Österreich

Spielplätze bleiben zu, keine Öffi-Maskenpflicht

Heute Redaktion
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Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Video-Interview mit "Heute".
Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Video-Interview mit "Heute".
Bild: heute.at

In der Corona-Krise fordert Wiens Stadtchef Ludwig im "Heute"-Interview von der Regierung einen "realistischen Zugang" sowie klare Worte. Und: Die Spielplätze bleiben zu!

Wie zufrieden ist Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) mit der Krisen-Arbeit der türkis-grünen Bundesregierung? Was hält Ludwig von der Maskenpflicht (Achtung Spoiler: nicht viel), wie corona-fit ist Wien und worauf freut er sich privat am meisten, wenn wir in vermutlich erst vielen Monaten unser "altes Leben" zurückbekommen? "Heute" traf den Stadtchef zum Interview - natürlich unter Einhaltung aller Corona-Regeln, per Video-Konferenz. Das wichtigste Gebot - mindestens einen Meter Abstand - übererfüllten wir sogar gewaltig. Distanz Home Office - Rathaus: knapp neun Kilometer Luftlinie. Und für den Wiener Bürgermeister - wie immer mit Anzug und Krawatte - tauschte der "Heute"-Reporter sein übliches Teleworking-Outfit (Jogginghose und T-Shirt) gegen Jeans und Hemd.

Nach einem kurzen Plausch über den Hometrainer im Home-Office-Hintergrund - ja, ich benutze ihn wie die meisten hauptsächlich als Kleiderständer - stürzten wir uns auf die Fragen:

Das Interview als Video:

"Heute": Herr Bürgermeister, Sie fordern die Öffnung der Bundesgärten. Die zuständige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger lehnt das vehement ab, wirft ihnen vor, eine "grob fahrlässige Kampagne" zu fahren und "politisches Kleingeld" zu wechseln.

Michael Ludwig: "Es ist für uns nicht einsichtig, warum in unserer Stadt 230 Hektar Grünfläche abgesperrt sind. Und zwar in einer Phase, in der die Wienerinnen und Wiener dringend Raum benötigen. Das entspricht der Größe des Bezirks Margareten. Es ist bedauerlich, dass wir als Stadt Wien in der Lage sind, 1.000 Parks zu verwalten und diese der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, sich die Bundesregierung aber weigert, ihre zu öffnen.

Die Regierung selbst macht ja Werbeclips, in denen sie Spaziergänge im Freien - unter Einhalt der wichtigsten Regel, nämlich der des Abstands - ausdrücklich gestattet. Das ist für den Gesundheitszustand der Bevölkerung ja auch sehr wichtig. Und Abstand halten ist ja einfacher, wenn man mehr Raum zur Verfügung hat. Wir bleiben hier jedenfalls dran. Ich kann mir ja schwer vorstellen, dass die Habsburger die Parks geöffnet haben und die jetzige Bundesregierung die Wiener Bevölkerung jetzt wieder aus den Parks aussperrt. Dass gerade jetzt, wo die Wetterbedingungen besser werden, dass die Menschen dann durch den Zaun durchschauen müssen in Schönbrunn, im Belvedere, im Augarten - das halte ich ehrlich gestanden für nicht nachvollziehbar."

"Heute": Eine der Begründungen ist ja, dass die Eingänge zu schmal sind, sich die Menschen da zu nahe kommen würden...

Michael Ludwig: "Die sind bei Supermärkten noch schmäler. Also das werden wir hoffentlich bewältigen können. Aber wir bieten uns gerne an: Wenn die Bundesgärten nicht in der Lage sind, das zu verwalten, bieten wir gerne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die sich darum kümmern."

"Heute": Aus dem Grund, warum sie die Bundesgärten geöffnet haben wollen - nämlich um Platz für den Corona-Spaziergang im dicht bebauten Gebiet zu vereinfachen - will Vize-Bürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) manche Straßen für Fußgänger sperren und Autos dort ausbremsen. Dort bremst aber die SPÖ. Warum?

Michael Ludwig: "Mir ist wichtig, dass wir für die Wiener Bevölkerung die besten Entscheidungen treffen und den Wienerinnen und Wienern die beste Unterstützung in dieser ohnedies bereits sehr fordernden Zeit bieten. Und genau deshalb haben wir auch alle Wiener Parks und Grünflächen – vom Prater bis zur kleinsten Grätzl-Oase geöffnet. Und es ist einfach nicht einzusehen, warum den Menschen der Zutritt zum Augarten, dem Burggarten, dem Volksgarten und dem Belvederegarten sowie dem Schlosspark Schönbrunn verwehrt wird. Hier leben im direkten Umfeld mehr als 100.000 Menschen.

