Wirtschaft

Massive Teuerung: Penny verrechnet nun "wahre Kosten"

Statt 3,19 Euro kostet die Packung Frankfurter plötzlich 6,01 Euro. Der Diskonter Penny verrechnet Kunden nun die "wahren Kosten" für die Umwelt.

Roman Palman
Eine Kassiererin in einer Penny-Filiale in Berlin, Archivbild.
Eine Kassiererin in einer Penny-Filiale in Berlin, Archivbild.
Jens Kalaene / dpa / picturedesk.com

Joghurt, Käse, Würstchen und Schnitzel – die Supermarkt-Kette Penny zieht die Preisschraube für eine Woche lang kräftig an, um seinen Kunden die "wahren Kosten" ihrer Einkäufe zu vermitteln. Im neuen Preis werden neben dem eigentlichen Verkaufspreis auch die normal versteckten zusätzliche Kosten verrechnet, die ab der Erzeugung bis hin zum Verkauf von Lebensmitteln eigentlich anfallen. 

Diese oft nicht monetären "wahren Kosten" wurden von der Universität Greifswald und der Technischen Hochschule Nürnberg für insgesamt neun Eigenmarken-Produkte wissenschaftlich berechnet. Darunter fallen Fruchtjoghurt, Käsescheiben, Mozzarella und Wiener Würstchen, die in Österreich Frankfurter heißen, aus je einer Bio-Produktion und einer konventionellen Herstellung. Dazu gibt es dann noch ein veganes Schnitzel als vergleichende Beilage.

Große Unterschiede bei Umweltaufschlag

Die Preisaufschläge sind teils enorm, bei konventionellen Produkten aber deutlich höher als bei Bio: Maasdamer-Scheiben verteuern sich von 2,49 Euro auf 4,84 Euro und führen mit +94% Prozent dann auch das Teuerungsranking an.

Auf Platz zwei geht es schon um die Wurst. Die deutschen Frankfurter steigen von 3,19 Euro auf 6,01 Euro (+88%). Beim Mozzarella sind es +74% bzw. 1,55 Euro statt 0,89 Euro.

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    Für eine Woche verrechnet der Diskonter Penny bei neun Produkten die "wahren Kosten" an seine Kunden weiter.
    Für eine Woche verrechnet der Diskonter Penny bei neun Produkten die "wahren Kosten" an seine Kunden weiter.
    PENNY

    Bei den vergleichenden Bioprodukten wirken sich die aufgeschlagenen Umweltkosten ebenfalls empfindlich auf den Preis aus, allerdings in geringerem Maße. Bei den Käsescheiben sind es +69%, den Würsteln +63% und dem Mozzarella +49%.

    Das vegane Schnitzerl schneidet in dieser Hinsicht am besten ab. "Nur" 5 Prozent beträgt der Aufschlag auf den alten Preis. Statt 2,69 Euro wird der Fleischersatz um 2,83 Euro verkauft.

    Preise fallen jetzt schon an

    Penny selbst erklärt diese auf eine Woche und eben nur neun Produkte beschränkte Aktion damit, dass man – trotz der aktuellen Teuerung – Transparenz schaffen wolle. Die sonst den Konsumenten wenig bekannten anfallenden Auswirkungen der Lieferketten auf Faktoren wie Boden, Klima, Wasser und Gesundheit sollen damit sichtbar gemacht werden.

    "Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln", sagt Penny-COO Stefan Görgens in einer am 31. Juli veröffentlichten Pressemitteilung.

    Eine Bilanzierung von Lebensmittelpreisen anhand wissenschaftlicher Methodik zeige dem Konsumenten, welcher Preis tatsächlich für seine Lebensmittel derzeit schon anfällt – nicht an der Supermarktkasse, aber anderswo – und helfe zu verstehen, welche Produkte sich langfristig wie auf die Gesundheit des Planeten – und gleichzeitig das Geldbörserl – auswirken.

    Je "tierischer", desto teurer

    Nachhaltigkeitsforscherin Amelie Michalke stellt aber klar: "Es geht nicht darum, die wahren Kosten unmittelbar für alle Lebensmittel einzuführen."  Dazu würden einerseits die umfassenden wissenschaftlichen Grundlagen wie andererseits Antworten auf zentrale Fragen der sozialen Gerechtigkeit fehlen. "Wir erhoffen uns einen starken Impuls, damit wir Preise für Lebensmittel in einer anderen und (verursacher)gerechteren Form diskutieren und betrachten."

