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Merkel legt sich mit Europa an

Heute Redaktion
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Unmittelbar vor dem EU-Krisengipfel ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ungewöhnlich scharf auf Konfrontationskurs zur EU-Spitze um Ratspräsident Herman Van Rompuy gegangen. In ihrer Regierungserklärung im deutschen Bundestag äußerte sie am Mittwoch scharfe Kritik an einem Papier zur Bewältigung der Schuldenkrise, das eine Gruppe um Van Rompuy als Grundlage für den Gipfel in Brüssel vorgelegt hat. Für das Krisenland Spanien wird die finanzielle Belastung indessen immer dramatischer.

"Ich widerspreche entschieden der in dem Bericht niedergelegten Auffassung, dass vorrangig der Vergemeinschaftung das Wort geredet wird", sagte Merkel. Erst an zweiter Stelle würden Kontrolle und einklagbare Verpflichtungen genannt. "Somit stehen Haftung und Kontrolle in diesem Bericht in einem klaren Missverhältnis."

Merkel: "Wir brauchen ein Mehr an Europa"

Bei einem Treffen am Abend mit Frankreichs Präsidenten Francois Hollande in Paris äußerte sich Merkel eher zurückhaltend. "Ich sage: Wir brauchen ein Mehr an Europa, und darin sind wir uns einig. Wir brauchen ein Europa, das funktioniert."

"Und wir brauchen ein Europa, das sich gegenseitig hilft." Beide berichteten, dass es Fortschritte bei der Suche nach Auswegen aus der Euro-Krise gegeben habe. Hollande sprach von "Integration so viel wie nötig und Solidarität so viel wie möglich." "Wir wollen, der eine wie die andere, die Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen, und morgen die politische", sagte er.

Das Treffen diente der Vorbereitung des Gipfels der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Merkel und Hollande haben zum Teil unterschiedliche Positionen in der Krise. Der Staatspräsident sieht im Gegensatz zur Kanzlerin Eurobonds zumindest langfristig als geeignetes Mittel, um Spekulationsgeschäfte gegen Eurostaaten zu unterbinden.

Diskussion um Machtverzicht eröffnet

An dem Einladungsschreiben zum Gipfel nach Brüssel hatten neben Van Rompuy auch Kommissionschef Jose Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mitgewirkt.

Darin wird eine Diskussion um einen historischen Machtverzicht der nationalen Regierungen und Parlamente eröffnet. Es schlägt eine strikte Kontrolle der nationalen Haushalte, eine Kontrolle der Banken durch EU-Aufseher und mittelfristig eine Vergemeinschaftung der Schulden vor.

Debatte um Finanzplanung

Das europäische Spitzentreffen beginnt mit einer Debatte über die höchst umstrittene Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020. Schon am Donnerstag soll dann ein Wachstumspakt beschlossen werden, der Ausgaben in Höhe von 130 Milliarden Euro vorsieht. Dabei handelt es sich zu einem großen Teil um ohnehin bereits vorgesehene Ausgaben. Hinzu kommen neue Kredite der Europäischen Investitionsbank (60 Milliarden Euro) und Projektanleihen von etwa 18 Milliarden Euro.

Bankenunion soll kommen

EU-Kreise rechneten auch mit einer Einigung über die sogenannte Bankenunion, die eine europäische Bankenaufsicht, die gemeinsame Sicherung der Einlagen sowie eine von den Banken selbst finanzierte Rettungseinrichtung vorsieht. Dies könnte Ende 2013 in Kraft treten.

Diplomaten sagten in Brüssel, bei dem Gipfel werde es auch um kurzfristige Maßnahmen zur Absicherung der Eurozone gehen. Im Kern geht es darum, den Druck von Spanien und Italien zu nehmen, die hohe Zinsen für ihre Anleihen zahlen müssen. Italiens Ministerpräsident Mario Monti hatte Anleihenkäufe durch den Krisenfonds EFSF ins Spiel gebracht.

Spanien warnt

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy erhofft sich vom EU-Gipfel einen Befreiungsschlag, der die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone aus der schlimmsten Not rettet. Sein Land könne den Staatshaushalt zu den jetzigen Bedingungen nicht mehr lange Zeit finanzieren, warnte der Regierungschef im spanischen Parlament. Die Zinssätze, die derzeit für spanische Staatsanleihen fällig würden, seien für das Land nicht mehr lange bezahlbar.

Die Finanzminister der 17 Euro-Staaten berieten in einer Telefonkonferenz über die aktuelle Lage. Spanien hatte den Antrag auf Hilfe erst am Montag nach Brüssel geschickt. Die Euro-Partner stellten bereits bis zu 100 Milliarden Euro in Aussicht - ein genauer Betrag steht noch nicht fest.

APA/red.