Gesundheit

Neue Juul-Pods machen schneller süchtig

"Neue Technologie" – die beiden Worte auf Liquid-Pods von Juul klingen harmlos, haben es aber in sich. Denn die E-Zigaretten machen schneller süchtig.

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Die E-Zigarette Juul ist bei Teenagern in den USA extrem populär – obwohl sie eigentlich gar nicht für diese gedacht ist, sondern erwachsenen Rauchern beim Aufgeben ihres Lasters helfen soll.
Die E-Zigarette Juul ist bei Teenagern in den USA extrem populär – obwohl sie eigentlich gar nicht für diese gedacht ist, sondern erwachsenen Rauchern beim Aufgeben ihres Lasters helfen soll.
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Anders als in den USA, wo ein einzelner Juul-Pod mit 80 Milligramm so viel Nikotin enthält wie ein ganzes Päckchen Zigaretten, sind in der EU – und dank Cassis-de-Dijon-Prinzip auch in der Schweiz – nur 20 Milligramm Nikotin erlaubt. Das war nach der Lancierung im 1. Quartal 2019 so und ist es auch heute noch.

Trotzdem hat die Juul seit einiger Zeit das Potenzial, schneller abhängig zu machen, wie der "Beobachter" unter Berufung auf Erkenntnisse des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin (BfR) berichtet. Dies nicht etwa, weil der Nikotingehalt erhöht worden wäre, sondern weil der US-Konzern an der Technologie der Pods geschraubt hat.

Die Krux mit dem Nikotin

Nikotin ist der Stoff, der Raucher, Snuser und Vaper bei der Stange hält. Das in Tabakblättern vorkommende Alkaloid dient der Pflanze als Schutz vor Fressfeinden. Beim Menschen wirkt es psychoaktiv. Es stimuliert die Ausschüttung von Dopamin und anderen Neurotransmittern. Während der Wirkdauer steigert es die psychomotorische Leistungsfähigkeit sowie Wahrnehmungsfähigkeit und Gedächtnisleistung. Zudem ist es ein Appetithemmer. In mittlerer Dosierung hat es eine entspannende Wirkung. In hohen Dosen ist es sehr giftig. Nikotin macht stark abhängig, was auch die Tabakindustrie bestätigt. Bei Jugendlichen kann es sich negativ auf die Entwicklung des Gehirns auswirken. Die WHO zählt Nikotin, anders als viele bei der Verbrennung von Tabak entstehende Stoffe, nicht zu den krebserregenden Substanzen.

"Wesentlich höheres Risiko, abhängig zu werden"

Statt über einen Kieselsäure-Docht verfügen die neuen Modelle über einen aus Baumwolle, was laut BfR dazu führt, dass pro Zug deutlich mehr Nikotin eingesogen werden kann als mit dem alten Gerät. Das Urteil der Berliner Forschenden: "Der Nikotin­ausstoß des modifizierten europäischen Juul-Geräts kommt der US-amerikanischen Hochnikotinvariante sehr nahe." Nichtraucher, die mit einem derart hohen Nikotinausstoß beginnen, "haben ein wesentlich höheres Risiko, abhängig zu werden", zitiert sie der "Beobachter".

Bei Juul Labs will man davon nichts wissen: "Unsere Studien zeigen für unsere Kieselsäure- und unsere Baumwolldochtprodukte mit 18 mg/ml eine ähnliche Nikotinabgabekurve, die im Übrigen in beiden Fällen viel niedriger ist als bei einer (Tabak-)Zigarette.", so Juul-Sprecher Tobias Gerlach auf Anfrage. Das impliziert: Von einer verschleierten Trickserei kann nicht die Rede sein. Zudem habe man die Veränderung mit dem Hinweis "neue Technologie" versehen.

Kritik am Konzern

Doch warum wurde dann der Docht überhaupt verändert? Auch darauf hat Gerlach eine Antwort parat. Der Baumwolldocht ermögliche "für erwachsene Raucher eine Nikotinwirkung und -erfahrung, die mit Tabak-Zigaretten noch besser vergleichbar ist und eine konsistentere Zug-um-Zug-Wirkung erlaubt." Besser lasse sich ein Widerspruch kaum formulieren, kommentiert das der "Beobachter".

Der US-Konzern steht nicht zum ersten Mal in der Kritik. Auch früher schon wurde moniert, dass Juul gezielt Jugendliche umwerbe. Damit konfrontiert, betont das Unternehmen immer wieder, dass seine Produkte ausschließlich dem Ziel dienten, die weltweit eine Milliarde erwachsenen Raucher von Tabakzigaretten wegzubringen.

Weniger Mitarbeiter und Rückzugsgedanken

Tatsächlich kommt das Juul-Prinzip in Europa und der Schweiz schlechter an als in den USA. So kündigte das Unternehmen im Mai 2020 etwa an, "deutlich über die Hälfte" seiner Mitarbeiter in Deutschland zu entlassen. Dies nicht etwa als Reaktion auf die Corona-Pandemie, wie Gerlach gegenüber der Fachzeitschrift "Lebensmittel Praxis" erklärte, sondern, weil sich der Markt anders entwickelt hat als geplant.

So hätten unter anderem die vielen Meldungen über gravierende Lungenschäden und sogar Todesfälle nach E-Zigaretten-Konsum für eine Kaufzurückhaltung gesorgt – "obwohl die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC öffentlich klargestellt hatte, dass diese Fälle in Zusammenhang stehen mit der Verwendung eines Vitamin-E-haltigen Öls in E-Liquids und nicht mit legalen E-Zigaretten". Laut Gerlach wird aus den gleichen Gründen auch ein Rückzug aus der Schweiz diskutiert. "Beide Maßnahmen sind Teil eines breiteren, globalen Restrukturierungsprozesses von Juul Labs."

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