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Mit der Luxus-BMW auf heimischen Highways

Das BMW-Sondermodell "Grand America" ist ein Kraftrad, das zuverlässig Freude spendet. Außer man trifft auf einen schwarzen Audi.

Heute Redaktion
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Ein herkömmlicher Motorradtest von"Heute" besteht bekanntlich aus lebensverneinenden Vollgas-Prüfungen, einprägsamen Vollbremsungen und anschließenden Unterhaltungen mit der interessierten Exekutive. Aber nicht heute. Heute ist alles anders, denn die „BMW K 1600 Grand America" steht am Testprogramm. Heute sind wir nobel.

Ein Kraftrad mit Stil

Diese Bayrische ist kein Bike, mit dem man in der Früh um die Milch fährt. Allein schon ihr Aussehen und ihre stämmigen 340 Kilo flößen Respekt ein. Das Eisen hat Stil. Die Grand America ist das heurige BMW-Luxus-Sondermodell, rund 30.000 Euro werden für das exklusive Schiff vom BMW-Händler ihres Vertrauens dankend entgegen genommen. Also praktisch eh nix - für Zahnärzte, Unternehmer, Anwälte oder höhere Verwaltungsbeamte.

Die 1.649 Kubik

Zu den Facts: Der 1.649 Kubikzentimeter-Motor, der in sechs Reihenzylindern 160 Pferde bändigt, ist beeindruckend und fährt sich auch so. 1.649 Kubik reichen normal für 33 Mopeds, jeder einzelne BMW-Zylinder inhaliert pro Umdrehung mehr als einen Viertelliter Gemisch, jeder Zylinder wird von vier Ventilen gesteuert. Das gibt Kraft.

Die üppige Ausstattung



Beeindruckend ist auch die Ausstattung der Grand America. Sie hat alles, was man braucht und einiges, was man eigentlich nicht so braucht. Die elektronische Fahrwerkseinstellung, ein elektrisch verstellbares Windschild, Rückwärtsgang, Schaltassistent, Tempomat, automatisch wechselndes Abblendlicht, zwei Koffer mit viel Raum und ein Topcase samt Rückenlehne für den Beifahrer sowie vorgelagerte Trittbretter für den Fahrer machen die BMW Grand America zu einer Art Rolls Royce auf zwei Rädern. Das ist noch lang nicht alles, Extras gibt es bis zum Abwinken.

Die heiße Heizung



Beheizte Griffe und Sitzheizungen für Fahrer und Beifahrer sind ja für die Harten ganz ok. Andererseits kann ein Biker-Hintern bei 26 Grad Außentemperatur ziemlich heiß werden, wenn man nicht gleich weiß, wie man die Heizung abstellt. Soll sein.

Aber bitte: Wer braucht Zentralverriegelung am Motorrad? Oder integrierte Leuchten am Topcase? Oder integrierte Luftleitsysteme für Frischluft? Oder ein Radio, wenn man den Helm auf hat?

Eben. Anzumerken ist aber, dass ein Aschenbecher fehlt.

Keine Sicherheitsgurte

Die Gattin fragte beim widerwilligen Aufsteigen, wo die Sicherheitsgurte sind. Eine klare Verhöhnung. Sie darf das, denn sie fährt privat eine XT 500 mit Silbertank. Und schwarzem Kennzeichen. Für sie sind zweisitzige Motorräder an sich eine Fehlkonstruktion, bedeutende Biker haben ihr schon Recht gegeben. Am rollenden bayrischen Sofa gilt das aber nicht.

Die amerikanische Art

Die Grand America soll laut BMW „die amerikanische Art des Reisens" vermitteln. Aha. Also versucht man als Wiener sein Glück straight in Richtung Wolkersvillage. Here we go. Ab Mistelcreek ist dann klar: Welcome to the USA, oder so. Und wirklich: Die Fuhre rollt traumhaft. Der Motor dreht, dass es eine Freude ist. Born to be wild, die Sonne scheint und überhaupt, jawoll. Thanks Beamer.

Der schwarze Audi



Dieses Glücksgefühl hielt bis zum schwarzen Audi an. Der sollte über die natürliche Ordnung im Straßenverkehr belehrt werden, weil er das obligate Hinten Einordnen verweigerte. Man gibt also entspannt Gas und rechnet damit, dass es einen am Auto vorbei reißt.

Die Abriegelung

Wahr war aber vielmehr, dass dieses bayrische Triebwerk bei 160 km/h automatisch abriegelt. Dann war Schluss, Pause - und die schwarze Schüssel zog locker davon. Echt. Wahrscheinlich haben sie auch noch hämisch gelacht im Audi. So sind sie.

Frust samt Handlungsbedarf

Das frustriert den Lenker und kann nicht im Sinn unseres neuen Verkehrsministers sein, hier besteht Handlungsbedarf. Wenn 260 auf der Tachoanzeige geschrieben stehen, sollte man sie auch testen können. Kurz jedenfalls. Sonst macht das keinen Sinn.

Das Hier und Jetzt zählt

BMW rechtfertigt das Meucheln dieses Wundermotors mit der Prämisse des „American Way of Riding", schneller als 101 Meilen pro Stunde (162 km/h) brauche man in den USA nicht zu sein. Nur: Was gehen einen österreichischen Kradfahrer die USA an? Das Hier und Jetzt zählt.

Eher verschwurbelt wird dann von BMW aber eingestanden, dass „die in diesem Fahrzeugsegment beliebte Individualisierung durch Zusatzausrüstung im Heckbereich zu einer signifikanten Veränderung der Radlastverteilung führen kann". Schönheit muss leiden, die Nobel-Rodel kann eiern, hätten die Bayern auch sagen können. Aber egal. Man kann nicht alles haben und die BMW bietet genug.

Ein steter Quell der Freude

Trotz allem ist die BMW Grand America ein Freude spendendes Kraftrad – wenn man schwarze Audis gleich hinter Mistelcreek vermeidet.

(GP)