Coronavirus

Neues Verfahren erkennt Todesfall-Risiko vor Infektion

Ob eine Covid-19-Erkrankung mild oder schwer verläuft, ließ sich bisher nur schwer abschätzen. Ein simpler Nasen-Rachenabstrich soll Abhilfe schaffen.

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    Ob eine Covid-19-Infektion schwer oder moderat verlaufen wird, ließ sich bisher nur schwer abschätzen.
    Ob eine Covid-19-Infektion schwer oder moderat verlaufen wird, ließ sich bisher nur schwer abschätzen.
    20min/Michael Scherrer

    Für ältere Menschen, schwangere Frauen oder Erwachsene mit chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck kann die Ansteckung mit dem Coronavirus besonders gefährlich sein. Doch ist ein schwerer Verlauf und ein allfälliger Spitalsaufenthalt auch bei anderen Personengruppen nicht auszuschließen. Bisher lässt sich das Risiko dafür jedoch nur schwer einschätzen.

    Forschende des Universitätsspitals Basel haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung, des Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon und der Universität Wisconsin (USA) nun aber einen Biomarker entdeckt (siehe Box), mit dem man vorhersagen kann, ob eine Covid-19-Infektion schwer oder moderat verlaufen wird und wie hoch das Risiko ist, an einer Infektion zu sterben. Laut der Studie, die bereits von anderen Forscherinnen und Forschern begutachtet wurde, könnte in Zukunft ein zusätzlicher PCR-Test im Zuge des Nasen-Rachenabstrichs für die Covid-19 Diagnostik ausreichen, um zwischen mehr und minder gefährdeten Personen zu unterscheiden.

    "Gefährdete Personen können sich so zusätzlich schützen"

    "Mit diesem Nasen-Rachenabstrich könnte – auch bereits vor einer SARS-CoV-2-Infektion – prognostiziert werden, wie eine Covid-19-Erkrankung verlaufen wird", sagt Alexandar Tzankov vom Institut für Medizinische Genetik und Pathologie des Unispitals Basel. Gefährdete Personen könnten sich so zusätzlich schützen und im Spital sei bereits früh eine Triage und Behandlung möglich. "Vor allem für Ärztinnen und Ärzte, für Pflegefachkräfte und für planerische Zwecke könnten die zusätzlichen Informationen sehr nützlich sein."

    Unfitte Lungenzellen führen zu schwerem Covid-Verlauf
    In der Medizin sind Biomarker charakteristische biologische Merkmale, die bei jedem Menschen gemessen und bewertet und als Referenz für Prozesse und Krankheitszustände im Körper verwendet werden können. Zu den Biomarkern gehören etwa Eigenschaften wie Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder Cholesterinwerte.
    In der Studie bemerkten die Forschenden bei der Autopsie von verstorbenen Covid-19-Patientinnen und -Patienten und der Analyse von PCR-Tests, dass es einen Zusammenhang zwischen hohen Konzentrationen des Biomarkers "hFlower-Lose" in den Atemwegen und einem schweren oder sogar tödlichen Verlauf von Covid-19 gibt.
    Der Erstautor der Studie, Michail Yekelchyk vom Max-Planck-Institut, äusserte sich in einer Podcast-Folge des Instituts dazu: "Stellen viele Lungenzellen den Biomarker her, deutet das auf viele 'unfitte Zellen' hin, die beim ersten Kontakt mit Covid-19 absterben. Schwere Lungenschäden oder sogar Todesfälle sind bei betroffenen Personen viel wahrscheinlicher."

    Covid-19-Medikamente zielgerichtet verschreiben

    Laut dem Genfer Epidemiologen Antoine Flahault könnten die Erkenntnisse der Studie zum Game-Changer werden: "Es ist von großer Bedeutung, den Krankheitsverlauf und insbesondere das Risiko von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen vorhersagen zu können." Dies vor allem angesichts neuer Covid-19-Medikamente, die in der Regel innerhalb von fünf Tagen nach den ersten Symptomen verabreicht werden müssen.

    Mit dem Biomarker könnten diese kostspieligen Medikamente zielgerichtet den gefährdeten Personen verschrieben werden, sagt Flahault, der das Institut für Global Health an der Universität Genf leitet. "Das trägt dazu bei, das Risiko schwerer Formen von Covid-19, die zu Krankenhausaufenthalten und Todesfällen führen, erheblich zu verringern." Mit einer baldigen Implementierung in die bei uns erhältlichen PCR-Tests rechnet er jedoch nicht: "Vor einer breiteren Anwendung muss die Untersuchung wohl noch an einer größeren Patientengruppe vervielfältigt werden."