Gleichzeitig sind wir aber auch darum bemüht, dass wir – gerade wenn die Beschränkungen in unser aller täglichem Alltag weiter anhalten, zusätzliche Bewegungsräume für die Bevölkerung bereitstellen können. Das können private Grünflächen oder vielleicht auch Straßenzüge sein. Aber: All diese Maßnahmen müssen wohlüberlegt sein und sie dürfen sich nicht zum Nachteil auswirken.

"Heute": Im Gegensatz zu den Bundesgärten kommt hier nun Schützenhilfe vom Bund. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) will die Straßenverkehrsordnung so ändern lassen, dass Städte und Gemeinden leichter Straßen sperren dürfen. Das ist Teil des dritten Corona-Gesetzespaketes, das am Freitag im Parlament beschlossen wird.

Michael Ludwig: "Bei allem Verständnis: Jede Erleichterung, die eine Verbesserung für die Bevölkerung bringt, ist zu begrüßen. Und es geht darum, dass wir Vereinfachungen und Verbesserungen schaffen. Die einfachste ist: Sperren wir endlich die Gärten auf! Alles andere ist doch Zynismus."

"Heute": Ab 6. April gilt ja Maskenpflicht in Supermärkten. Was halten Sie davon?

Michael Ludwig: "Ich finde es interessant, dass die Bundesregierung diese Maßnahme setzt. Ich gehe davon aus, dass sie sich auch gekümmert hat, dass die Menschen in ausreichender Anzahl Masken bekommen können. Denn es geht ja immer darum, dass man den Menschen die Sicherheit bietet, dass man das, was man vorschreibt, auch entsprechend einlösen kann. Bei Masken ist es ja wichtig, dass man sie richtig auf- und absetzt, sich dabei nicht mit den Fingern ins Gesicht fährt usw., weil sonst eine noch höhere Gefährdung entsteht.

Wenn das gut angenommen wird, bin ich aber der Meinung, dass man auch kleinen Geschäften das Öffnen wieder ermöglichen sollte. Die sind sonst wirtschaftlich völlig erledigt. Wenn man da nicht bald zu einer Lösung kommt, wird das eine so tiefe Schneise in Wirtschaft und Gesellschaft schlagen, dass da vieles nicht mehr umkehrbar ist. Und es wird viel individuelles Leid auslösen. Und es ist auch nicht einzusehen, denn wenn tatsächlich die Bevölkerung so diszipliniert agiert wie wir das sehen, wird es möglich sein, dass die Kunden einzeln die Geschäfte betreten."

"Heute": Wie zufrieden sind Sie mit der Corona-Disziplin der Wiener?

Michael Ludwig: "Wenn man von wenigen Ausnahmen absieht, ist die Wiener Bevölkerung hier außerordentlich diszipliniert - wofür ich mich sehr bedanken möchte. Und auch als Stadt unterstützten wir die Maßnahmen des Bundes mit allen unseren Möglichkeiten."

"Heute": Wie schaut es mit den Kapazitäten in den Spitälern aus?

Michael Ludwig: "Wir haben zeitgerecht Vorsorge getroffen. Wir haben 10.000 Spitalsbetten, 700 Intensivbetten, davon ist ein Viertel frei für besonders starke Coronafälle und wir haben zusätzlich Kapazitäten geschaffen für leichtere Fälle. Zum Beispiel in der Messe Wien, wo wir sehr schnell 880 Betten aufgestellt haben in Zweier-Kojen, damit wir die Spitalsbetten für schwer und schwersterkrankte Patienten freihalten können. Wir denken hier immer schon an den übernächsten Schritt."

"Heute": Und wenn die 880 Betten in der Messe Wien nicht ausreichen?

Michael Ludwig: "Wir haben Möglichkeiten, die Betreuungseinrichtung in der Messe Wien zu erweitern. Auch hier arbeiten wir bereits daran. Ich werde als Wiener Bürgermeister alles daran setzten, dass wir nicht in eine Situation wie in Frankreich kommen, wo ältere Erkrankte nicht mehr versorgt werden."

"Heute": Wien hat ja - freiwillig - die Spielplätze gesperrt. Werden sie wieder geöffnet?

