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Michelle (17) löst Mobbing-Lawine auf Tiktok aus

Influencerin Michelle Melody bezeichnete die Protagonisten eines Weihnachtsvideos als hässlich. Tiktoker sind entsetzt und schlagen zurück.

Heute Redaktion
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Die 17-jährige Jennifer Vorfi und ihre Freunde hatten zu Weihnachten auf Tiktok ein Video voller guter Wünsche gepostet. "Schöne Weihnachten" wünschen darin rund ein Dutzend Tiktoker. "Wir wollten unseren Followern mit dem Weihnachtsvideo eine kleine Freude machen", sagt Vorfi.

Doch zurück kam viel Hass: "1 hässlicher als de ander", schrieb Influencerin Michelle Melody im Weihnachtsvideo, das sie in den sozialen Medien verbreitete (siehe Video oben). Auch verglich die in der Schweiz geborene Deutsch-Belgierin mit 77.000 Followern Schweizer Tiktoker mit Totenköpfen und spottete, dass diese maximal 30.000 Follower hätten. Bekanntheit erlangte Melody durch einen Dok-Film, in dem sie über ihre aufgespritzten Lippen plauderte und ihre Schubladen voller Make-up öffnete.

"Video durch den Dreck gezogen"

Über die Festtage machte sich bei Jennifer Vorfi und ihren Freunden großes Entsetzen breit. "Es macht uns wütend, dass sie ein Video, in das ich so viel Zeit investiert habe, derart durch den Dreck gezogen hat. Das ist einfach respektlos", sagt Vorfi zu "20 Minuten". Zudem habe sie Mütter beleidigt, die im Video vorkommen. Auch M.P.*, die im Weihnachtsvideo mitgemacht hat, sagt: "So etwas geht überhaupt nicht. Wir alle ohne 1.000 Kilo Make-up sind viel schöner als du", so die 17-Jährige.

Eine andere Protagonistin sagt, dass sie Michelle Melody "echt sympathisch" gefunden habe, nun aber ihre Videos nicht mehr schauen könne. "Sie bezeichnet uns Schweizer Tiktoker als hässlich. Nur weil wir unsere Lippen nicht gespritzt und unsere Titten nicht gemacht haben. Nur weil wir nicht einen Meter lange Lashes und Augenbrauen wie ein Nike-Zeichen haben."

Liz Steele (21) wünscht sich, dass die Mobberei und der Streit wegen des Videos aufhören. "Es ist auch viel schöner, wenn man auf Tiktok normal miteinander reden kann." Auch Tiktoker, die nicht im Video vorkommen, kritisieren in Meinungsposts die Influencerin.

Bekanntheit erlangte Michelle Melody durch einen Dok-Film.

Kritik an Tiktoker

Jennifer Vorfi vermutet, dass Michelle Melody das Hass-Video gepostet hat, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. "Mit einem Video, in dem sie so viele Leute beleidigt, kann sie natürlich damit rechnen, dass wir uns dazu äußern, wodurch sie mehr Reichweite gewinnt."

Einige User kritisieren aber auch die entsetzten Tiktoker. "Man merkt, wie klein ihr werdet, wenn jemand mit größerer Reichweite mal was dazu sagt", schrieb eine Userin in einem Post, den Melody auf ihrem Profil teilte. Sie seien peinlich. "Ich verteidige hier niemanden, weil ich weder Michelle kenne, noch was mit ihr zu tun hab." Tiktok sei allgemein eine hasserfüllte Plattform. Gegenüber "20 Minuten" hat Melody bisher keine Stellung genommen. In einer Insta-Story antwortete sie auf die Frage ihrer Follower, was sie zu dem ganzen Hate sage: "nichts."

"Sie hat sich bei mir entschuldigt"

Tiktokerin itsphoebely, die von ihr ebenfalls beleidigt wurde, verzeiht der Influencerin. "Ich habe es mit Michelle Melody geklärt. Sie hat sich bei mir entschuldigt", sagt itsphoebely in einem Post. Menschen machten Fehler. "Man sollte nicht so lange wütend sein, denn jeder hat eine zweite Chance verdient." Sie habe sie immer toll gefunden und nur weil sie einmal Unsinn gemacht habe, fange sie Melody nicht zu haten an.

Auch Alessia Steffen sagt, sie habe sich im Netz bewusst nicht dazu geäußert. "Ich finde es nicht gut, was Michelle getan hat, aber auch nicht in Ordnung, dass sehr viele Tiktoker Michelle auch im Netz fertig gemacht haben", so die 19-jährige Mutter, die auch Teil des Videos war. Konflikte müsse man untereinander klären und nicht im Netz.

*Name der Redaktion bekannt.



"Gegenangriffe heizen Konflikte nur an"

Frau Rinderknecht*, haben die attackierten Tiktoker aus dem Weihnachtsvideo auf den Hass gut reagiert?

Es tut einem leid, was der Gruppe passiert ist: Sie drehten mit einer guten Absicht ein Video und wurden danach von einer Influencerin als hässlich bezeichnet. Es ist verständlich, dass die Betroffenen wütend wurden und sich wehrten. Doch leider heizen Gegenangriffe Konflikte nur an.

Wie hätten sie dies vermeiden können?

Am besten ist, wenn man Hass-Posts einfach übergeht. Schließlich wollen die Absender damit meist nur Aufmerksamkeit generieren. Möchte man doch reagieren, wäre im Falle der Gruppe des Weihnachtsvideos eine gemeinsame Reaktion empfehlenswert gewesen. Sie hätten zusammen in einem Video humorvoll darauf reagieren können. Auch hätten sie daran erinnern können, dass doch niemand Streit haben wolle. So hätten sie dem Ganzen einen würdigen Schlusspunkt setzten können.

Und wenn die Gefühle der Wut und Verletzung stärker sind?

Am besten sagt man der Person dann direkt, dass einen die Beleidigungen getroffen haben. Das löst Mitgefühl und oft Einsicht aus. Schlägt man stattdessen mit den gleichen Waffen zurück, gerät man in eine Spirale von Hass. Wichtig ist, dass man sich mit Freunden austauscht oder mit einer Fachperson bespricht, um sich nicht allein damit zu fühlen.



*Beatrice Rinderknecht ist Mediatorin im Lilie-Zentrum in Schlieren ZH.