Politik

Nach Polit-Erdbeben nun Neuwahl-Angst bei Blauen

Heute Redaktion
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Bild: Gert Eggenberger (APA)

In der Affäre um illegale Parteifinanzierung in Kärnten ist am Mittwoch der erste Kopf gerollt. Während ÖVP-Chef Josef Martinz nach einem Geständnis vor Gericht zurücktrat, wird der Ruf nach Neuwahlen immer lauter. Doch: Die FPK müsste zustimmen - legt sich jedoch quer. Doch: Notfalls geht es auch ohne blaues Einverständnis. Zeitgleich werden Ermittlungen gegen die FPK aufgenommen.

SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich am Mittwoch in Kärnten und auch im Bund für vorgezogene Neuwahlen im südlichsten Bundesland ausgesprochen. FPK-Landeshauptmann Gerhard Dörfler erteilte dem Ansinnen per Aussendung eine Absage. Die FPK kann jedoch nur einen Weg zu Neuwahlen versperren, jenen über eine formelle Selbstauflösung des Landtags. Ein zweiter - in der Zweiten Republik noch nie angewandter - Weg führt laut Bundesverfassungsgesetz über die Bundesregierung und den Bundespräsidenten.

Für einen Auflösungsbeschluss im Landtag ist die Anwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten nötig, in der Abstimmung ist eine einfache Mehrheit ausreichend. Von 36 Abgeordneten müssten also zumindest 24 anwesend sein. Die FPK hält 17 Sitze. Wenn nur 13 von ihnen den Plenarsaal verlassen, kann kein Beschluss gefasst werden. Auch wenn SPÖ (elf Abgeordnete), ÖVP (sechs) und Grüne (zwei) mit gemeinsam 19 der 36 Mandate die nötige einfache Mehrheit zusammenbrächten. Käme es zu einem solchen Beschluss, müssten innerhalb von drei Monaten Neuwahlen stattfinden.

Bund könnte Landtag auflösen

Artikel 100 der österreichischen Bundesverfassung gibt aber auch dem Bund die Möglichkeit, einen Landtag aufzulösen. Dafür ist ein Antrag der Bundesregierung nötig, also der SP-VP-Koalition. Dieser müsste vom Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit angenommen werden, wobei die Abgeordneten des betroffenen Landes - im konkreten Fall wären das vier Kärntner - am der Abstimmung nicht teilnehmen dürften. Diese Mehrheit (nötig wären 39 Stimmen) würde wohl auch gefunden. Denn ohne die Kärntner hat die SPÖ 26, die ÖVP 21 und die Grünen drei Bundesrats-Mandate.

Im Anschluss an einen solchen Bundesratsbeschluss würde der Bundespräsident den Landtag auflösen. Dann müsste die Landesregierung die Neuwahl binnen drei Wochen ausschreiben, die dann wieder binnen drei Monaten stattfinden müsste.

Eigentlich Wahl erst 2014

Falls es nicht zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, wird in Kärnten 2014 ein neuer Landtag gewählt. Die Legislaturperiode dauert regulär fünf Jahre. Die letzte Wahl fand 2009 statt. Damals baute die - da noch als BZÖ angetretene - FPK ihre Spitzenposition auf 44,89 Prozent (17 Mandate) aus. Die ÖVP legte kräftig, um mehr als fünf Prozentpunkte, auf 16,83 Prozent (6 Mandate) zu. Großer Verlierer war die SPÖ, die um fast zehn Prozentpunkte auf 28,74 Prozent (elf Mandate) einbrach. Die Grünen büßten 1,56 Prozentpunkte ein und kamen auf 5,15 Prozent (zwei Mandate).

Lesen Sie weiter: Landeshauptmann wehrt sich Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) macht seinen in der "Causa Birnbacher" schwer belasteten Parteifreunden Harald Dobernig und Uwe Scheuch nach wie vor die Mauer. "Es gibt einen Birnbacher-Martinz-Skandal," sagte Dörfler am Donnerstag vor einer außerordentlichen Regierungssitzung in Klagenfurt. An der Sitzung nahmen lediglich ÖVP und FPK teil. SPÖ-Chef Peter Kaiser bekräftigte indes seine Forderung nach Neuwahlen in Kärnten.

Die außerordentliche Regierungssitzung war von Dörfler ursprunglich einberufen worden, um per Regierungsbeschluss eine Anzeige gegen die Kärntner SPÖ wegen angeblicher illegaler Parteienfinanzierung herbeizuführen. Thematisch drehte sich vor der Sitzung freilich alles um die Geständnisse, die Steuerberater Dietrich Birnbacher und Ex-ÖVP-Parteichef Josef Martinz am Mittwoch im Strafprozess in der "Causa Birnbacher" am Landesgericht Klagenfurt abgelegt hatten.

