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Narkose-Opfer: Prozess auf November vertagt

Heute Redaktion
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Der Prozess um die nach einer missglückten Narkose vor einer Leistenoperation schwerstbehinderte Nadina wurde am Mittwoch auf November vertagt. Ein Oberarzt nahm seine Vorwürfe aus der Vergangenheit gegen den Anästhesisten teilweise zurück. Dieser hatte sich beim Prozessauftakt am Montag nicht schuldig bekannt.

Die kleine Nadina war am 4. Jänner 2008 im Alter von sechs Wochen am Landeskrankenhaus Innsbruck operiert worden. Bei der Behandlung kam es zu Komplikationen, die mit einem massiven Gehirnschaden des Kindes endeten. Das Mädchen leidet laut dem Anwalt der Familie unter anderem an tief greifenden Entwicklungs- und komplexen Wahrnehmungsstörungen, einer zerebralen Sehstörung und einer schweren Epilepsie mit therapieresistenten Krampfanfällen. Die Eltern der heute Sechsjährigen pflegen ihr Mädchen seither ganztägig.

Am dritten Prozesstag wurde das Verfahren vertagt, weil zwei Zeugen zu ihrer Einvernahme nicht erschienen waren. Die nächste Verhandlung wird voraussichtlich am 18. November statt finden.

Mehrere Ärzte und Kollegen des Angeklagten wurden als Zeugen einvernommen. Im Mittelpunkt stand die Befragung des geschäftsführenden Oberarztes. Dieser hatte in den vergangenen Jahren mehrere E-Mails, die teilweise Bezug auf den Fall Nadina nahmen, an die ärztliche Direktion geschrieben. Darin erklärte er unter anderem, dass der Angeklagte Druck auf ihn ausgeübt habe und dass der Beschuldigte mehrfach in fragwürdige Qualitätsprobleme verwickelt gewesen sei.

Oberarzt entkräftete Vorwürfe teilweise

Auf Vorhalt dieser E-Mails durch den Privatbeteiligtenvertreter Thomas Juen entkräftete der Zeuge diese Vorwürfe jedoch teilweise. "Bei den angesprochenen Fällen, handelt es sich durchwegs um nicht strafrechtlich relevante Fälle", betonte der geschäftsführende Oberarzt. Außerdem räumte er "Kommunikationsprobleme" zwischen ihm selbst und dem Angeklagten ein.

Darüber hinaus gab der geschäftsführende Oberarzt zu bedenken, dass ein Puls-Oximeter, wie es zur Überwachung von Nadina verwendet wurde, eine zerebrale Hypoxie, die laut Gutachten die Behinderung des Mädchens ausgelöst habe, überhaupt nicht zeigen würde. Der einzige Fehler, den er im Verhalten des Angeklagten sehe, sei, dass der Anästhesist bei der Übergabe Nadinas an die Kinderintensivstation nicht genügend Nachdruck verliehen habe, der Diagnostik eines ersten fraglichen Krampfanfalls nach zu gehen, meinte der Zeuge.

Gutachter-Kritik an Strukturen der Klinik

Erneut war auch eine Dokumentationslücke bei Nadinas Werten von rund 30 Minuten nach der Operation Thema bei am dritten Prozesstag. Selbst wenn man keine Zeit gehabt hätte, die Werte aufzuschreiben, wären diese doch ohnehin automatisch im Überwachungsgerät gespeichert worden, meinte der während der Verhandlung anwesende Gutachter Gernot Pauser. Die Geräte in Innsbruck hätten diese Funktion jedoch nicht, entgegnete eine als Zeugin geladene Anästhesistin. Pauser äußerte daraufhin scharfe Kritik an den Strukturen an der Innsbrucker Universitätsklinik.

Seite 2: Zweiter Prozesstag

Am Dienstag, dem zweiten Prozesstag, betonten mehrere Zeugen, dass der Eingriff problemlos verlaufen und es zu keinerlei Auffälligkeiten oder Komplikationen gekommen sei. Die Zeugen beschrieben Nadina unisono als Routinefall. Die Befragungen gestalteten sich schwierig, weil viele Zeugen angaben, sich nach über sechs Jahren nicht mehr an die Ereignisse erinnern zu können. Nur anhand der damals angefertigten Protokolle konnten viele der Ärzte und Krankenschwestern Auskünfte über den Ablauf geben.

