Wien

36 Cent mehr Notstandshilfe, dann Sozialhilfe gekürzt

Manche Corona-Maßnahmen treiben seltsame Blüten: Weil der Bund die Notstandshilfe erhöht hat, wird einem Wiener die Mindestsicherung gekürzt.

Isabella Kubicek
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Nach der Erhöhung der Notstandshilfe, erhielt ein Wiener Post vom Sozialamt.<br>
Nach der Erhöhung der Notstandshilfe, erhielt ein Wiener Post vom Sozialamt.
(Bild: picturedesk.com/APA)

Die Ankündigung der Bundesregierung im April, während der Corona-Pandemie die Notstandshilfe um 30 Prozent zu erhöhen, ließ viele Österreicher aufatmen. Gefreut hat sich auch Andreas M. (Name von der Redaktion geändert). Der Wiener bezieht eine geringe Unterstützung, daher macht die Erhöhung nur 36 Cent pro Tag aus. In Zeiten, wo viele jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen, kam die Unterstützung für Andreas M. aber genau richtig.

Drei Monate später flatterte dann Post von der MA 40 ins Haus: "Aufgrund einer Einkommensänderung war Ihre Leistung neu zu berechnen", stand in dem Bescheid. "Darin war vermerkt, dass sich meine Notstandshilfe um 36 Cent erhöht hatte", erklärt Andreas M.

So weit so gut, dachte sich der Wiener. Nur wenige Tage später war allerdings ein zweiter Brief vom Magistrat bei der Post abzuholen. "Darin stand, dass ich für ein Monat zu Unrecht empfangene Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von 11,16 Euro zurückzahlen soll", schüttelt Andreas M. den Kopf. Also genau jenen Betrag, den er seit der Änderung der  Bundesregierung mehr bei der Notstandshilfe erhält.

Vorgehen ist ein "Schurkenstreich"

"Das kommt einem Schurkenstreich ähnlich, wenn der Bund Leistungen erhöht, aber das Land diese in der Mindestsicherung gleich wieder abzieht", meint Andreas M. "Ich bekomme sehr wenig Mindestsicherung, daher ist es nicht so dramatisch. Aber wenn jemand höhere Notstandshilfe bezieht, währt die Freude über die Erhöhung nur sehr kurz", so der Wiener.

Wien sieht sich in Kritik bestätigt

Kann das wirklich stimmen, dass man deshalb einen Teil der Mindestsicherung zurückzahlen muss, wollte "Heute" vom zuständigen Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) wissen. Und tatsächlich: Leistungen wie die Notstandshilfe oder Arbeitslosengeld werden angerechnet und reduzieren den Anspruch auf die Mindestsicherung. "Wir sind dazu verpflichtet, das sieht das Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes des Bundes so vor", erklärt Sprecher Mario Dujaković, der den Ärger des Wieners nachvollziehen kann. "Davor hat Stadtrat Peter Hacker immer gewarnt" und spielt den Ball an den Bund weiter.

Erhöhung ist "Nullsummenspiel"

Formal liegt die Angelegenheit bei Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), ihr Büro verweist allerdings auf das Gesundheitsministerium, das für das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz verantwortlich ist. Dort heißt es: "Grundsätzlich ist es richtig, dass eine Nichtanrechnung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung bundesseitig gesetzlich verankert werden muss. In diesem speziellen Fall haben sich die Landeshauptleute in ihrem Beschluss in der LH-Konferenz vom 15. Mai 2020 dafür ausgesprochen, dass die vorübergehende und rückwirkende Erhöhung der Notstandshilfe rückabgewickelt werden soll". Diese Ausnahme gab es allerdings nur für die Monate März und April, bleibt Dujaković bei seiner Kritik. Ein neuer Beschluss würde nicht vorliegen, der von den Landeshauptleuten unterstützt werden könnte. "Eine langfristige Lösung sieht anders aus", so der Hacker-Sprecher.

Bleibt es also – bis zum neuen Beschluss – ein "Nullsummenspiel" für viele Betroffene? "Ja, wenn Sie es so sagen wollen", erklärt eine Sprecherin von Ministerin Aschbacher auf "Heute"-Nachfrage.