"Neuwahlen lösen aber keine Probleme"

"Der gestrige Tag war eine Bombe für mich", sagte Dörfler. In der Causa sei zwar alles aufzuklären, "es gab aber auch rote Skandale", so der Landeshauptmann. "Neuwahlen lösen aber keine Probleme", meinte der FPK- Politiker. Völlig anders sah das SPÖ-Chef Peter Kaiser. "Wir haben es mit dem größten Skandal, den Kärnten in der Zweiten Republik erlebt hat, zu tun", erklärte Kaiser. In Kärnten mache sich "Wut, Verzweiflung und Ratlosigkeit" breit. "Wir wurden von einer machtgierigen FPK-ÖVP-Koalition belogen und betrogen", so der SPÖ-Politiker.

Dörfler könne sich nicht auf seine Rolle als Landeshauptmann zurückziehen. "Er war bei den Freiheitlichen Parteikassier und stellvertretender Parteiobmann", sagte Kaiser. Die einzige Möglichkeit einer "politischen Befreiung" sah Kaiser in sofortigen Neuwahlen. Ansonsten würde Kärnten "20 Monate in Geiselhaft" verbleiben. Am Freitag findet im Klagenfurter Landhaus eine von der SPÖ eingeforderte Landtagssitzung statt. Dabei will die SPÖ einen bereits aufrechten Neuwahlantrag erneuern. Die ÖVP hat bereits ihre Zustimmung angekündigt. Nötig ist allerdings auch die Zustimmung der FPK.

Lesen Sie weiter: Ermittlungen gegen Dobernig und Scheuch Gegen den Kärntner FPK-Landesrat Harald Dobernig, die Rechtsanwältin Astrid Wutte-Lang und drei Sachverständige in der Causa Birnbacher hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet. Das teilte deren Sprecher Erich Mayer am Donnerstag auf APA-Anfrage mit. Bei Dobernig sowie den Sachverständigen lautet der Verdacht auf Beitragstäterschaft zur Untreue, bei der Rechtsanwältin auf Geldwäsche.

Bei dem Verdacht gegen Dobernig geht es nicht um jene angebliche Geldforderung, von der Steuerberater Dietrich Birnbacher im Prozess am Mittwoch gesprochen hatte. Im Zusammenhang mit dieser angeblichen Forderung von 500.000 Euro, die laut Birnbacher Dobernig und sein FPK-Regierungskollege Uwe Scheuch stellten, werden Ermittlungen erst geprüft, so Mayer.

Geht es auch Scheuch an den Kragen?

Bei den nun eingeleiteten Ermittlungen geht es um einen Beitrag Dobernigs zur Untreuehandlung durch das Millionenhonorar. Dobernig war damals Sekretär des verstorbenen Landeshauptmannes Jörg Haider und saß im Aufsichtsrat der Landesholding. Laut aktueller Anklage der Staatsanwaltschaft Klagenfurt entstand der Kärntner Landesholding durch Untreuehandlungen ein Schaden von rund sechs Millionen Euro, angeklagt sind derzeit Ex-ÖVP-Chef Martinz, Birnbacher sowie die Vorstände der Landesholding Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander.

Laut Erich Mayer, Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, prüft seine Behörde derzeit, ob gegen die FPK-Landesräte Uwe Scheuch und Harald Dobernig Ermittlungen wegen des Verdachts der versuchten Geldwäsche aufgenommen werden. Diese Prüfung sei Resultat der Aussagen im Prozess in der Causa Birnbacher am Mittwoch.

Forderungen von Scheuch und Dobernig

Der wegen Untreue angeklagte Steuerberater Dietrich Birnbacher hatte gesagt, dass Scheuch und Dobernig 500.000 Euro von ihm gefordert hatten. Mit dem verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider und Ex-ÖVP-Chef Josef Martinz sei ausgemacht gewesen, Birnbachers Millionenhonorar beim Hypo-Verkauf unter sich aufzuteilen. Je ein Drittel der ursprünglich zwölf Millionen, die dann halbiert wurden, sollte demnach an die FPK, die ÖVP und an Birnbacher selbst gehen. Scheuch und Dobernig hätten nach Haiders Unfalltod einen Teil des Geldes eingefordert.

Sowohl Scheuch als auch Dobernig bestreiten die Vorwürfe vehement. Beide FPK-Politiker waren seit Mittwoch telefonisch nicht erreichbar. Über eine Aussendung ließen sie aber wissen, Birnbachers Aussagen seien "ein untauglicher Versuch, die Freiheitlichen in Kärnten und ihre Führungsspitze anzupatzen und zu beschädigen".