Michael Ludwig: "Man kann Kinder beim Spielen ja nicht trennen. Es besteht die Gefahr, dass sich Kinder anstecken, ihre Eltern und - was noch schlimmer ist - ihre Großeltern dann mit dem Virus infizieren. Daher sind die Spielplätze geschlossen und bleiben es auch bis wir davon ausgehen gehen können, dass es eine Entspannung gibt."

"Heute": Können Sie sich vorstellen auch die Parks zu sperren?

Michael Ludwig: "Nein. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, zumindest einen Teil ihrer Freizeit an der frischen Luft zu verbringen. Unter Einhaltung aller Regeln wie Abstand, etc. Wenn sie über Wochen oder Monate eingesperrt sind, wird sich das auf die Gesundheit auch nicht positiv auswirken. Ihnen das zu untersagen halte ich für ein menschliches aber auch gesundheitliches Problem."

"Heute": Wie schaut es mit den gesperrten Mistplätzen aus? Schließlich haben die Menschen jetzt Zeit auszumisten.

Michael Ludwig: "Zuerst danke ich der MA 48 sehr, dass sie auch unter schwierigsten Bedingungen dafür sorgt, dass der Mist zeitgerecht überall entsorgt wird. Ich höre da keine Beschwerden aus der Bevölkerung, das funktioniert vorbildlich - auch im internationalen Vergleich. Das gilt im übrigen für die gesamte kommunale Wirtschaft.

Ich bin da sehr stolz, dass in unserer Stadt trotz schwierigster Rahmenbedingungen alles vorbildlich funktioniert - von den Öffis bis zu Verwaltung und Betreuung von Projekten die wir jetzt umgesetzt haben. Stichwort Notfallnummer für Menschen, die sich nicht selbst versorgen können, oder die Taxiaktion für 300.000 Menschen über 65, die hier die Möglichkeit haben, einen Taxigutschein über 50 Euro zu beziehen, um Besorgungen erledigen zu lassen oder einen Arztbesuch zu machen. Die Mistplätze bleiben aber aufgrund der Corona-Verordnungen weiterhin geschlossen.

"Heute": Apropos Öffis: Kommt eine Maskenpflicht in Bus, Bim und U-Bahn?

Michael Ludwig: "Die Auslastung ist um 80 Prozent zurückgegangen. Von daher gibt es die Möglichkeit, dass man hier den Sicherheitsabstand gut einhalten kann und es gibt hier eine hohe Disziplin der Wienerinnen und Wiener. Man wird sehen, welche Maßnahmen die Bundesregierung als nächstes trifft. Aber derzeit ist keine Maskenpflicht in den Öffis vorgesehen.

Es ist auch immer Frage, welche Möglichkeiten man hat, Masken zu beziehen. Da bin ich überzeugt, dass die Bundesregierung noch Quellen hat, die sie dann der Bevölkerung zur Verfügung stellen wird... Wenn man Maßnahmen setzt wird man sich ja auch darum kümmern, wie das eingelöst werden kann. Da wird man Millionen Masken brauchen."

"Heute": Wie ist die Masken- und Schutzausrüstungs-Situation in den Wiener Spitälern? Von Seiten der Ärzte und Pfleger hört man Kritik.

Michael Ludwig: "Primär wurden jene Mitarbeiter ausgestattet, die unmittelbar mit Corona-Erkrankten zu tun hatten. Jetzt wollten natürlich auch andere, die nicht unmittelbar hier tätig sind, ebenfalls Masken. Wir haben aber alles daran gesetzt, international Masken zu besorgen. Wir bekommen in den nächsten Tagen eine größere Lieferung an FFP2- und FFP3-Masken, die jetzt noch am Flughafen Istanbul ist, um die Mitarbeiter in den Spitälern aber auch Blauchlichtorganisationen zu versorgen.

"Heute": Wie Corona-fit ist Wien?

Michael Ludwig: "Die weitere Entwicklung ist natürlich schwer abzuschätzen. Aber ich glaube, wir sind gut vorbereitet und haben alles getan, um zur richtigen Zeit auch die richtigen Maßnahmen zu setzen.. Wichtig ist, dass wir neben den gesundheitlichen Aspekten, auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft sehen.

