind keine unschaffbaren Brocken, die aus dem guten ein großartiges Mass Effect Andromeda gemacht hätten. 

Die von vielen Spielern bemängelten Technik-Probleme durch Grafikeinbrüche und Ruckelorgien dürften aufgrund der Vielzahl von Meldungen öfters auftreten, in unserer PS4-Version zeigten sich aber bei stundenlangen Sessions gerade einmal eine Handvoll Framerate-Bremser im vollkommen akzeptablen Bereich. Was uns zum Gesamturteil bringt. Jedes andere, frische Game würde von Spielern und Kritikern trotz aller Mängel wohl mit einer ausgezeichneten Bewertung beurteilt werden. Gerade bei einem Bioware- und Mass-Effect-Titel schmerzen die eher schwachen Emotionen und die seichten Dialoge aber, weil man mit den Vorgängern wahre Action-Rollenspieljuwelen zum Vergleich hat. Gemessen an diesen ist Mass Effect Andromeda zwar gut, um grandios zu sein, waren die Fußstapfen aber so groß, dass man sie nicht ganz ausfüllen konnte.