Lesen Sie weiter: Reaktionen auf die Causa Birnbacher Die Politiker Harald Dobernig und Uwe Scheuch bestritten den Vorwurf, für die Partei Geld von Birnbacher gefordert zu haben. Angesicht dieser Entwicklungen gingen die Bundesorganisationen der ÖVP und FPÖ auf Distanz zu den Parteifreunden im Süden, in Kärnten wurde gleichzeitig der Ruf nach Neuwahlen laut.

VP-Bundesparteichef Michael Spindelegger zeigte sich von Martinz "zutiefst enttäuscht". Die Führung der krisengebeutelten Kärntner ÖVP übernimmt der Nationalratsabgeordnete Gabriel Obernosterer. Der 57-Jährige wurde nach einem fünfstündigen Sitzungsmarathon zum geschäftsführenden VP-Parteiobmann bestellt. Seine primäre Aufgabe werde es sein, binnen drei Monaten einen Parteitag vorzubereiten, sagte Obernosterer nach seiner Kür am Abend. Er entschuldigte sich gleichzeitig bei allen "Gutgesinnten und Funktionären." "Ich möchte allen vermitteln, dass sie der ÖVP wieder vertrauen können", so Obernosterer, der nicht ausschloss, selbst als neuer Obmann kandidieren zu wollen.

Keine Konsequenzen bei Freiheitlichen

Im Gegensatz zur ÖVP wurden bei den Freiheitlichen vorerst keine Konsequenzen gezogen. Die FPK bestritt vielmehr, mit dem im Zuge des Verkaufs der Kärntner Hypo an die BayernLB geflossenen Geld etwas zu tun gehabt zu haben. Der Steuerberater Birnbacher hatte am Vormittag beim siebenten Prozesstag zur dieser Causa am Landegericht Klagenfurt gestanden, dass sein Millionenhonorar, das er im Zuge des Hypo-Verkaufs für ein Gutachten kassiert hatte, schon seit 2007 für Parteienfinanzierung in Richtung ÖVP und die FPK (damals BZÖ) vorgesehen gewesen war. Martinz bestätigte im Anschluss an Birnbachers Geständnis dessen Angaben.

Demnach sei schon im Herbst 2007 ausgemacht gewesen, das (damals geplante und später um die Hälfte reduzierte) Zwölf-Millionen-Honorar zu je einem Drittel an ihn, die ÖVP sowie die Kärntner Freiheitlichen aufzuteilen. Konkret flossen zur ÖVP letztlich 100.000 Euro. 65.000 Euro in einem Kuvert übergab Birnbacher an Martinz bei einer Weihnachtsfeier im Jahr 2009. Mit 35.000 bezahlte Birnbacher eine Rechnung, die just die Anwältin von Martinz, Astrid Wutte-Lang, ausgestellt hatte. Martinz trat noch im Schwurgerichtssaal als Parteichef ab und legte auch seine Parteimitgliedschaft nieder. "Es tut mir leid, dass ich mich auf das System Haider eingelassen habe", erklärte der ÖVP-Politiker. Er beteuerte, dass er innerhalb der ÖVP alleine gehandelt habe.

500.000 Euro verlangt

Birnbacher sagte weiters aus, dass FPK-Landeschef Vizelandeshauptmann Uwe Scheuch sowie FPK-Landesrat Harald Dobernig 2009 von ihm ebenfalls Geld gefordert hätten. Dobernig, einst Sekretär des 2008 tödlich verunglückten Landeshauptmannes Jörg Haider (BZÖ), habe erklärt, von einer Abmachung über eine Million Euro mit Haider zu wissen und habe 500.000 Euro verlangt, so Birnbacher. Geflossen sei aber nichts.

Die FPK-Poltiker wiesen die Aussagen Birnbachers zurück. Die beiden schlossen in einer Aussendung aus, dass es im Zusammenhang mit der Causa eine Zahlung an die Partei oder entsprechende Forderungen gegeben habe. Der von Birnbacher genannte Gesprächstermin im Jahr 2009 sei "nichts Besonderes" gewesen. In der Bundes-FPÖ wurde Vizeparteichef Norbert Hofer vorgeschickt, der von einem "Knalleffekt in Richtung ÖVP" sprach, gleichzeitig aber die Freiheitlichen in Kärnten aufforderte, "die Vorwürfe gegen sie rasch und glaubhaft zu entkräften".

"Zutiefst in diese Sache verstrickt"

. Auch Wirtschaftskammerpräsident Franz Pacher von der ÖVP sprach sich im ORF-Radio dafür aus. Angesichts dessen, dass neben Martinz auch die FPK-Landesräte Dobernig und Scheuch "zutiefst in diese Sache verstrickt" seien, gebe es kein regierungsfähiges Gremium mehr, so Pacher. Es sei ein "kompletter Umbruch in der Kärntner Politiklandschaft notwendig". FPK-Landeshauptmann Gerhard Dörfler erteilte den Neuwahlforderungen allerdings eine Absage.