Niederösterreich

"Null Hilfe" – Ärztin hat 150 Patienten an 1 Vormittag

Das heimische Gesundheitswesen bröckelt: Dr. Ursula Leitner rechnet mit der Politik ab, hinter ihr stehen immerhin Tausende zufriedene Patienten.

Dr. Ursula Leitner (47) in ihrer Praxis in Pottendorf.
Dr. Ursula Leitner (47) in ihrer Praxis in Pottendorf.
Privat

Unser heimisches Gesundheitssystem hängt längst selbst am Tropf: Überfüllte Spitäler, keine freien Betten für Patienten, Pflege-Krise, eine marode Krankenkasse, die Ärzte in Wien sind mittlerweile auf den Barrikaden.

Eine Medizinerin aus dem Bezirk Baden führt – trotz aller Widrigkeiten – einen einsamen Kampf zum Wohle ihrer sehr vielen Patienten. Mit ihrem Team schafft Dr. Ursula Leitner in ihrer modernen Multi-Praxis in Pottendorf eine schier unfassbare Anzahl an versorgten und zufriedenen Patienten und vergisst dabei nie aufs Wesentliche: nämlich auf die Menschen, die für die 47-Jährige nicht bloß lästige Nummern sind.

Kaffeetscherl zur Infusion

Und da schließt sich der logische Kreis: Dass die 47-jährige Allgemeinmedizinerin so eine hohe Patientenzahl und -zustrom hat, liegt unter anderem am menschlichen Umgang sowie an der geringen Wartezeit – unter 15 Minuten, egal wer wann kommt. Auch etwa am Freitagmorgen (6. Oktober 2023), um 6.15 Uhr fernab der Ordinationszeit, bekommt ein berufstätiger Tumor-Patient zur Infusion ein freundliches "Kaffeetscherl" serviert. "Das ist völlig normal", sagt Ursula Leitner trocken.

Nach langjähriger Vertretung hatte Dr. Ursula Leitner (47) vor 14 Jahren den Kassenvertrag von Dr. Sheriff in Pottendorf (Bezirk Baden) mit rund 700 Patienten im Quartal übernommen.

Patientenzahl stieg stetig 

Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Praxis der gebürtigen Pottendorferin, unter anderem auch durch den Neubau im Jahr 2000, zu einem „Gesundheitszentrum“.

Wahlärzte der Orthopädie, Neurologie, Dermatologie und Homöopathie bzw. Akupunktur runden das Angebot neben Psycho- und Physiotherapeuten bis zu einer Hebamme, abseits der Kassenordination der Allgemeinmedizin, ab. Die Menge der Patienten entwickelte sich in den Jahren stetig weiter, bis zuletzt eine Versorgung für eine Anzahl von über 5.000 geschaffen werden konnte.

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    Dr. Ursula Leitner in ihrer Ordination im Bezirk Baden
    Dr. Ursula Leitner in ihrer Ordination im Bezirk Baden
    Privat

    "Abseits dieser unvorstellbaren Anzahl von Patienten und Leistungen, die mein Team und ich in der Ordination erbringen, schaffen wir es, die Wartezeit unter 15 Minuten zu halten", versichert die in Wr. Neustadt lebende Mutter einer Tochter. Die "klassischen" Leistungen: Blutabnahmen, MuKi-Pass, Impfungen, Infusion, Verband sowie Substitution.

    Arzt in Pension macht Urlaubsvertretung

    Nach der Pensionierung der beiden örtlichen Kollegen vor zwei Jahren hält Dr. Ursula Leitner samt schlagkräftigem Team die Versorgung der Großgemeinde Pottendorf (Anm.: 7.500 Einwohner) alleine aufrecht. "Obwohl bereits seit Oktober 2022 ein neuer Kassenvertrag vergeben worden war, kam bis dato keine tatsächliche Unterstützung durch einen neuen Kollegen zustande. In meiner Urlaubszeit erklärt sich mein ehemaliger Ortskollege Dr. Horst Birkner für die Vertretungen bereit, obwohl dieser bereits seit zwei Jahren pensioniert ist", erklärt die Allgemeinmedizinerin nüchtern, ohne Gram und Ärger im Gespräch mit "Heute".

    Vor allem die Coronapandemie brachte Dr. Leitner und ihr Team an die Leistungsgrenzen: "Zwischen 300 und 400 Covid19-Impfungen wurden abseits des alltäglichen Ordinationsbetriebes vor Ort und bei Auswärtsvisiten verabreicht", erzählt die routinierte Medizinerin.

    10er-Team

    "Mittlerweile wuchs mein Team zu einer Größenordnung von zehn Personen heran (DGKS, Masseurinnen, Ordinationsassistentinnen). "An einem ganztägigen Ordinationstag gibt es bis zu 700 Patientenkontakte", erklärt ihr Partner und Ordinations-Manager MMag. Markus Tatar, der seit über 30 Jahren mit der Ärztin liiert ist und mit seinem Wirtschafts- und IT-Know-How die Praxis seit vielen Jahren optimal managt. Anders wäre die seriöse Aufrechterhaltung des Betriebes in dieser Form nicht möglich. Dass daheim ein Volksschulkind auf die Eltern wartet, sei nur beiläufig erwähnt.

    "Versorgung nur möglich, wenn Leistungsgrenzen von Personal und mir maßlos überschritten wird" - Dr. Ursula Leitner

    "Darüber hinaus betreue ich mittlerweile über 480 Substitutionspatienten aus dem Umkreis von über 70 Kilometer. Die 'Masse' der zu bewältigenden Arbeit ist schlichtweg nicht mehr möglich, ohne die Leistungsgrenze meinerseits und die meines Personals maßlos zu überschreiten."

    150 Patienten an einem Vormittag

    "An einem Vormittag als alleinige ortsansässige Allgemeinmedizinerin 150 PatientInnen fachgerecht zu behandeln, grenzt, um es umgangssprachlich zu beschreiben, an einen medizinischen Wahnsinn", berichtet die Medizinerin scharf, indes unaufgeregt.

    Politik lässt Ärztin im Stich

    Was die Kämpfernatur sachlich der Politik und den Schreibtischtätern mitteilen will: "Weder von politischer Seite noch seitens der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gab es bisher zu einer Alleinversorgung in einer Großgemeinde von fast 8.000 BürgerInnen für mich als Alleinkämpferin mit meinem Team eine Kontaktaufnahme. Von einer möglichen Unterstützung oder gar Anerkennung will ich gar keine Silbe fallen lassen."