Politik

Neue Aufregung um Asyl-Obergrenze

Heute Redaktion
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Nachdem Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Dienstag bei einer Pressekonferenz den im Jänner von Regierung, Städten und Gemeinden vereinbarten Richtwert der Obergrenzen für Flüchtlinge von 37.500 indirekt in Frage gestellt hat, regt sich Widerstand.

Nachdem Bundeskanzler , regt sich Widerstand.

Regierungskreise erläuterten nach Kerns Aussage die Verwirrung um die Zahlen: Nicht mitgezählt würden derzeit alle sogenannten Dublin-Fälle, bei denen also rechtlich ein anderes Land zuständig ist. Ebenso wenig würde der Familiennachzug, sowie Kinder die erst nach dem Asylantrag der Eltern geboren werden, eingerechnet werden. Diese Ausnahmen sind im Papier vom Jänner nicht dezidiert angeführt. Hier wurde lediglich die 37.500 Flüchtlinge, die zum Asylverfahren zuzulassen sind, festgehalten.

Die Unschärfe im Papier: Bedeuten die 37.500 Asylsuchende, dass diese zum Asylverfahren zugelassen werden, in dem erst geprüft wird, ob Österreich überhaupt zuständig ist, oder ist damit auch das darauf folgende, inhaltliche Verfahren gemeint, in dem geprüft wird, ob eine Person tatsächlich Asyl erhält? Unklar ist dann auch, warum eine Person schon vor der Feststellung ihres Flüchtlingsstatus als Flüchtling bezeichnet wird.

Zur Erklärung: Kern präsentierte eine neue Interpretation der Vereinbarung für Obergrenzen: Auf die Frage, wann jene Verordnung in Kraft gesetzt werden könnte, die Personen, die über sichere Drittstaaten eingereist sind, ein Asylverfahren verwehrt, antwortete Kern: "Im Asylgesetz ist ein Richtwert festgehalten, der 37.500 Asylberechtigte formuliert. Diese Zahl, meinem Verständnis nach, liegt derzeit bei 11.000." Diese Zahl würde wesentlich mehr Neuzugänge bedeuten als die vereinbarten 37.500. Kern berief sich dabei auf Zahlen des Innenministeriums. Bisher war die kolportierte Zahl doppelt so hoch.

Mitterlehner: Man muss sich jetzt vorbereiten

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), der neben dem Kanzler stand, verwies darauf, dass das Türkei-Abkommen wackle und man in den Sommermonaten mit steigenden Asylantragszahlen rechnen müsse. Man müsse jetzt beginnen, vorbereitet zu sein und nicht erst, wenn der Tag X da sei, pflichtete Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) im Zusammenhang mit der Notverordnung bei. Der Vizekanzler wörtlich: „Ich seh’s genauso“, womit er meinte, dass man sich "ab sofort mit der Frage der Notverordnung" auseinandersetzen müsse.

Verwunderung und erster Widerstand

. Auch wenn er inhaltlich wenig an dem Umstand, Dublin-Fälle und Familiennachzug aus den Zahlen auszuklammern, zu kritisieren habe, wünscht sich der Verteidigungsminister in Zukunft monatliche Berichte über die Zahl der Asylanträge. - derstandard.at/2000038000614/Doskozil-fordert-von-Kern-monatliche-Berichte-ueber-FluechtlingszahlenAuch, wenn er wenig an dem Umstand, Dublin-Fälle und Familiennachzug aus den Zahlen auszuklammern, zu kritisieren habe, wünscht sich der Verteidigungsminister in Zukunft monatliche Berichte über die Zahl der Asylanträge.

Innenminister hofft auf "Missinterpretation"

Auch Innenminister Sobotka zeigte sich in einer Aussendung irritiert: "Die Bundesregierung und die Landeshauptleute haben Anfang des Jahres beschlossen, dass im Jahr 2016 nicht mehr als 37.500 Personen zum Asylverfahren zugelassen werden. Bundeskanzler Kern sprach jedoch gestern von 37.500 Asylberechtigten. Das wäre mit einer Antragszahl wie im Jahr 2015 vergleichbar." Und der Innenminister weiter: "Für mich steht fest: Die Asylantragszahlen des Jahres 2015 dürfen sich nicht wiederholen. Ich hoffe in diesem Zusammenhang, dass es sich hierbei um eine Missinterpretation des Bundeskanzlers handelt, und nicht um einen "Links-Ruck" des SPÖ-Parteivorsitzenden. Denn für mich als Innenminister ist klar: Die Asyllinie der Bundesregierung ist beschlossen und nicht verhandelbar", so Sobotka.

Kanzleramtsminister: transparente Veröffentlichung nötig

Die Regierung müsse sich sofort mit der Frage der Sonderverordnung zum Asylgesetz auseinandersetzen, so Kanzleramtsminister Thomas Drozda. Angesichts der aktuellen Diskussion um diese Zahlen, erwarte er sich eine Objektivierung und regelmäßig transparente Veröffentlichung dieser Zahlen, so Drozda. „Das zuständige Ressort sollte regelmäßig darstellen, wie viele Asylanträge in Österreich abgegeben wurden und wie hoch die Zahl der zum Asylverfahren Zugelassenen ist, also wie viele Dublin-Fälle oder Folgeanträge es gibt."

 

Definition des Potentials wichtig

Weiters hält Drozda fest, dass „es nach wie vor um die grundsätzliche Frage geht, wie viele Flüchtlinge Österreich aufnehmen kann und wie viele Menschen wir am Arbeitsmarkt integrieren können, wie viele Menschen wir am Wohnungsmarkt versorgen können und wie viele Personen unser Sozial- und Bildungssystem aufnehmen kann.“

"Auch in der nächsten Regierungssitzung wird diese Frage neben den laufenden Gesprächen zu diesem Thema Gegenstand von Beratungen sein", so Bundesminister Drozda abschließend.

ÖVP-Außenminister Kurz hat in einer ersten Reaktion "Ehrlichkeit bei diesem sensiblen Thema" eingefordert. Ein ÖVP-Minister  sprach gar von "Zahlentrickserei".