Kritik an Dokumentationslücke nach OP

Der anwesende Gutachter Gernot Pauser kritisierte indes eine Dokumentationslücke bei Nadinas Werten von rund 30 Minuten nach der Operation, also während der Aufwachphase des Mädchens. "Zu irgendeinem Zeitpunkt muss Nadina mit Sauerstoff unterversorgt gewesen sein", erklärte der medizinische Gutachter. Laut Pauser beschädigte nämlich eine schwere Hypoxie (Mangelversorgung des Gewebes mit Sauerstoff; Anm.) die graue Gehirnsubstanz des Mädchens.

Sowohl die Ärzte, als auch die Krankenschwestern berichteten jedoch, dass unter ihrer Aufsicht die Sauerstoffsättigung des Mädchens nie in einem kritischen Bereich gewesen sei. "Wenn sich die Werte des Mädchens verschlechtert hätten, wäre mir das auf jeden Fall aufgefallen", sagte die Anästhesieschwester. Zum Zeitpunkt der Dokumentationslücke sei sie jedoch bereits mit den Vorbereitungen für den nächsten Patienten beschäftigt gewesen. "Dabei kann ich aber immer noch Nadina im Auge behalten", versicherte sie.

Auch der damalige Assistenzarzt des angeklagten Mediziners sprach von einer "völlig normalen Narkose". "Bei der Narkose wurden keine unüblichen Medikamente verwendet und auch während der Operation gab es keine besonderen Vorkommnisse", sagte der Zeuge.

Urteil möglicherweise am Mittwoch

Ob Richter Gerhard Melichar tatsächlich schon am Mittwoch ein Urteil verkünden wird, schien jedoch fraglich. Eine Zeugin war zu ihrer Einvernahme nicht erschienen und Staatsanwältin Erika Wander kündigte bereits an, dass sie auf deren Befragung nicht "verzichten" werde.

Seite 3: Erster Prozesstag

Lange bestritt der Spitalsbetreiber Tilak jede Schuld. Erst heuer im Mai wurde eine Haftung für die Operation anerkannt.
Und am Montag stand der verantwortliche Arzt vor Gericht. Er soll bei Nadinas Narkose fatal (Überdosis) und fahrlässig (Überwachung nach der OP) gepfuscht haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Mädchen hatte laut Gutachter eine Hypoxie

Der angeklagte Anästhesist bekannte sich vor Richter Gerhard Melichar nicht schuldig. Laut Gutachter Gernot Pauser habe eine schwere Hypoxie (Mangelversorgung des Gewebes mit Sauerstoff; Anm.) die graue Gehirnsubstanz des Mädchens beschädigt. Der Angeklagte beharrte jedoch auch nach mehrmaligen Nachfragen darauf, dass Nadina unter seiner Aufsicht keine Hypoxie hatte.

Problem mit Sauerstoff

Die Operation und auch die Extubation des Mädchens seien laut dem angeklagten Mediziner problemlos verlaufen. Lediglich die Sauerstoffsättigung sei nicht "befriedigend" gewesen, deswegen habe man Nadina Sauerstoff über eine Maske verabreicht. Doch auch diese Sauerstoffzufuhr habe man nach einiger Zeit beenden können. Nachdem eine Krankenschwester im Aufwachraum Auffälligkeiten bei dem Kind meldete, wurde das Mädchen schließlich auf die Kinderintensivstation verlegt.

Nadina hatte Herzdefekte

Die Dosierung der Medikamente für die Narkose und auch deren Kombination seien völlig normal gewesen, meinte der 56-jährige Angeklagte. Lediglich die Narkose selbst habe etwas länger als normal gedauert, weil es nicht einfach gewesen sei einen Venenzugang zu legen. Erst im Nachhinein habe er von Herzdefekten erfahren, die das Kind offenbar hatte.

"Ich wüsste selbst gerne, was die wirkliche Ursache von Nadinas jetzigem Zustand ist", meinte der Anästhesist. Er bedauere den Zustand des Mädchens sehr und sei daran interessiert aufzuklären, was damals passierte, fügte er hinzu.