Gesundheit

Neuer Ansatz für Corona-Therapie gefunden

In der Erbsubstanz von SARS-CoV-2 gibt es Abschnitte, die Schwachstellen darstellen. Dort könnten zukünftige Medikamente das Virus angreifen.

Sabine Primes
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Mittels komplexer organischer Chemie kommen Forscher den Schwachstellen des Virus auf die Spur.
Mittels komplexer organischer Chemie kommen Forscher den Schwachstellen des Virus auf die Spur.
Getty Images/iStockphoto

Wenn SARS-CoV-2 eine Zelle befällt, schleust es sein Erbgut in die Zelle ein und programmiert die Zelle so um, dass diese zunächst Viren-Proteine und schließlich ganze Virenpartikel herstellt. Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen SARS-CoV-2 haben Wissenschaftler sich bisher meist auf die viralen Proteine fokussiert, deren Blockade eine Vermehrung zu verhindern oder zu mindern verspricht. Doch auch der Angriff des viralen Erbguts, eines langen RNA-Moleküls, könnte die Vermehrung des Virus womöglich stoppen oder verlangsamen.

15 Genom-Abschnitte identifiziert

Einen wichtigen ersten Schritt zur Entwicklung einer solchen neuen Klasse von SARS-CoV-2-Medikamenten haben jetzt die Wissenschaftler des COVID-19-NMR-Konsortiums gemacht, das von Prof. Harald Schwalbe vom Institut für Organische Chemie und chemische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt koordiniert wird. Sie identifizierten 15 kurze Abschnitte des SARS-CoV-2-Genoms, die bei verschiedenen Coronaviren sehr ähnlich sind und daher vermutlich essenzielle regulatorische Funktionen haben. Auch im Verlauf des Jahres 2020 waren diese Genomabschnitte nur äußerst selten von Mutationen betroffen.

Die Forscher ließen eine Substanzbibliothek von 768 kleinen, chemisch einfachen Molekülen mit den 15 RNA-Abschnitten reagieren und analysierten das Ergebnis mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie). Bei der NMR-Spektroskopie werden Moleküle zunächst mit speziellen Atomsorten (Isotopen) markiert und dann einem starken Magnetfeld ausgesetzt. Durch einen kurzen Radiowellen-Impuls werden die Atomkerne angeregt und geben ein Frequenzspektrum ab, mit dessen Hilfe sich der Aufbau der Moleküle bestimmen lässt und welche Bindungen sie eingehen.

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    <strong>1. Kopfschmerzen</strong> sind das häufigste Symptom der Delta-Variante.
    1. Kopfschmerzen sind das häufigste Symptom der Delta-Variante.
    Getty Images/iStockphoto

    "Virusvermehrung erheblich stören"

    Auf diese Weise konnten die Forschenden um Prof. Schwalbe 69 kleine Moleküle finden, die an 13 der 15 RNA-Abschnitte banden. Prof. Harald Schwalbe: „Drei der Moleküle banden sogar spezifisch an nur einen RNA-Abschnitt. Wir konnten damit zeigen, dass sich die SARS-CoV-2-RNA sehr gut als potenzielle Zielstruktur für Medikamente eignet. Angesichts der zahlreichen Mutationen von SARS-CoV-2 sind solche konservativen RNA-Abschnitte, wie wir sie identifiziert haben, für eine Wirkstoffentwicklung besonders interessant. Da in einer infizierten Zelle die Viren-RNA bis zu zwei Drittel der gesamten RNA ausmacht, sollten wir mit geeigneten Molekülen die Virusvermehrung erheblich stören können.“

    Laut Schwalbe haben die Forscher bereits Untersuchungen mit kommerziell verfügbaren Substanzen begonnen, die chemisch ähnlich zu den Bindungspartnern aus der Substanzbibliothek sind.

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