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Nun gibt der Oslo-Killer der Al-Kaida Tipps

Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik hat sich nach eigenen Aussagen vom islamistischen Terrornetzwerk Al-Kaida inspirieren lassen.

Heute Redaktion
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"Ich habe viel von Al-Kaida gelernt", sagte Breivik am Freitag vor Gericht in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Der heute 33-Jährige hatte während eines Ferienlagers der Sozialdemokraten auf der Fjordinsel Utöya im vergangenen Sommer 69 Menschen getötet, viele davon Jugendliche. Den meisten schoss er gezielt und kaltblütig ins Gesicht. Bei einem Bombenanschlag im Osloer Regierungsviertel hatte er zuvor acht Menschen in den Tod gerissen.

Al-Kaida sei so erfolgreich, weil das Terrornetz "Märtyrer" (Selbstmordattentäter) einsetze, meinte Breivik vor Gericht. Dann setzte er dazu an, dem Terrornetzwerk Tipps zu geben: Das Problem mit militanten Islamisten sei, dass sie zu sehr auf Sprengstoff und nicht auf Amokläufe mit Schusswaffen setzten. Dennoch habe er die Organisation mehrere hundert Stunden lang in Internet und Filmen studiert und eine Art "Al-Kaida für Christen" schaffen wollen.

"Vorteil Märtyrertum"

Er habe auch andere Terrororganisationen verglichen. "Die Schwäche der (baskischen Untergrundorganisation) ETA ist, dass sie den Tod fürchten und nicht an das Leben nach dem Tod glauben. Das ist die Schwäche von Marxisten-Bewegungen. Der Vorteil von Al-Kaida ist, dass sie Märtyrertum glorifizieren", sagte der Massenmörder. Um seine Attentate durchzustehen, habe er sich emotional total abgekapselt, sagte er.

"Man muss gefühlsmäßig abgestumpft sein, das muss man trainieren." Bis 2006 sei er ein normaler Mensch gewesen. "Viele Leute würden mich als einen netten Kerl beschreiben." Danach habe er sich über mehrere Jahre "entmenschlicht" und alle Emotionen abgelegt. Vor allem das Massaker auf Utöya habe mentales Training erfordert. Es sei zwar einfach, per Knopfdruck eine Bombe zu zünden.

Mentales Training

"Es ist sehr, sehr schwer, etwas so Barbarisches wie einen Waffeneinsatz durchzuführen." Sein mentales Training habe dem geähnelt, das norwegische Soldaten vor ihrem Afghanistan-Einsatz absolvierten, sagte er. Auch seine technische Sprache während der Verhöre sei ein Werkzeug. "Man kann niemanden töten, wenn man mental nicht vorbereitet ist", sagte Breivik. Er sei aber kein Narziss, der vor allem sich selbst liebe. "Ich fühle eine große Liebe für dieses Land. Das ist nicht normal, aber so bin ich."

Der 33-Jährige ist sich nach eigener Aussage voll bewusst, unfassbares Leid ausgelöst zu haben. Er habe das Leben der Angehörigen und Hinterbliebenen zerstört, sagte er ruhig und ohne Reue. "Ich kann nicht behaupten, dass ich ihr Leid verstehe", sagte Breivik. "Wenn ich das versuchen würde, könnte ich hier nicht sitzen. Dann könnte ich nicht weiterleben."

"Jetzt oder nie"

Mit ruhigen Worten beschrieb Breivik, wie er auf Jugendliche auf Utöya schoss. "Jetzt oder nie", habe er sich gedacht, als er als Polizist verkleidet auf der Insel gestanden sei. Er habe die Pistole aus der Tasche geholt und als erstes die Betreuerin des Ferienlagers erschossen. Danach erinnere er sich an wenig. Dennoch berichtete Breivik detailliert von weiteren Morden. Er habe so viele Menschen "hinrichten" wollen wie möglich. Breivik atmete während seiner Ausführungen immer wieder heftig durch. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch niemand der Angehörigen den Saal verlassen.

Breivik selbst hält sich für voll schuldfähig. "Diese Sache ist einfach: Ich bin zurechnungsfähig", sagte er. Er sei schockiert gewesen, als er das erste psychiatrische Gutachten gelesen habe, das ihm paranoide Schizophrenie bescheinigt. Es sei schwer zu begreifen, dass jemand so extrem und fundamentalistisch sein könne, gab er zu. "Es ist leicht zu denken, das ist Wahnsinn. Aber es gibt einen Unterschied zwischen politischer Gewalt und Wahnsinn im medizinischen Sinne."

   Dem Gericht liegen zwei widersprüchliche psychiatrische Gutachten über den Geisteszustand Breiviks vor. Im ersten wird er als paranoid-schizophren und damit schuldunfähig, im zweiten als voll zurechnungsfähig und nicht psychotisch bezeichnet. Die Frage der Zurechnungsfähigkeit entscheidet darüber, ob der 33-Jährige ins Gefängnis oder in eine psychiatrische Anstalt kommt.