Ukraine

"Mit Putin vernünftig reden" laut Experte nicht möglich

Waffenlieferungen an die Ukraine als Mittel zum Frieden oder Weg noch tiefer in den Krieg? Bei dieser Frage prallten im ORF Welten aufeinander.

Rene Findenig
Zwei Experten, zwei Positionen – und viel Moderationsarbeit für Armin Wolf.
Zwei Experten, zwei Positionen – und viel Moderationsarbeit für Armin Wolf.
Screenshot ORF

Die Ukraine ruft nach immer mehr und immer stärkeren Waffen, um sich gegen die russischen Invasoren verteidigen zu können. Und auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fordert vom Westen weitere Militärhilfen. Dem gegenüber steht nun eine neue Petition von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer mit dem Titel "Manifest für den Frieden". Die Kernforderung, Verhandlungen mit Russland statt Waffenlieferungen an die Ukraine, löst massive Kritik aus, die Petition wurde aber auch bereits von über 420.000 Unterstützern unterzeichnet.

Einer der ersten Unterzeichner: der deutsche Politikwissenschaftler Hajo Funke. Dieser traf am späten Dienstagabend in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf auf den Militärstratege Walter Feichtinger. Dabei prallten zwar Welten aufeinander, am Ende kam man aber zu einer überraschenden Einigung. Er sei gar nicht gegen Waffenlieferungen, eröffnete Funke gleich anfangs und korrigierte damit Moderator Wolf, er sei nur gegen eine "Eskalation durch Waffenlieferungen". Bedeutet: Funke sei für das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und Mittel des Westens dafür, aber gegen die Lieferung von Kampfjets.

Zweifel an Gebietsgewinnen für Ukraine

Zudem sehe Funke nun ein "Fenster für Verhandlungen" mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, ließ er wissen. Das sehe wiederum Militärstratege Feichtinger "skeptisch", weil es von der falschen Grundannahme ausgehe, "dass man mit Putin vernünftig reden" könne. Der Krieg könne nur durch eine erfolgreiche Verteidigung der Ukraine beendet werden, so Feichtinger. Putin habe schon verhandelt und man könne ihn unter Druck setzen, das wieder zu tun, befand dagegen Funke. Er wolle nicht, dass in einem weiteren Jahr Krieg wiederum 250.000 Soldaten auf allen Seiten ihr Leben lassen müssten.

Die Ukraine könne auch den Krieg gegen Russland nicht gewinnen, nur einzelne Schlachten, so Funke. Dabei kam es zu einer überraschenden Einigung: Auch Feichtinger halte es für "unrealistisch", dass die Ukraine das volle Gebiet, wie es vor Kriegsbeginn bestanden habe, innerhalb eines Jahres zurückerobern könne, auch wenn sie an einzelnen Stellen bis zur russischen Grenze vordringen könne. Was Feichtinger aber zu den Verhandlungen sagte: Als Außenstehender würden diese eine Option und gute Forderung sein, als Betetiligter vor Ort lebe man aber in einer anderen Realität.

"Das Bluten und Sterben unterbrechen"

Solange beide Seiten noch an Gebietsgewinne oder gar den kompletten Sieg glauben würden, werde man nicht zu Verhandlungen bereit sein, so der Militärstratege. Außerdem seien Waffenlieferungen der Grund gewesen, warum sich die Ukraine bisher so gut verteidigen konnte und nicht einfach überrannt wurde. "Wir müssen den krieg als Krieg sehen und der Krieg ist furchtbar", hielt Funke dagegen. Absehbar sei eine Pattsituation im Krieg, die "einen großen Blutzoll fordern" werde. Deswegen dränge er darauf, dass man "das Bluten und Sterben unterbrechen" müsse. 

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    Waleri Gerassimow ist der neue Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine. Damit folgt er nach nur drei Monaten auf <a data-li-document-ref="100279119" href="https://www.heute.at/g/-100279119">Sergei Surowikin</a>.
    Waleri Gerassimow ist der neue Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine. Damit folgt er nach nur drei Monaten auf Sergei Surowikin.
    via REUTERS

    Warum aber gerade für die Ukraine Waffenlieferungen vor möglichen Verhandlungen wichtig wären? Würden verhandlungen starten, seien die Grenzen im Land "ziemlich eingefroren", so der Militärstratege. Das könne die Ukraine in der jetzigen Situation, in der sie noch an Gebietsgewinne glaube, nicht wollen und auf der anderen Seite sei wohl auch Putin nicht an Verhandlungen interessiert, solange er glaube, noch Gebietsgewinne erzielen zu können. Bei Funkes Abschlussbemerkung waren sich aber wieder beide Experten einig: Man müsse den Druck auf Putin für eine friedliche Lösung erhöhen, denn Krieg sei das Schlechteste, das man haben könne.