    <strong>Dr. Amelie Michalke,</strong>&nbsp;Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Universität Greifswald: "Insgesamt kann man zunächst sagen, dass die wahren Kosten immer höher werden, je 'tierischer' ein Produkt ist. Rindfleisch beispielsweise hat den höchsten Kostenfaktor [...]. Bei pflanzlichen Produkten sind Folgekosten teilweise sogar fast marginal."
    Dr. Amelie Michalke, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Universität Greifswald: "Insgesamt kann man zunächst sagen, dass die wahren Kosten immer höher werden, je 'tierischer' ein Produkt ist. Rindfleisch beispielsweise hat den höchsten Kostenfaktor [...]. Bei pflanzlichen Produkten sind Folgekosten teilweise sogar fast marginal."
    PENNY / Universitätsbibliothek Augsburg, Anatoli Oskin

    Die hinter der Preisberechnung stehenden Wissenschafter begleiten die Aktionswoche mit Analysen: "Wir können damit sicher wertvolle Erkenntnisse über Kaufverhalten und Akzeptanz für das Thema gewinnen. Daraus lassen sich dann Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Akteure ableiten".

    <strong>Prof. Tobias Gaugler,</strong>&nbsp;Ressourcenökonom an der Technischen Hochschule Nürnberg: "Die wahren Kosten, also die Bepreisung der ökologischen Folgekosten, machen das Ganze greif- und nachvollziehbarer und schaffen Transparenz. Sie sollen zum Nachdenken anregen, und zu bewussterem Konsum."
    Prof. Tobias Gaugler, Ressourcenökonom an der Technischen Hochschule Nürnberg: "Die wahren Kosten, also die Bepreisung der ökologischen Folgekosten, machen das Ganze greif- und nachvollziehbarer und schaffen Transparenz. Sie sollen zum Nachdenken anregen, und zu bewussterem Konsum."
    PENNY / photoresque GmbH, Augsburg

    Mehreinnahmen als Spenden

    Die Mehreinnahmen aus der Differenz zwischen dem Öko-Preis und dem alten Betrag will die Supermarktkette dem Projekt "Zukunftsbauer" spenden. Damit sollen familiengeführte Bauernhöfe im Alpenraum erhalten werden. Landwirten, die ihre Höfe energetisch optimieren wollen, wird darüber ein Fördertopf angeboten.

    Faktoren für den Öko-Aufschlag

    So werden die vier zugrundeliegenden Faktoren von Penny und den Wissenschaftlern erklärt. Die Ausführungen im Wortlaut:

    Klima: Hier werden alle klimaschädlichen Emissionen der Landwirtschaft mit einbezogen. Das sind zum Beispiel Methan, das von Rindern während ihrer Verdauung produziert wird, oder Kohlenstoffdioxid, das während der Nutzung von dieselbetriebenen Traktoren entsteht.

    Wasser: Alle Schadstoffe, die sich negativ auf die Beschaffenheit des Grundwassers oder anderer Wasserquellen und -speicher auswirken, werden hierin beschrieben. Zum Beispiel sind dies Stickstoffe aus Düngemitteln, die den Nährstoffhaushalt des Wassers aus der Balance bringen. Damit vermehren sich Algen und Wasserpflanzen übermäßig und entziehen anderen Pflanzen oder Lebewesen die Lebensgrundlage (Sauerstoff und Licht) – so genannte Eutrophierung. Aber auch die Folgen von ins Wasser gelangenden Pestiziden zum Beispiel, wird unter dem Baustein Wasser gemessen.

    Boden: Hierbei spielt die Benutzung von Land für die Produktion landwirtschaftlicher Güter eine Rolle. Ein Beispiel ist die Benutzung natürlicher Flächen für landwirtschaftliche Produktion: für die Produktion von Pflanzen für den menschlichen oder tierischen (Futter) Gebrauch wird dafür beispielsweise die natürliche Beschaffenheit von Flächen verändert, um als Acker genutzt werden zu können.

    Gesundheit: Nicht nur der Konsum, sondern auch die Produktion von Lebensmitteln wirkt sich auf die Gesundheit des Menschen aus. So werden bei der Nutzung von Pestiziden giftige Stoffe frei, welche vor allem bei Landwirt*innen, die damit in Kontakt geraten, zu (karzinogenen oder nicht-karzinogenen) gesundheitlichen Problemen führen können. Auch wirkt sich beispielsweise die vermehrte Produktion von Feinstaub – vor allem wegen Ammoniak, der bei der Tierhaltung oder dem Gebrauch von Gülle auftritt – negativ auf menschliche Atemwege aus.

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      REUTERS