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Mindestsicherung: Hacker zeigt Bund die lange Nase

Heute Redaktion
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Rot-blauer Zwist um die Umsetzung der Mindestsicherung Neu in Wien: (v.l.n.r.) Sozialstadtrat Peter Hacker und der Freiheitliche Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl.
Rot-blauer Zwist um die Umsetzung der Mindestsicherung Neu in Wien: (v.l.n.r.) Sozialstadtrat Peter Hacker und der Freiheitliche Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl.
Bild: picturedesk/PID/FPÖ Wien

Bis 1.1.2020 muss Wien die Mindestsicherung Neu in Landesrecht übertragen. Die Stadt wartet auf die Entscheidung des VfGH, die FPÖ drängt auf Umsetzung.

Der Streit um Mindestsicherung Neu geht in die nächste Runde. Der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Reform ablehnt. Im heurigen Jänner hatte Hacker angekündigt, die neue Mindestsicherung nicht umsetzen zu wollen, sollten keine "umfassenden Reparaturen" kommen, "Heute" hat berichtet.

Beschlossen wurde das Gesetz durch ÖVP und FPÖ im April dennoch, mehrere Bundesländer – darunter Wien – brachten beim Verfassungsgerichtshof (VfGh) eine Verfassungsklage ein. Diese verzögert nun auch die Überführung der Sozialhilfe neu in Länderrecht. Doch die Zeit drängt, denn bis 1.1.2020 müssen die Bundesländer die Mindestsicherung neu beschließen.

Nur noch eine Landtagssitzung vor Ablauf der Frist

Doch das könnte nun eng werden: Denn planmäßig tritt der Wiener Landtag nur noch einmal vor dem Stichtag zusammen, dieser Tag ist der kommende Mittwoch. Thema wird die Mindestsicherung neu auf jeden Fall sein, dafür sorgt ein Dringlicher Antrag der FPÖ Wien. Sie wollen wissen, warum es nach wie vor keinen Entwurf für ein Ausführungsgesetz für die neue Sozialhilfe gebe, erklärt der freiheitliche Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl im Gespräch mit "Heute".

"Schon in der letzten Ausschusssitzung am 8. November habe ich gefragt, wann Wien das Ausführungsgesetz zur Mindestsicherung Neu vorlegen wird. Die Antwort von Stadtrat Hacker war, dass er das nicht bräuchte, weil Wien ein bereits Mindestsicherungsgesetz hat – das sei auch die Meinung seiner Juristen", so Seidl.

Die FPÖ sieht die Lage anders: "Unsere Juristen sagen, Hacker muss einen Gesetzesentwurf vorlegen, weil Änderungen zum derzeitigen Wiener Mindestsicherungsgesetz kommen müssen. Und zwar mit Anfang des nächsten Jahres", so Seidl.

Aus Sicht der FPÖ sei die Nichtumsetzung eines im Nationalrat beschlossenen Gesetz in Wien zumindest als Amtsmüdigkeit oder Realitätsverweigerung seitens des Sozialstadtrats zu deuten. "Wir leben in keiner Bananenrepublik, wo mehrheitlich beschlossene Gesetze von selbstverliebten Stadträten/Landesräten einfach nicht umgesetzt werden, weil einem das eine oder andere nicht gefällt", unterstreicht Seidl.

Hacker hatte bisher stets an die Anrufung des Verfassungsgerichtshof erinnert und wollte auf dessen Entscheidung warten. "Wenn der Stadtrat meint, dass er die Mindestsicherung neu deswegen nicht umsetzen muss, ist das kompletter Unsinn. Hacker glaubt als Nichtjurist offenbar schon jetzt zu wissen, was der VfGH irgendwann einmal entscheidet – selbstverliebter und inkompetenter geht's nicht mehr", kritisiert Seidl.

Nur NÖ und OÖ haben Ausführungsgesetze beschlossen

Mit dem Standpunkt auf die Entscheidung des VfGh warten zu wollen, steht Wien aber nicht alleine da. Auch Salzburg, die Steiermark und Vorarlberg haben massive Bedenken gegen das Gesetz und verweisen auf die derzeit laufende Verfassungsklage. Erst dann will man über eine Umsetzung reden.

In Landesrecht überführt wurde die neue Sozialhilfe überhaupt erst durch zwei Bundesländer, Niederösterreich und Oberösterreich.

Erst in der Vorwoche hatte Salzburgs Sozialreferent und stellvertretender Landeshauptmann Heinrich Schellhorn (Grüne) betont, das Land werde vorerst auch kein Ausführungsgesetz beschließen. Zudem erklärte Landesrat Schellhorn, wie auch seine Amtskollegen aus Vorarlberg und der Steiermark, dass ein etwaiges neues Gesetz allein aufgrund der aufwändigen technischen Umsetzung frühestens mit Juni 2020 in Kraft treten könne.

Wien sieht keinen Grund zur Eile

"Wir sehen wie andere Bundesländer keinen Grund zur Eile und werden das Erkenntnis des VfGH abwarten, bevor wir weitere Schritte setzen. Denn erstens gehen wir davon aus, dass einige wesentliche Bestimmungen verfassungswidrig sind und daher aufgehoben werden – wie etwa der Arbeitsqualifizierungsbonus, die degressive Staffelung bei den Leistungen für Kinder sowie die Deckelung der Unterstützung bei WGs. Völlig offen ist zudem, wie die nächste Bundesregierung mit dem Grundsatzgesetz verfahren wird", heißt es im Büro von Stadtrat Hacker.



Zudem habe Wien ein gültiges und verfassungskonformes Wiener Mindestsicherungsgesetz, auf das sich die Wienerinnen und Wiener verlassen könnten. Die Mindestsicherung in Wien funktioniere, es hänge niemand in der Luft, wird betont.

Präzedenzfall - Rechtliche Konsequenzen bleiben unklar

Was passiert, wenn die Sozialhilfe neu nicht zeitgerecht durch die Bundesländer umgesetzt werden, bleibt unklar. Denn eine Situation wie diese ist in Österreich einmalig. Derzeit befassen sich zahlreiche Juristen mit der Frage, ob dann Strafzahlungen oder Ähnliches fällig werden.