Auch hier haben wir ergänzend zu den Maßnahmen der Bundesregierung eine Reihe von Akzenten gesetzt. Wir haben ein Wirtschaftspaket geschnürt, vor allem um Ein-Personen-Unternehmen zu unterstützen, sowie Klein- und Mittelunternehmen, haben spezielle Fördersysteme für Kulturschaffende geschaffen, etc. Wir bemühen uns als Stadt überall dort zu helfen, wo wir auch dazu kommen. Und wir versuchen auch Wissenschaft und Forschung zu unterstützen.

"Heute": Wie zufrieden sind Sie mit dem Krisenmanagement der Regierung?

Michael Ludwig: "Die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung ist eine sehr intensive und enge. Wir haben regelmäßig Videokonferenzen, wo wir - die Landeshauptleute - auch regionale Unterschiede diskutieren sowie die gravierenden Auswirkungen auf Regionen und Gemeinden. Es gibt natürlich immer Verbesserungsmöglichkeiten. Aber das sage ich dort, wo's hingehört, um keine Irritationen in der Bevölkerung auszulösen. Es gibt einen nationalen Schulterschluss, wir arbeiten da sehr eng zusammen. Man muss die Maßnahmen ganz genau abwägen, nicht nur die Gesundheit, sondern auch den Arbeitsmarkt, Wirtschaft und die sozialen Auswirkungen bedenken. Ich habe daher nun auch einen psychosozialen Arbeitskreis eingerichtet, der sich damit beschäftigt "Was macht das mit den Menschen?" Wird es mehr Aggression geben? Wird es mehr Depression geben? Was hat das für Auswirkungen auf den Familienverband? Diese Auswirkungen werden auch nach der Krise nicht abgeschlossen sein sondern uns lange Zeit beschäftigen.

"Heute": Und die Krisenkommunikation?

Michael Ludwig: "Ich dränge sehr auf einen realistischen Zugang. Denn wenn man den Menschen immer vorgaukelt, nächste Woche ist alles zu Ende, dann wird Frustration entstehen, wenn Erwartungen ständig enttäuscht werden. Und wenn es tatsächlich länger dauert, dann muss man auch mit den Auswirkungen so umgehen, dass man den Menschen zumindest die Möglichkeit bietet, zumindest einen gewissen Teil ihres regulären Lebens leben zu können.

Für viele Menschen hat ja die Hoffnung bestanden, dass es nach den Osterfeiertagen wieder zu einem regulären Leben kommt. Diese Erwartungshaltung ist natürlich enttäuscht worden. Wenn man jetzt die Menschen darauf einstellt, auf mehrere Wochen, vielleicht mehrere Monate, muss man natürlich einen realistischen Blick auf die Umsetzung lenken. Von da her bin ich immer dafür gewesen, den Menschen ehrlich entgegen zu treten."

"Heute": Wie schaut Ihr Arbeitsalltag derzeit aus? Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sagte kürzlich im "Heute"-Interview, er trinke täglich über zehn Espressi.

Michael Ludwig: Es hat sich im Wesentlichen nicht viel geändert. Die Außentermine sind fast weggefallen, es ist das Phänomen der Video-Konferenz dazu gekommen. Der persönliche Kontakt, den wir sehr schätzen, fällt halt leider weg. Der Alltag hat sich mehr ins Netz und den elektronischen Bereich verlagert. Mein Kaffeeverhalten hat sich nicht geändert, aber viel unter zehn Espressi liege ich auch nicht.

"Heute": Worauf freuen Sie sich nach der Coronakrise persönlich ganz besonders?

Michael Ludwig: Vor allem wieder auf viele zwischenmenschliche Kontakte, die jetzt nur auf elektronischem Weg möglich sind. Auf die direkte Kommunikation. Und dass ich dann wieder viele Wienerinnen und Wiener wieder fröhlich die Straßen und die Parkanlagen gehen sehe.

"Heute": Ihr Tipp, um die derzeitige Lage gut zu überstehen?

Michael Ludwig: "Den Humor nicht zu verlieren ist jetzt glaube ich ganz wichtig. Wir sind gerade in einer schwierigen Phase, aber es geht ja immer irgendwie weiter. Die Wienerinnen und Wiener sind Stehaufmandln und von da her bin ich überzeugt, dass wir auch diese schwere Krise gemeinsam gut durchstehen. Es zeigt sich jetzt viel Solidarität, viel Füreinanderdasein. In der Krise zeigt sich der Charakter, hat der ehemalige deutsche Kanzler Helmut Schmid gesagt. Und erfreulicher Weise haben die Wiener einen sehr guten Charakter. Durch die Krise kann auch viel positives geschehen."