Europa vor 45.000 Jahren: Die ersten modernen Menschen betreten den Kontinent. Sie sind über den Nahen Osten aus Afrika eingewandert. Ihren neuen Lebensraum teilen sie sich mit dem Neandertaler, der bereits seit langem in Europa heimisch ist.
Es ist das Zeitalter des Jungpaläolithikum - der letzten Eiszeit. Kalte und wärmere Phasen wechseln sich ab. Während der Kälteperioden bedecken Gletscher einen Großteil Nord- und Mitteleuropas.
Der moderne Homo sapiens lebt als Jäger und Sammler. Doch mit jedem Klimawechsel verändert sich die Pflanzen- und Tierwelt. Und so stehen die frühen Menschen immer wieder vor massiven Herausforderungen, die ihre Existenz bedrohen.
Tatsächlich kommt eine Studie im Fachjournal "Science" zu dem Ergebnis, dass unsere Vorfahren in Westeuropa einmal beinahe ausgestorben wären. Ein Klimawandel führte zu einem dramatischen Rückgang der nomadisch lebenden Populationen.
"In der Archäologie wird schon lange diskutiert, welchen Einfluss klimatische Veränderungen und die damit einhergehenden neuen Umweltbedingungen auf die Demografie der damaligen Jäger und Sammler hatten", sagt Studienautor Hannes Rathmann.
Das internationale Team um Rathmann setzte bei seiner Forschung auf eine besondere Methode: Es untersuchte die versteinerten Zähne von Frühmenschen. Mit einer Computermethode gelang es den Forschern schließlich, die Bevölkerungsentwicklung im eiszeitlichen Europa zu rekonstruieren.
Dabei zeigte sich: Bis vor rund 28.000 Jahren waren die Menschen in West- und Osteuropa genetisch gut vernetzt. Das eiszeitliche Klima war damals mild. Offene Steppenlandschaften bedeckten weite Teile des Kontinents.
Es grasten große Herden von Säugetieren - die Hauptnahrungsquelle der Jäger und Sammler. Gute Bedingungen begünstigten die Vernetzung der Populationen. Doch im Laufe der Zeit wurde das Klima immer rauer.
„Dieser drastische Wandel wurde durch massive Klimaveränderungen verursacht.“Hannes RathmannArchäologe
In der nachfolgenden Kälteperiode, dem "Späten Pleniglazial" vor 28.000 bis 14.700 Jahren, erreichten die Gletscher ihre maximale Ausdehnung. Aus Steppen wurden Tundren. In dieser Kaltphase vereiste Nord- und Mitteleuropa. Die Lebensräume von Tieren und Pflanzen verkleinerten sich - und damit auch jene der Jäger und Sammler.
Die Zahnuntersuchungen zeigen: Während dieser unwirtlichen Zeit gab es keine genetischen Verbindungen mehr zwischen den Menschen in West- und Osteuropa. Und nicht nur das: Die Analysen deuten darauf hin, dass die Populationen in beiden Regionen deutlich schrumpften.
"Dieser drastische demografische Wandel wurde wahrscheinlich durch massive Klimaveränderungen verursacht", sagt Rathmann. Das vorrückende Eis hatte die Menschen nach Süden getrieben und die einzelnen Populationen zunehmend voneinander isoliert.
Das führte zum Verlust der genetischen Vielfalt und bedrohte schließlich den Fortbestand der menschlichen Spezies im Westen Europas. Ganze Populationen starben vor rund 20.000 Jahren aus - bis die Temperaturen nach dem Späten Pleniglazial wieder anstiegen. Dann kehrte der Homo sapiens zurück auf die Bildfläche.