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Nazisymbole in Games – die Sache hat vier Haken

Das Studio Paintbucket Games aus Berlin arbeitet am ersten Game über die Nazizeit, in dem das Hakenkreuz in Deutschland gezeigt werden darf.

Heute Redaktion
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Wer Strategiespiele oder Shooter spielt, die in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelt sind, kennt das: in der deutschsprachigen Version zeigen Fahnen oder Uniformabzeichen nicht das Hakenkreuz, sondern meist eine rote Fläche mit einem weißen Kreis darin. Damit ist klar, um wen es geht, ohne dass das eigentliche Symbol der NSDAP zu sehen ist.

Ursache ist Paragraf 86a des deutschen Strafgesetzbuchs, der "das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" verbietet und dessen Missachtung mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Dadurch soll verhindert werden, dass die Öffentlichkeit im Alltag mit Nazisymbolen konfrontiert wird, sich daran gewöhnt und sie irgendwann als normal und akzeptabel wahrnimmt.

Keine Kunst?

Ausnahmen gibt es jedoch: In der Forschung, in Filmen, Büchern oder Zeitungen dürfen Hakenkreuze und andere Nazisymbole gezeigt werden. Neben einer wissenschaftlichen oder journalistischen ist so auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Naziregime und seinen Verbrechen möglich. Für Games galt dies bis vor kurzem nicht.

"Through the Darkest of Times" spielt in der Zeit von der Machtergreifung im Jahr 1933 bis zur Kapitulation 1945. Dabei werden die Nazis mit einer Widerstandsgruppe aus dem Untergrund bekämpft. Strategien werden geplant und durchgeführt, während die Gruppe mit Ressourcen versorgt und die Moral der einzelnen Mitglieder hochgehalten werden muss. Ankerpunkte sind größere historische Ereignisse, die Einfluss auf das Schicksal der Gruppe haben. Die einzelnen Mitglieder jedoch sind rein fiktional und werden von einem Algorithmus mit jedem neu begonnenen Spiel neu erschaffen. Die Veröffentlichung ist für Herbst 2019 geplant.

1998 gab es am Oberlandesgericht Frankfurt ein wegweisendes Urteil. Der bereits vier Jahre zuvor wegen übertriebener Gewaltdarstellung verbotene Shooter "Wolfenstein 3D" war Beweismittel im Prozess gegen einen Rechtsextremen. Das Gericht argumentierte, dass die im Game gezeigten Nazisymbole das jugendliche Publikum ideologisch beeinflussen könnten – und da das Gericht Games nicht als Kunstform anerkannte, fand auch die Ausnahmeklausel keine Anwendung.

Von nun an wurden Nazisymbole vor der Veröffentlichung eines Games im deutschen Markt von den Studios selbst entweder entfernt oder verfremdet. Erst im Sommer 2018 änderte sich diese Praxis, als das sich in Entwicklung befindende Indie-Game "Through the Darkest of Times" mit dem Freigabealter 12 versehen wurde – inklusive sichtbaren Hakenkreuzen.

Im Fadenkreuz

Die Entwickler, Jörg Friedrich und Sebastian Schulz von Paintbucket Games, haben eine klare Haltung zum Thema und der Idee des Games, die sie auch offensiv vertreten. So beschrieben sie auf der diesjährigen Ausgabe des Ludicious – Zürich Game Festival, wie in "Through the Darkest of Times" ein spannendes Spielprinzip mit einem ernsthaften, dokumentarischen Anspruch zusammenkomme.

Paintbucket Games kritisiert unter anderem, dass in den meisten WW2-Games das Naziregime auf seine Rolle als militärischer Gegner beschränkt wird. Sprich: Der Spieler nimmt einen deutschen Soldaten ins Fadenkreuz, und fertig. "Through the Darkest of Times" will sich davon abheben. Schauplatz sind die Straßen von Berlin, in denen an jeder Ecke der Verrat lauert, aber vielleicht auch ein Verbündeter wartet. Und der Hauptgegner, die berüchtigte Geheimpolizei Gestapo, ist nicht an einer Uniform erkennbar, ebenso wenig wie die vom Spieler gelenkte antifaschistische Widerstandsgruppe.

Seit dem "Wolfenstein"-Urteil von 1998 ist nicht nur die Spielerzahl gewachsen, sondern auch die Anerkennung des künstlerischen Potenzials von Games. Die Rechtsprechung hat diesen Wandel mittlerweile nachvollzogen. Dennoch könnte die Verwendung des Hakenkreuzes wie in "Through the Darkest of Times" vorerst eine Ausnahme bleiben. Viele Publisher werden weiterhin auf kommerziell aussichtsreiche WW2-Shooter setzen, für die der Nachweis "künstlerisch besonders wertvoll" schwieriger zu erbringen sein dürfte.